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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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drängen und im Glücke übermüthig wurde, machten sich lustig über ehr.
Die Geschichte von dem erschossenen Sultan drang sogar bis in die Nach¬
barschaft, und sein einziger Trost, Betel's Liebe, wurde ihm durch die große
Strenge verkümmert, mit der die Baronin, die plötzlich wieder alle Lust an
Musik und französischer Conversation verloren, die Arme überwachte. Kaum
daß sie ihm einen Blick der Ermuthigung zuwerfen und ihn: eunge Worte
zuflüstern konnte. Der Schnee der clleuhoch lag, machte jedes Rendezvous
in Freien, die Kälte jedes t^v -. tot" in den unbewohnten Räumen des
Schlosses unmöglich, nud wenn die Baronin abgehalten war, so versah
Karl das Amt eines Spions mit äußerster Sorgfalt und Pünktlichkeit. Ia-
romirchen hatte es ebenfalls bald weg, daß sein Gouverneur bei Bater und
Mutter nicht in besonderer Gunst stehe und machte ihm das Leben alle Tage saurer.

Endlich schlug die Stunde der Erlösung - der Kasten fuhr mit der
Steuer in die Kreisstadt, und der Hofmeister mit, um von dort auf dem
Stellwagen bescheiden in das königliche Prag zurückzukehren, das er stolz
in der srelherrlicheu Equipage verlassen hatte. Ach, wie war ihm so wohl,
als er wieder die altbekannten Straßen dahinlief, und Tags darauf faß er
wieder in einer Dachstube und dankte Gott für seiue Freiheit, wenn ihn auch
sein begehrlicher Magen noch manchmal an die verlassenen Fleischtöpfe Egyp-
tens erinnerte. Betel schrieb ihn schon in der erstell Woche -- aber sie be¬
gnügte sich nicht mit geistigem Troste allein. Theodor wurde fast wöchentlich
mit-einer Victualieuseudung bedacht, der jedesmal anch eine große Anzahl
jener Butterbrezeln beigefügt war, die ihm auf dem Schlosse so sehr geschmeckt
hatten. Zu Johanni vor Nepomuk kam die alte Bräucrin mit Betel nach Prag
und vor einem Korbe voll Kuchen wurde der Schwur der Liebe und Treue
wie vor einem Altar erneuert, wobei die Mutter Thränen der Freude weinte.
Theodor hat nun das Glück eine Braut zu haben, deren Treue um so un¬
erschütterlicher bleibt, je älter sie wird -- 'wenn er nach fünfzehnjähriger
Ausdauer die Stelle eines Magistratsrathes in einer kleinen Landstadt er¬
langt, so wird er sogleich Anstalten zur Hochzeit machen und mit seiner
mittlerweile der Baronin sehr ähnlich gewordenen Gattin einen feierlichen
Einzug durch die Reihen der Schuljugend halten. Bis dahin bleiben ihm
alle Freuden eines solchen erwartungsvollen Brautstandes als Gewinn und
Erinnerung aus der Zeit, in welcher er die Ehre hatte , hochfreiherrlicher
Hofmeister zu sein. Gott stärke ihn -- und wir wollen wünschen, daß bei
der Emancipation der Juden und der Frohnbauern auch die der Hofmeister
nicht vergessen werde! "




drängen und im Glücke übermüthig wurde, machten sich lustig über ehr.
Die Geschichte von dem erschossenen Sultan drang sogar bis in die Nach¬
barschaft, und sein einziger Trost, Betel's Liebe, wurde ihm durch die große
Strenge verkümmert, mit der die Baronin, die plötzlich wieder alle Lust an
Musik und französischer Conversation verloren, die Arme überwachte. Kaum
daß sie ihm einen Blick der Ermuthigung zuwerfen und ihn: eunge Worte
zuflüstern konnte. Der Schnee der clleuhoch lag, machte jedes Rendezvous
in Freien, die Kälte jedes t^v -. tot« in den unbewohnten Räumen des
Schlosses unmöglich, nud wenn die Baronin abgehalten war, so versah
Karl das Amt eines Spions mit äußerster Sorgfalt und Pünktlichkeit. Ia-
romirchen hatte es ebenfalls bald weg, daß sein Gouverneur bei Bater und
Mutter nicht in besonderer Gunst stehe und machte ihm das Leben alle Tage saurer.

