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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Halten Sie ihn mir recht scharf; wenn er nicht parirr, so geben Sie ihm
nnr -- der Freiherr fuchtelte dabei mit der rechten Hand in der Luft her¬
um -- der Bub' ist ein Teufelsbraten, aber wissen Sie, Buben müssen leb¬
hast sein, sie laufen sich schon die Hörner ab!"

Theodor und die Baronin hörten diese ungewöhnlich lauge und fließende
Rede des Freiherrn mit tiefem Stillschweigen an -- aber die Blicke der
Baronin verriethen, daß sie noch mehrfache Additionalia zu dem Educations-
entwurfe ihres Gatten zu machen habe. Dieser wandte sich nun an den
Hofmeister mit einigen nicht minder wichtigen Fragen.

"Wie denn, mein lieber Nest.isny, gehen Sie denn anch auf die Jagd?" --
Theodor gestand mit großer Verlegenheit, daß er diese edle Beschäftigung
zu treiben bisher keine Gelegenheit gefunden habe. -- "Da müssen Sie
mitgehen -- ich will Ihnen schon Lust dazu machen -- ich versichere Sie,
mein lieber Nestusny, es geht gar nichts über die Jagd -- spielen Sie
auch "Tarok" oder " Sechsundzwanzig?" -- "O ja, freiherrliche Gna¬
den!" -- "Na, da wird es schon gehen!" Der Freiherr nickte huldvoll mit
dem Haupte und erhob sich -- wenn er seine Familie gesehen hatte, trat
er jeden Morgen die Wanderung durch sämmtliche Ställe an. -- Der Frei¬
herr war den ganzen Vormittag ein Muster von Gemüthlichkeit -- er klopfte
jedem Pferde auf deu Hals, streichelte jeden Mastochsen und liebkoste jedes
Kalb -- die Kuhmägde statteten verschämte" Antlitzes die ausführlichsten
Berichte über das Befinden der gehörnten Wöchnerinnen ab, und in dem
weichen Fließ seiner Schafe wühlte er mit demselben Vergnügen, wie Amyuth
oder Daphnis in den Locken seiner Chios. Als er daher die Sammtnuche
mir einer andern von Edelmarder vertauscht, und derbe rehlederne Handschuhe
angezogen hatte, ging er seine gewöhnlichen Visiten zu machen -- den Hof¬
meister hielt ein Wink der Baronin in dem Saale zurück.

"Sie müssen das nicht so genan nehmen, was der Baron gesagt hat,"
hub sie mit gütigem Lächeln an, "nehmen Sie den Knaben nnr immerhin
etwas zusammen und sangen Sie bei Zeiten an, ihn auf dem Piano und
im Französischen zu unterrichten, ich werde selbst alle Tage eine Stunde mit
Ihnen wiederholen. Wenn man so lange auf dem Lande ist, vergißt man
vieles, und ich habe beides einmal recht hübsch gekonnt! Versuchen Sie
doch einmal unser Piano!"

Theodor, dem eine unerklärliche Befangenheit befallen hatte, schlug den
Deckel zurück nud fing an zu spielen. Das Instrument war ganz verstimmt
und verstaubt; er hatte eine Stunde lang zu thun es wieder in Stand zu
bringen. Seine Gebieterin sah ihm dabei zu, als wollte sie es ihm adler-


Halten Sie ihn mir recht scharf; wenn er nicht parirr, so geben Sie ihm
nnr — der Freiherr fuchtelte dabei mit der rechten Hand in der Luft her¬
um — der Bub' ist ein Teufelsbraten, aber wissen Sie, Buben müssen leb¬
hast sein, sie laufen sich schon die Hörner ab!"

Theodor und die Baronin hörten diese ungewöhnlich lauge und fließende
Rede des Freiherrn mit tiefem Stillschweigen an — aber die Blicke der
Baronin verriethen, daß sie noch mehrfache Additionalia zu dem Educations-
entwurfe ihres Gatten zu machen habe. Dieser wandte sich nun an den
Hofmeister mit einigen nicht minder wichtigen Fragen.

„Wie denn, mein lieber Nest.isny, gehen Sie denn anch auf die Jagd?" —
Theodor gestand mit großer Verlegenheit, daß er diese edle Beschäftigung
zu treiben bisher keine Gelegenheit gefunden habe. — „Da müssen Sie
mitgehen — ich will Ihnen schon Lust dazu machen — ich versichere Sie,
mein lieber Nestusny, es geht gar nichts über die Jagd — spielen Sie
auch „Tarok" oder „ Sechsundzwanzig?" — „O ja, freiherrliche Gna¬
den!" — „Na, da wird es schon gehen!" Der Freiherr nickte huldvoll mit
dem Haupte und erhob sich — wenn er seine Familie gesehen hatte, trat
er jeden Morgen die Wanderung durch sämmtliche Ställe an. — Der Frei¬
herr war den ganzen Vormittag ein Muster von Gemüthlichkeit — er klopfte
jedem Pferde auf deu Hals, streichelte jeden Mastochsen und liebkoste jedes
Kalb — die Kuhmägde statteten verschämte» Antlitzes die ausführlichsten
Berichte über das Befinden der gehörnten Wöchnerinnen ab, und in dem
weichen Fließ seiner Schafe wühlte er mit demselben Vergnügen, wie Amyuth
oder Daphnis in den Locken seiner Chios. Als er daher die Sammtnuche
mir einer andern von Edelmarder vertauscht, und derbe rehlederne Handschuhe
angezogen hatte, ging er seine gewöhnlichen Visiten zu machen — den Hof¬
meister hielt ein Wink der Baronin in dem Saale zurück.

