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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Pflege, vielleicht zu größerer Wirksamkeit gebracht, zu größerem Gedeihen
des Volkswohls angewendet werden, als der bisherige Zustand.

Die Frage ist nun die. Sind die Beschränkungen, welche sie den Re¬
präsentanten und den durch sie vertretenen Ständen auflegt, so beeinträchti-
gend für die Ehre derselben, daß kein Nutzen sie aufwiegen kann?

Um einen Beitrag zur Lösung dieser Frage zu geben, werde ich eine kurze
Skizze der bisherigen "Versuche und Hindernisse" folgen lassen, die den ver¬
einigten Landtag bei seinem Entstehen begleiteten.

Vorher aber muß ich noch ans der unendlichen Menge von Flugschriften,
die über diesen Gegenstand erschienen sind, zwei herausheben. Die eine, von
Simon, ist schon vielfach besprochen. In der Darstellung des Faktischen
wird man wohl in den meisten Fällen mit ihm übereinstimmen. Der Rath
dagegen, den er den Ständen gab: "sich für incompetent zu erklären;" dem
Volk: "die octroyirte Verfassung zurückzuweisen," war aus zwei Gründen
bedenklich. Einerseits rief er einen offenen Kriegszustand hervor, wo man
noch Hoffnungen auf einen aufrichtigen Frieden hegen konnte, und verschloß
jeden Weg der Verständigung; andererseits war er dazu geeignet, wie jeder
Entschluß der Restguatiou, ein deprimirendes Gefühl hervorzurufen, das
eben nicht geeignet sein konnte, die Vorkämpfer des Volks zu neuen Anstren¬
gungen zu begeistern.

Die Stände haben nach meiner Meinung Recht darau gethan, diesem
Rath nicht zu folgen; sie haben Recht daran gethan, anch wenn der Erfolg
gegen ihren Entschluß sprechen sollte. Jenes Patent, wenn auch auf eine
bedauenrswerthe Weise mit Mißtrauen durchwebt, war immer an sich selbst
ein Act des Vertrauens; es war die Pflicht der Stände, diesem Act mit
Vertrauen entgegenzukommen, wenn auch mit Behutsamkeit.

Die andere Schrift, die zu nennen ist, hat Gervinus versaßt; ein
Mann, deu herabzusetzen ein Hauptgeschäft der sogenannten "radikalen"
Schwindler geworden zu sein scheint. Folgendes ist der wesentliche Inhalt
seiner Darstellung.

"Die vereinigten Landstände sind durch das Patent vom 3. Februar
zu einem Antheil an gesetzlichen Bestimmungen berufen, wofür in den ältern
Gesetzen Reichsstände mit einem verschiedenen Berufe vorgesehen wurden, sie
können sich aber nicht füglich, weder in Form noch Wesen, für diese Reichsstände
halten. Entweder also sind die vereinig. Rcichsst. jene Reichsstände in der That
so wenig, als sie so heißen, dann aber können sie auch deren Functionen
nicht erfüllen; oder sie sollen diese Functionen erfüllen, dann aber müssen sie


Pflege, vielleicht zu größerer Wirksamkeit gebracht, zu größerem Gedeihen
des Volkswohls angewendet werden, als der bisherige Zustand.

Die Frage ist nun die. Sind die Beschränkungen, welche sie den Re¬
präsentanten und den durch sie vertretenen Ständen auflegt, so beeinträchti-
gend für die Ehre derselben, daß kein Nutzen sie aufwiegen kann?

Um einen Beitrag zur Lösung dieser Frage zu geben, werde ich eine kurze
Skizze der bisherigen „Versuche und Hindernisse" folgen lassen, die den ver¬
einigten Landtag bei seinem Entstehen begleiteten.

Vorher aber muß ich noch ans der unendlichen Menge von Flugschriften,
die über diesen Gegenstand erschienen sind, zwei herausheben. Die eine, von
Simon, ist schon vielfach besprochen. In der Darstellung des Faktischen
wird man wohl in den meisten Fällen mit ihm übereinstimmen. Der Rath
dagegen, den er den Ständen gab: „sich für incompetent zu erklären;" dem
Volk: „die octroyirte Verfassung zurückzuweisen," war aus zwei Gründen
bedenklich. Einerseits rief er einen offenen Kriegszustand hervor, wo man
noch Hoffnungen auf einen aufrichtigen Frieden hegen konnte, und verschloß
jeden Weg der Verständigung; andererseits war er dazu geeignet, wie jeder
Entschluß der Restguatiou, ein deprimirendes Gefühl hervorzurufen, das
eben nicht geeignet sein konnte, die Vorkämpfer des Volks zu neuen Anstren¬
gungen zu begeistern.

