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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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in den ausländischen Cabiuetcn, besaßen Anhänger im Lande selbst, die
ihnen dienten. So begannen sie ihre Verdächtigungen und Verleumdungen,
ein Lügcnsy stein, zu dem die Luzerner Jcsuiteupartei sich mit den Häuptern
und Priestern mancher protestantischen Cantone verband. Denn während die
Römlinge das Landvolk der katholischen Cantone, oder wo gemischte Bevöl¬
kerung wohnte, zum Haß ihrer Regierungen fanatisirten, war der Pietismus
in Basel, Schafhausen und Zürich uicht weniger geschäftig für dasselbe Ziel.
Dort erscholl das Geschrei, die heilige katholische Kirche sei in Gefahr, von
einer Rotte Gottesleugner geschändet zu werden, hier predigte man dem
Volke nichts weniger, als daß Atheisten, Menschen ohne Glauben und Treue,
dem Volke den Gott seiner Väter entreißen und ein Babel und Sodom aus
der Schweiz macheu wollten. Protestantische Pfarrer stellten sich an die
Spitze frommer Vereine, überall war es der gleiche Zweck, die Regierungen
zu stürzen. Radikal oder atheistisch wurden gleichbedeutend, und die Baseler
Zeitung/ oder der Korrespondent von Schafhanscn bekannten sich zu denselben
Grundsätzen des Absolutismus und Jesuitismus, wie die katholische Kirchen¬
zeitung von Bern oder der Waldstädter Bote in Schwyz. Gegen all' diese
Anfechtungen und Feinde kämpften die Vereine der Patrioten und ihre
öffentlichen Organe unablässig, indem sie zugleich das zagende ^ustv-milieu
der Regierungen vorwärts zu treiben suchten u. s. w."

Man sieht, daß eine Masse instructiven zugleich und anmuthigen Mate¬
rials in dieser Schrift zu finden ist. So geht es in angenehmem Wechsel
von einem Canton zum Andern, vom Politischen zum sozialen, von der Genre¬
malerei zum historischen Gemälde. Eine leichte, gefällige Darstellungsgabe
erleichtert das Interesse noch mehr. Man wird nicht gespannt, aber stets
unterhalten und belehrt.

Der Raum verbietet uus, viel mehr herauszuheben, die Auswahl ist
schwer und eine Analyse des Werkes bei dem springenden Gange desselben
unmöglich. Eins noch will ich anführen, die Schilderung der Presse.

"Die Presse in der Schweiz bietet allerdings größtentheils ein Bild
wüster Klvpffechterei dar, an dem wenig Erquickliches zu schauen ist, denn
namentlich in der deutschen Schweiz ist die Tagespresse der Tummelplatz aller
der großen und kleinen Bosheiten und Intriguen, mit denen die Parteien
sich anfallen. Wenn die Sprache und die Haltung der Presse die Vildungs-
znstände eines Volkes ausdrücken, so ist die Schweiz einer üblen Beurthei¬
lung ausgesetzt; vieles liegt jedoch in den Verhältnissen, denn der größte
Theil der zahlreichen kleinen Schweizerblätter ist für einfache Bürger und
Landleute berechnet, welche verständliche, kurze, derbe und scharfe Ausdrücke


GrruMcn. III. 1847.

in den ausländischen Cabiuetcn, besaßen Anhänger im Lande selbst, die
ihnen dienten. So begannen sie ihre Verdächtigungen und Verleumdungen,
ein Lügcnsy stein, zu dem die Luzerner Jcsuiteupartei sich mit den Häuptern
und Priestern mancher protestantischen Cantone verband. Denn während die
Römlinge das Landvolk der katholischen Cantone, oder wo gemischte Bevöl¬
kerung wohnte, zum Haß ihrer Regierungen fanatisirten, war der Pietismus
in Basel, Schafhausen und Zürich uicht weniger geschäftig für dasselbe Ziel.
Dort erscholl das Geschrei, die heilige katholische Kirche sei in Gefahr, von
einer Rotte Gottesleugner geschändet zu werden, hier predigte man dem
Volke nichts weniger, als daß Atheisten, Menschen ohne Glauben und Treue,
dem Volke den Gott seiner Väter entreißen und ein Babel und Sodom aus
der Schweiz macheu wollten. Protestantische Pfarrer stellten sich an die
Spitze frommer Vereine, überall war es der gleiche Zweck, die Regierungen
zu stürzen. Radikal oder atheistisch wurden gleichbedeutend, und die Baseler
Zeitung/ oder der Korrespondent von Schafhanscn bekannten sich zu denselben
Grundsätzen des Absolutismus und Jesuitismus, wie die katholische Kirchen¬
zeitung von Bern oder der Waldstädter Bote in Schwyz. Gegen all' diese
Anfechtungen und Feinde kämpften die Vereine der Patrioten und ihre
öffentlichen Organe unablässig, indem sie zugleich das zagende ^ustv-milieu
der Regierungen vorwärts zu treiben suchten u. s. w."

Man sieht, daß eine Masse instructiven zugleich und anmuthigen Mate¬
rials in dieser Schrift zu finden ist. So geht es in angenehmem Wechsel
von einem Canton zum Andern, vom Politischen zum sozialen, von der Genre¬
malerei zum historischen Gemälde. Eine leichte, gefällige Darstellungsgabe
erleichtert das Interesse noch mehr. Man wird nicht gespannt, aber stets
unterhalten und belehrt.

Der Raum verbietet uus, viel mehr herauszuheben, die Auswahl ist
schwer und eine Analyse des Werkes bei dem springenden Gange desselben
unmöglich. Eins noch will ich anführen, die Schilderung der Presse.

„Die Presse in der Schweiz bietet allerdings größtentheils ein Bild
wüster Klvpffechterei dar, an dem wenig Erquickliches zu schauen ist, denn
namentlich in der deutschen Schweiz ist die Tagespresse der Tummelplatz aller
der großen und kleinen Bosheiten und Intriguen, mit denen die Parteien
sich anfallen. Wenn die Sprache und die Haltung der Presse die Vildungs-
znstände eines Volkes ausdrücken, so ist die Schweiz einer üblen Beurthei¬
lung ausgesetzt; vieles liegt jedoch in den Verhältnissen, denn der größte
Theil der zahlreichen kleinen Schweizerblätter ist für einfache Bürger und
Landleute berechnet, welche verständliche, kurze, derbe und scharfe Ausdrücke


GrruMcn. III. 1847.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/103>, abgerufen am 29.07.2024.