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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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geben Sie Acht, daß sie kein Unglück haben! Aber der dumme Mensch be¬
kommt erstens einen Schlag in's Gesicht, wie er abschießt, daß wir Alle
meinten, er hätte den Tod davon .....- und wie er den zweiten Schuß macht,
so trifft er den Sultan. Ich dachte der Teufel holte mich, wie das arme
Thier gewinselt und geheult hat!" -- "Nun, ich war auch außer mir, wie
ich die zwei beisammen finde." -- ,,Nein, den schicken wir wieder fort -- schade
um das Geld, aber ich habe mir's gleich gedacht, wie Du hineinfuhrst, daß
Dn mir einen solchen Schafskopf herausbringen werdest --". "Jetzt bin ich
am Ende noch Schuld?" antwortete heftig die Baronin, "weißt Du was,
fahre Du selbst um einen Andern hinein --". "Und der Advokat em¬
pfiehlt so einen Menschen --". "Nun, wer hätte ihm das auch angese¬
hen, man möchte glauben, der Mensch kann uicht drei zählen!" -- "Der
arme Hund -- Gut' Nacht!"

Der Freiherr löschte das Licht aus und schnarchte, trotz seines Aergers,
schon in der nächsten Minute -- die Baronin brauchte längere Zeit, um
über die Treulosigkeit Theodors zur Ruhe zu kommen. Der arme Student,
dessen Schicksal so eben in der ehelichen Konferenz entschieden wurde, stand
indeß vor dein Spiegel und legte kalte Umschläge ans seine Nase, die wirk¬
lich übel zugerichtet war. Karl, der boshafte Urheber dieses Schlages, half
ihm unter ironischen Mtleidsbezengungeu. Der arglose Theodor ahnte gar
nicht, daß sein Gewehr absichtlich überladen worden und deshalb so gewalt¬
sam zurückgeprallt war, sondern goß immerfort frischen Branntwein ans die
feuchten Lappen. Endlich empfahl sich der Jäger und Theodor legte unver-
drossen bis spät nach Mitternacht die Bäuschchen auf.

ES gibt kaum eine jammervollere Situation als die seine; mit ge-
geschuudener Nase und sorgenschweren Herzen stand er fünf lange Stunden
vor dem Spiegel und wünschte sich wehmüthig in seine Dachstube uach Prag
zurück, wo er zwar öfter hungrig als satt zu Bette gegangen war, aber nie
eine -ähnliche Beklemmung empfunden hatte. Noch Vormittags zogen stolze
Träume durch seine nun so gedemüthigte Seele, und eine finstere Ahnung
sagte, ihm, daß sein Leiden uoch uicht zu Ende sei. Als er am Morgen
erwachte, legte ihm Karl einen Brief auf deu Tisch -- er erbrach das Siegel
mit dem freiherrlichcu Wappen und las, daß der Baron ihm deu Posten kündige.




Die Leiden der drei Monate, die er noch im Hause zu bleiben hatte,
waren namenlos. Im Schlosse waren seine unglücklichen Abentheuer kein
Geheimniß. Alle, sogar Wenzel, der die Winterkälte zu seinem Vortheile
ausbeutete und Hoffnung hatte, deu Gärtner aus Anna's Herzen zu ver-


geben Sie Acht, daß sie kein Unglück haben! Aber der dumme Mensch be¬
kommt erstens einen Schlag in's Gesicht, wie er abschießt, daß wir Alle
meinten, er hätte den Tod davon .....- und wie er den zweiten Schuß macht,
so trifft er den Sultan. Ich dachte der Teufel holte mich, wie das arme
Thier gewinselt und geheult hat!" — „Nun, ich war auch außer mir, wie
ich die zwei beisammen finde." — ,,Nein, den schicken wir wieder fort — schade
um das Geld, aber ich habe mir's gleich gedacht, wie Du hineinfuhrst, daß
Dn mir einen solchen Schafskopf herausbringen werdest —". „Jetzt bin ich
am Ende noch Schuld?" antwortete heftig die Baronin, „weißt Du was,
fahre Du selbst um einen Andern hinein —". „Und der Advokat em¬
pfiehlt so einen Menschen —". „Nun, wer hätte ihm das auch angese¬
hen, man möchte glauben, der Mensch kann uicht drei zählen!" — „Der
arme Hund — Gut' Nacht!"

Der Freiherr löschte das Licht aus und schnarchte, trotz seines Aergers,
schon in der nächsten Minute — die Baronin brauchte längere Zeit, um
über die Treulosigkeit Theodors zur Ruhe zu kommen. Der arme Student,
dessen Schicksal so eben in der ehelichen Konferenz entschieden wurde, stand
indeß vor dein Spiegel und legte kalte Umschläge ans seine Nase, die wirk¬
lich übel zugerichtet war. Karl, der boshafte Urheber dieses Schlages, half
ihm unter ironischen Mtleidsbezengungeu. Der arglose Theodor ahnte gar
nicht, daß sein Gewehr absichtlich überladen worden und deshalb so gewalt¬
sam zurückgeprallt war, sondern goß immerfort frischen Branntwein ans die
feuchten Lappen. Endlich empfahl sich der Jäger und Theodor legte unver-
drossen bis spät nach Mitternacht die Bäuschchen auf.