Die Stände haben nach meiner Meinung Recht darau gethan, diesem
Rath nicht zu folgen; sie haben Recht daran gethan, anch wenn der Erfolg
gegen ihren Entschluß sprechen sollte. Jenes Patent, wenn auch auf eine
bedauenrswerthe Weise mit Mißtrauen durchwebt, war immer an sich selbst
ein Act des Vertrauens; es war die Pflicht der Stände, diesem Act mit
Vertrauen entgegenzukommen, wenn auch mit Behutsamkeit.

Die andere Schrift, die zu nennen ist, hat Gervinus versaßt; ein
Mann, deu herabzusetzen ein Hauptgeschäft der sogenannten „radikalen"
Schwindler geworden zu sein scheint. Folgendes ist der wesentliche Inhalt
seiner Darstellung.

„Die vereinigten Landstände sind durch das Patent vom 3. Februar
zu einem Antheil an gesetzlichen Bestimmungen berufen, wofür in den ältern
Gesetzen Reichsstände mit einem verschiedenen Berufe vorgesehen wurden, sie
können sich aber nicht füglich, weder in Form noch Wesen, für diese Reichsstände
halten. Entweder also sind die vereinig. Rcichsst. jene Reichsstände in der That
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[0087] Pflege, vielleicht zu größerer Wirksamkeit gebracht, zu größerem Gedeihen des Volkswohls angewendet werden, als der bisherige Zustand. Die Frage ist nun die. Sind die Beschränkungen, welche sie den Re¬ präsentanten und den durch sie vertretenen Ständen auflegt, so beeinträchti- gend für die Ehre derselben, daß kein Nutzen sie aufwiegen kann? Um einen Beitrag zur Lösung dieser Frage zu geben, werde ich eine kurze Skizze der bisherigen „Versuche und Hindernisse" folgen lassen, die den ver¬ einigten Landtag bei seinem Entstehen begleiteten. Vorher aber muß ich noch ans der unendlichen Menge von Flugschriften, die über diesen Gegenstand erschienen sind, zwei herausheben. Die eine, von Simon, ist schon vielfach besprochen. In der Darstellung des Faktischen wird man wohl in den meisten Fällen mit ihm übereinstimmen. Der Rath dagegen, den er den Ständen gab: „sich für incompetent zu erklären;" dem Volk: „die octroyirte Verfassung zurückzuweisen," war aus zwei Gründen bedenklich. Einerseits rief er einen offenen Kriegszustand hervor, wo man noch Hoffnungen auf einen aufrichtigen Frieden hegen konnte, und verschloß jeden Weg der Verständigung; andererseits war er dazu geeignet, wie jeder Entschluß der Restguatiou, ein deprimirendes Gefühl hervorzurufen, das eben nicht geeignet sein konnte, die Vorkämpfer des Volks zu neuen Anstren¬ gungen zu begeistern. Die Stände haben nach meiner Meinung Recht darau gethan, diesem Rath nicht zu folgen; sie haben Recht daran gethan, anch wenn der Erfolg gegen ihren Entschluß sprechen sollte. Jenes Patent, wenn auch auf eine bedauenrswerthe Weise mit Mißtrauen durchwebt, war immer an sich selbst ein Act des Vertrauens; es war die Pflicht der Stände, diesem Act mit Vertrauen entgegenzukommen, wenn auch mit Behutsamkeit. Die andere Schrift, die zu nennen ist, hat Gervinus versaßt; ein Mann, deu herabzusetzen ein Hauptgeschäft der sogenannten „radikalen" Schwindler geworden zu sein scheint. Folgendes ist der wesentliche Inhalt seiner Darstellung. „Die vereinigten Landstände sind durch das Patent vom 3. Februar zu einem Antheil an gesetzlichen Bestimmungen berufen, wofür in den ältern Gesetzen Reichsstände mit einem verschiedenen Berufe vorgesehen wurden, sie können sich aber nicht füglich, weder in Form noch Wesen, für diese Reichsstände halten. Entweder also sind die vereinig. Rcichsst. jene Reichsstände in der That so wenig, als sie so heißen, dann aber können sie auch deren Functionen nicht erfüllen; oder sie sollen diese Functionen erfüllen, dann aber müssen sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/87>, abgerufen am 03.07.2024.