Endlich schlug die Stunde der Erlösung - der Kasten fuhr mit der
Steuer in die Kreisstadt, und der Hofmeister mit, um von dort auf dem
Stellwagen bescheiden in das königliche Prag zurückzukehren, das er stolz
in der srelherrlicheu Equipage verlassen hatte. Ach, wie war ihm so wohl,
als er wieder die altbekannten Straßen dahinlief, und Tags darauf faß er
wieder in einer Dachstube und dankte Gott für seiue Freiheit, wenn ihn auch
sein begehrlicher Magen noch manchmal an die verlassenen Fleischtöpfe Egyp-
tens erinnerte. Betel schrieb ihn schon in der erstell Woche — aber sie be¬
gnügte sich nicht mit geistigem Troste allein. Theodor wurde fast wöchentlich
mit-einer Victualieuseudung bedacht, der jedesmal anch eine große Anzahl
jener Butterbrezeln beigefügt war, die ihm auf dem Schlosse so sehr geschmeckt
hatten. Zu Johanni vor Nepomuk kam die alte Bräucrin mit Betel nach Prag
und vor einem Korbe voll Kuchen wurde der Schwur der Liebe und Treue
wie vor einem Altar erneuert, wobei die Mutter Thränen der Freude weinte.
Theodor hat nun das Glück eine Braut zu haben, deren Treue um so un¬
erschütterlicher bleibt, je älter sie wird — 'wenn er nach fünfzehnjähriger
Ausdauer die Stelle eines Magistratsrathes in einer kleinen Landstadt er¬
langt, so wird er sogleich Anstalten zur Hochzeit machen und mit seiner
mittlerweile der Baronin sehr ähnlich gewordenen Gattin einen feierlichen
Einzug durch die Reihen der Schuljugend halten. Bis dahin bleiben ihm
alle Freuden eines solchen erwartungsvollen Brautstandes als Gewinn und
Erinnerung aus der Zeit, in welcher er die Ehre hatte , hochfreiherrlicher
Hofmeister zu sein. Gott stärke ihn — und wir wollen wünschen, daß bei
der Emancipation der Juden und der Frohnbauern auch die der Hofmeister
nicht vergessen werde! "




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[0079] drängen und im Glücke übermüthig wurde, machten sich lustig über ehr. Die Geschichte von dem erschossenen Sultan drang sogar bis in die Nach¬ barschaft, und sein einziger Trost, Betel's Liebe, wurde ihm durch die große Strenge verkümmert, mit der die Baronin, die plötzlich wieder alle Lust an Musik und französischer Conversation verloren, die Arme überwachte. Kaum daß sie ihm einen Blick der Ermuthigung zuwerfen und ihn: eunge Worte zuflüstern konnte. Der Schnee der clleuhoch lag, machte jedes Rendezvous in Freien, die Kälte jedes t^v -. tot« in den unbewohnten Räumen des Schlosses unmöglich, nud wenn die Baronin abgehalten war, so versah Karl das Amt eines Spions mit äußerster Sorgfalt und Pünktlichkeit. Ia- romirchen hatte es ebenfalls bald weg, daß sein Gouverneur bei Bater und Mutter nicht in besonderer Gunst stehe und machte ihm das Leben alle Tage saurer. Endlich schlug die Stunde der Erlösung - der Kasten fuhr mit der Steuer in die Kreisstadt, und der Hofmeister mit, um von dort auf dem Stellwagen bescheiden in das königliche Prag zurückzukehren, das er stolz in der srelherrlicheu Equipage verlassen hatte. Ach, wie war ihm so wohl, als er wieder die altbekannten Straßen dahinlief, und Tags darauf faß er wieder in einer Dachstube und dankte Gott für seiue Freiheit, wenn ihn auch sein begehrlicher Magen noch manchmal an die verlassenen Fleischtöpfe Egyp- tens erinnerte. Betel schrieb ihn schon in der erstell Woche — aber sie be¬ gnügte sich nicht mit geistigem Troste allein. Theodor wurde fast wöchentlich mit-einer Victualieuseudung bedacht, der jedesmal anch eine große Anzahl jener Butterbrezeln beigefügt war, die ihm auf dem Schlosse so sehr geschmeckt hatten. Zu Johanni vor Nepomuk kam die alte Bräucrin mit Betel nach Prag und vor einem Korbe voll Kuchen wurde der Schwur der Liebe und Treue wie vor einem Altar erneuert, wobei die Mutter Thränen der Freude weinte. Theodor hat nun das Glück eine Braut zu haben, deren Treue um so un¬ erschütterlicher bleibt, je älter sie wird — 'wenn er nach fünfzehnjähriger Ausdauer die Stelle eines Magistratsrathes in einer kleinen Landstadt er¬ langt, so wird er sogleich Anstalten zur Hochzeit machen und mit seiner mittlerweile der Baronin sehr ähnlich gewordenen Gattin einen feierlichen Einzug durch die Reihen der Schuljugend halten. Bis dahin bleiben ihm alle Freuden eines solchen erwartungsvollen Brautstandes als Gewinn und Erinnerung aus der Zeit, in welcher er die Ehre hatte , hochfreiherrlicher Hofmeister zu sein. Gott stärke ihn — und wir wollen wünschen, daß bei der Emancipation der Juden und der Frohnbauern auch die der Hofmeister nicht vergessen werde! "

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/79>, abgerufen am 01.10.2024.