„Sie müssen das nicht so genan nehmen, was der Baron gesagt hat,"
hub sie mit gütigem Lächeln an, „nehmen Sie den Knaben nnr immerhin
etwas zusammen und sangen Sie bei Zeiten an, ihn auf dem Piano und
im Französischen zu unterrichten, ich werde selbst alle Tage eine Stunde mit
Ihnen wiederholen. Wenn man so lange auf dem Lande ist, vergißt man
vieles, und ich habe beides einmal recht hübsch gekonnt! Versuchen Sie
doch einmal unser Piano!"

Theodor, dem eine unerklärliche Befangenheit befallen hatte, schlug den
Deckel zurück nud fing an zu spielen. Das Instrument war ganz verstimmt
und verstaubt; er hatte eine Stunde lang zu thun es wieder in Stand zu
bringen. Seine Gebieterin sah ihm dabei zu, als wollte sie es ihm adler-


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[0070] Halten Sie ihn mir recht scharf; wenn er nicht parirr, so geben Sie ihm nnr — der Freiherr fuchtelte dabei mit der rechten Hand in der Luft her¬ um — der Bub' ist ein Teufelsbraten, aber wissen Sie, Buben müssen leb¬ hast sein, sie laufen sich schon die Hörner ab!" Theodor und die Baronin hörten diese ungewöhnlich lauge und fließende Rede des Freiherrn mit tiefem Stillschweigen an — aber die Blicke der Baronin verriethen, daß sie noch mehrfache Additionalia zu dem Educations- entwurfe ihres Gatten zu machen habe. Dieser wandte sich nun an den Hofmeister mit einigen nicht minder wichtigen Fragen. „Wie denn, mein lieber Nest.isny, gehen Sie denn anch auf die Jagd?" — Theodor gestand mit großer Verlegenheit, daß er diese edle Beschäftigung zu treiben bisher keine Gelegenheit gefunden habe. — „Da müssen Sie mitgehen — ich will Ihnen schon Lust dazu machen — ich versichere Sie, mein lieber Nestusny, es geht gar nichts über die Jagd — spielen Sie auch „Tarok" oder „ Sechsundzwanzig?" — „O ja, freiherrliche Gna¬ den!" — „Na, da wird es schon gehen!" Der Freiherr nickte huldvoll mit dem Haupte und erhob sich — wenn er seine Familie gesehen hatte, trat er jeden Morgen die Wanderung durch sämmtliche Ställe an. — Der Frei¬ herr war den ganzen Vormittag ein Muster von Gemüthlichkeit — er klopfte jedem Pferde auf deu Hals, streichelte jeden Mastochsen und liebkoste jedes Kalb — die Kuhmägde statteten verschämte» Antlitzes die ausführlichsten Berichte über das Befinden der gehörnten Wöchnerinnen ab, und in dem weichen Fließ seiner Schafe wühlte er mit demselben Vergnügen, wie Amyuth oder Daphnis in den Locken seiner Chios. Als er daher die Sammtnuche mir einer andern von Edelmarder vertauscht, und derbe rehlederne Handschuhe angezogen hatte, ging er seine gewöhnlichen Visiten zu machen — den Hof¬ meister hielt ein Wink der Baronin in dem Saale zurück. „Sie müssen das nicht so genan nehmen, was der Baron gesagt hat," hub sie mit gütigem Lächeln an, „nehmen Sie den Knaben nnr immerhin etwas zusammen und sangen Sie bei Zeiten an, ihn auf dem Piano und im Französischen zu unterrichten, ich werde selbst alle Tage eine Stunde mit Ihnen wiederholen. Wenn man so lange auf dem Lande ist, vergißt man vieles, und ich habe beides einmal recht hübsch gekonnt! Versuchen Sie doch einmal unser Piano!" Theodor, dem eine unerklärliche Befangenheit befallen hatte, schlug den Deckel zurück nud fing an zu spielen. Das Instrument war ganz verstimmt und verstaubt; er hatte eine Stunde lang zu thun es wieder in Stand zu bringen. Seine Gebieterin sah ihm dabei zu, als wollte sie es ihm adler-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/70>, abgerufen am 22.07.2024.