ES gibt kaum eine jammervollere Situation als die seine; mit ge-
geschuudener Nase und sorgenschweren Herzen stand er fünf lange Stunden
vor dem Spiegel und wünschte sich wehmüthig in seine Dachstube uach Prag
zurück, wo er zwar öfter hungrig als satt zu Bette gegangen war, aber nie
eine -ähnliche Beklemmung empfunden hatte. Noch Vormittags zogen stolze
Träume durch seine nun so gedemüthigte Seele, und eine finstere Ahnung
sagte, ihm, daß sein Leiden uoch uicht zu Ende sei. Als er am Morgen
erwachte, legte ihm Karl einen Brief auf deu Tisch — er erbrach das Siegel
mit dem freiherrlichcu Wappen und las, daß der Baron ihm deu Posten kündige.




Die Leiden der drei Monate, die er noch im Hause zu bleiben hatte,
waren namenlos. Im Schlosse waren seine unglücklichen Abentheuer kein
Geheimniß. Alle, sogar Wenzel, der die Winterkälte zu seinem Vortheile
ausbeutete und Hoffnung hatte, deu Gärtner aus Anna's Herzen zu ver-


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[0078] geben Sie Acht, daß sie kein Unglück haben! Aber der dumme Mensch be¬ kommt erstens einen Schlag in's Gesicht, wie er abschießt, daß wir Alle meinten, er hätte den Tod davon .....- und wie er den zweiten Schuß macht, so trifft er den Sultan. Ich dachte der Teufel holte mich, wie das arme Thier gewinselt und geheult hat!" — „Nun, ich war auch außer mir, wie ich die zwei beisammen finde." — ,,Nein, den schicken wir wieder fort — schade um das Geld, aber ich habe mir's gleich gedacht, wie Du hineinfuhrst, daß Dn mir einen solchen Schafskopf herausbringen werdest —". „Jetzt bin ich am Ende noch Schuld?" antwortete heftig die Baronin, „weißt Du was, fahre Du selbst um einen Andern hinein —". „Und der Advokat em¬ pfiehlt so einen Menschen —". „Nun, wer hätte ihm das auch angese¬ hen, man möchte glauben, der Mensch kann uicht drei zählen!" — „Der arme Hund — Gut' Nacht!" Der Freiherr löschte das Licht aus und schnarchte, trotz seines Aergers, schon in der nächsten Minute — die Baronin brauchte längere Zeit, um über die Treulosigkeit Theodors zur Ruhe zu kommen. Der arme Student, dessen Schicksal so eben in der ehelichen Konferenz entschieden wurde, stand indeß vor dein Spiegel und legte kalte Umschläge ans seine Nase, die wirk¬ lich übel zugerichtet war. Karl, der boshafte Urheber dieses Schlages, half ihm unter ironischen Mtleidsbezengungeu. Der arglose Theodor ahnte gar nicht, daß sein Gewehr absichtlich überladen worden und deshalb so gewalt¬ sam zurückgeprallt war, sondern goß immerfort frischen Branntwein ans die feuchten Lappen. Endlich empfahl sich der Jäger und Theodor legte unver- drossen bis spät nach Mitternacht die Bäuschchen auf. ES gibt kaum eine jammervollere Situation als die seine; mit ge- geschuudener Nase und sorgenschweren Herzen stand er fünf lange Stunden vor dem Spiegel und wünschte sich wehmüthig in seine Dachstube uach Prag zurück, wo er zwar öfter hungrig als satt zu Bette gegangen war, aber nie eine -ähnliche Beklemmung empfunden hatte. Noch Vormittags zogen stolze Träume durch seine nun so gedemüthigte Seele, und eine finstere Ahnung sagte, ihm, daß sein Leiden uoch uicht zu Ende sei. Als er am Morgen erwachte, legte ihm Karl einen Brief auf deu Tisch — er erbrach das Siegel mit dem freiherrlichcu Wappen und las, daß der Baron ihm deu Posten kündige. Die Leiden der drei Monate, die er noch im Hause zu bleiben hatte, waren namenlos. Im Schlosse waren seine unglücklichen Abentheuer kein Geheimniß. Alle, sogar Wenzel, der die Winterkälte zu seinem Vortheile ausbeutete und Hoffnung hatte, deu Gärtner aus Anna's Herzen zu ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/78>, abgerufen am 01.07.2024.