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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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"Aber so gehen Sie doch mit dem Kinde nicht so grob um! Sie thun ihm
ja weh?" -- "Ich bin kein Kindweib," antwortete trotzig der Waidmann und
verließ das Zimmer. Die Frühstncksglocke läutete wiederholt, und eine Minute
darauf klopfte es bescheiden an die'Thüre. Es war Betel, welche dienst¬
eifrig gegangen war, die jungen Herren zum Frühstück zu rufen, eigentlich
aber, um Theodor zuzuflüstern, sie würde um zwölf Uhr bei ihren Eltern
sein, er möchte doch ja dahin kommen. Theodor hatte nicht Zeit ihr darauf
zu antworten, denn Karl kam die Treppe herauf und lächelte voll Ingrimm
und Bosheit, als er an ihnen vorbeiging und die Thüre zum Speisesaal
öffnete, in dem jetzt auch das Frühstück genommen wurde. Der Baron in
einem grananögeschlagenen Pelz, eine Hausmütze von rothem Sammet auf
dem Kopfe, saß bereits vor einer dampfenden Tasse, die Baronin, ebenfalls
winterlich angethan, mit einer Kazoweika die mit falschem Hermelin ver¬
brämt war, und eine warme Haube auf den noch unfriflrtcn Haaren, schenkte
den Erwarteten ein. Jaromir wurde erst von Mama, dann vom Papa ge¬
küßt, der Hofmeister befragt, wie das Söhnchen geschlafen habe, und als
Alles auf'S Genaueste rapportirt worden, ihm eine Tasse hingeschoben.
Theodor befand sich überaus wohl, -- v wie schmeckten ihm diese hausbackenen
Kuchen und Brezeln, in deren Bereitung die böhmischen Köchinnen nicht
ihres Gleichen haben, um so mehr, als eine hingeworfene Aeußerung der
Baronin ihm verrieth, daß Betel diesmal die Künstlerin gewesen sei. Theo¬
dor aß mit Begeisterung, diese zarte Aufmerksamkeit wirkte gleich mächtig
auf sein Herz und seinen Magen -- deshalb küßte er jede Brezel erst, bevor
er sie anbiß. Gleich nach dem Frühstück wurde Jaromirchen in das Frauen-
zimmer geschickt, damit ihm die Haare eingedreht würden, und Theodor be¬
fand sich mit seinen Gebietern allein. Ein freundlicher aufmunternder Blick
seiner Gönnerin beruhigte ihn etwas. Der Freiherr zündete seine Nicsen-
Pfeife an und setzte nun dem aufhorchenden Hofmeister sein pädagogisches
System auseinander.'

"Anstrengen dürfen Sie mir den Jungen nicht," begann er, "der Bild
braucht nur zu lernen was nothwendig ist, was man so braucht, um doch
em gebildeter Manu zu sein, er soll gar nicht zum Politischen sondern zum
Militär. Da lernt man Ordnung und das ist die Hauptsache. Bevor mein
Vater starb und ich die Herrschaft übernahm, war ich auch Rittmeister bei
Klenau Dragoner, was jetzt Kinsti heißt, und so soll es mit dem Jaromir
auch sein. Die kleinen Schulen können Sie mit ihm hier bleiben und zur
Prüfung uach Prag hineinfahren, und wenn er in die Philosophie soll, so
werden wir ganz hinein ziehen, wenigstens meine Frau mit den Kindern!


„Aber so gehen Sie doch mit dem Kinde nicht so grob um! Sie thun ihm
ja weh?" — „Ich bin kein Kindweib," antwortete trotzig der Waidmann und
verließ das Zimmer. Die Frühstncksglocke läutete wiederholt, und eine Minute
darauf klopfte es bescheiden an die'Thüre. Es war Betel, welche dienst¬
eifrig gegangen war, die jungen Herren zum Frühstück zu rufen, eigentlich
aber, um Theodor zuzuflüstern, sie würde um zwölf Uhr bei ihren Eltern
sein, er möchte doch ja dahin kommen. Theodor hatte nicht Zeit ihr darauf
zu antworten, denn Karl kam die Treppe herauf und lächelte voll Ingrimm
und Bosheit, als er an ihnen vorbeiging und die Thüre zum Speisesaal
öffnete, in dem jetzt auch das Frühstück genommen wurde. Der Baron in
einem grananögeschlagenen Pelz, eine Hausmütze von rothem Sammet auf
dem Kopfe, saß bereits vor einer dampfenden Tasse, die Baronin, ebenfalls
winterlich angethan, mit einer Kazoweika die mit falschem Hermelin ver¬
brämt war, und eine warme Haube auf den noch unfriflrtcn Haaren, schenkte
den Erwarteten ein. Jaromir wurde erst von Mama, dann vom Papa ge¬
küßt, der Hofmeister befragt, wie das Söhnchen geschlafen habe, und als
Alles auf'S Genaueste rapportirt worden, ihm eine Tasse hingeschoben.
Theodor befand sich überaus wohl, — v wie schmeckten ihm diese hausbackenen
Kuchen und Brezeln, in deren Bereitung die böhmischen Köchinnen nicht
ihres Gleichen haben, um so mehr, als eine hingeworfene Aeußerung der
Baronin ihm verrieth, daß Betel diesmal die Künstlerin gewesen sei. Theo¬
dor aß mit Begeisterung, diese zarte Aufmerksamkeit wirkte gleich mächtig
auf sein Herz und seinen Magen — deshalb küßte er jede Brezel erst, bevor
er sie anbiß. Gleich nach dem Frühstück wurde Jaromirchen in das Frauen-
zimmer geschickt, damit ihm die Haare eingedreht würden, und Theodor be¬
fand sich mit seinen Gebietern allein. Ein freundlicher aufmunternder Blick
seiner Gönnerin beruhigte ihn etwas. Der Freiherr zündete seine Nicsen-
Pfeife an und setzte nun dem aufhorchenden Hofmeister sein pädagogisches
System auseinander.'

„Anstrengen dürfen Sie mir den Jungen nicht," begann er, „der Bild
braucht nur zu lernen was nothwendig ist, was man so braucht, um doch
em gebildeter Manu zu sein, er soll gar nicht zum Politischen sondern zum
Militär. Da lernt man Ordnung und das ist die Hauptsache. Bevor mein
Vater starb und ich die Herrschaft übernahm, war ich auch Rittmeister bei
Klenau Dragoner, was jetzt Kinsti heißt, und so soll es mit dem Jaromir
auch sein. Die kleinen Schulen können Sie mit ihm hier bleiben und zur
Prüfung uach Prag hineinfahren, und wenn er in die Philosophie soll, so
werden wir ganz hinein ziehen, wenigstens meine Frau mit den Kindern!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/69>, abgerufen am 24.08.2024.