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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ordnungen. Die Wärterinnen verkaufen Weißbrod, schenken Kaffee aus, ja
holen den Kranken um theure Preise verbotene Speisen, die sie nicht selbst
bereiten können. Dieser Mißbrauch führt uns an die Quelle eines andern
Uebels. Der gefährliche Victnalienschacher im Krankenhause wird nämlich
dadurch untersticht oder vielmehr hervorgerufen, daß die Spitalsküche äußerst
schlecht ist und Nahrungsmittel liefert, die der Kranke nur nothgedrungen
und mit Ueberwindung seines Ekels zu sich nimmt.

Die Gründe dieses Uebels liegen eben uicht tief. Wir wollen sie
andeuten. Die Speisung der Kranken wird von Zeit zu Zeit im Ver-
steigernngöwege an Unternehmungslustige überlassen. Wer von den Con-
currenten die niedersten Preise stellt, bleibt Sieger und erhält die Trai-
terie im Krankenhause. Auf diesem Wege kam es dahin, daß die Preise
der Lebensmittel im Krankenhause fabelhaft billig sind, während sie außer¬
halb seiner Ringmauern zu einer erschreckenden Höhe hinaufgeschnellt werden.
Der Leser wird dies einsehen, wenn wir ihm die Preise des Speisentarifs im
Krankenhause hier mittheilen. Der Spitalstraiteur liefert kontraktmäßig

eine Portion Mvrgeusuppe für ^- Kr. C. M.
Mittagssuppe für " " "
Gemüse . für ^ " " "
Obstspeise . für 1 ^ " " "
" " Kalbsbraten für 3 " " "

Das Rindfleisch wird ihm nach der gewöhnlichen allgemeinen Schätzung
bezahlt.

Um solche Preise erhält man nirgends in der Welt, und am
wenigsten in Wien, eine gute Nahrung wie sie besonders Kranken ge¬
bührt. Auch schlagen alle Anordnungen fehl, welche die gute Verpfle¬
gung der Kranken beabsichtigen. Wie dies geschieht, soll dem Publi¬
kum uicht länger verborgen bleiben. Ein Primararzt hat die Pflicht
die Speisen täglich vor der Vertheilnng zu kosten. Er thut dies mit
schuldiger Gewissenhaftigkeit in Gegenwart eines Beamten der Verwal¬
tungskanzlei. Letzterer hat wieder die Obliegenheit, so lange die Speisen-
vorräthe zu hüten, bis sie ans die Abtheilungen vertheilt worden, damit man
sie uicht uach erfolgter Approbiruug verschlechtere und so die getroffene Vor¬
sicht vereitle. Der Beamte der Verwaltungskanzlei verläßt aber nur zu oft
seinen wichtigen Posten noch vor der Zeit, und so ist denn die Gelegenheit
geboten, die ohnehin schlechte Suppe, das Gemüse und die Brühen durch
reichlichen Wasseraufguß auf den Grad völliger Nahrungslosigkeit herab zu


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ordnungen. Die Wärterinnen verkaufen Weißbrod, schenken Kaffee aus, ja
holen den Kranken um theure Preise verbotene Speisen, die sie nicht selbst
bereiten können. Dieser Mißbrauch führt uns an die Quelle eines andern
Uebels. Der gefährliche Victnalienschacher im Krankenhause wird nämlich
dadurch untersticht oder vielmehr hervorgerufen, daß die Spitalsküche äußerst
schlecht ist und Nahrungsmittel liefert, die der Kranke nur nothgedrungen
und mit Ueberwindung seines Ekels zu sich nimmt.

Die Gründe dieses Uebels liegen eben uicht tief. Wir wollen sie
andeuten. Die Speisung der Kranken wird von Zeit zu Zeit im Ver-
steigernngöwege an Unternehmungslustige überlassen. Wer von den Con-
currenten die niedersten Preise stellt, bleibt Sieger und erhält die Trai-
terie im Krankenhause. Auf diesem Wege kam es dahin, daß die Preise
der Lebensmittel im Krankenhause fabelhaft billig sind, während sie außer¬
halb seiner Ringmauern zu einer erschreckenden Höhe hinaufgeschnellt werden.
Der Leser wird dies einsehen, wenn wir ihm die Preise des Speisentarifs im
Krankenhause hier mittheilen. Der Spitalstraiteur liefert kontraktmäßig

eine Portion Mvrgeusuppe für ^- Kr. C. M.
Mittagssuppe für „ „ „
Gemüse . für ^ „ „ „
Obstspeise . für 1 ^ „ „ „
„ „ Kalbsbraten für 3 „ „ „

Das Rindfleisch wird ihm nach der gewöhnlichen allgemeinen Schätzung
bezahlt.

Um solche Preise erhält man nirgends in der Welt, und am
wenigsten in Wien, eine gute Nahrung wie sie besonders Kranken ge¬
bührt. Auch schlagen alle Anordnungen fehl, welche die gute Verpfle¬
gung der Kranken beabsichtigen. Wie dies geschieht, soll dem Publi¬
kum uicht länger verborgen bleiben. Ein Primararzt hat die Pflicht
die Speisen täglich vor der Vertheilnng zu kosten. Er thut dies mit
schuldiger Gewissenhaftigkeit in Gegenwart eines Beamten der Verwal¬
tungskanzlei. Letzterer hat wieder die Obliegenheit, so lange die Speisen-
vorräthe zu hüten, bis sie ans die Abtheilungen vertheilt worden, damit man
sie uicht uach erfolgter Approbiruug verschlechtere und so die getroffene Vor¬
sicht vereitle. Der Beamte der Verwaltungskanzlei verläßt aber nur zu oft
seinen wichtigen Posten noch vor der Zeit, und so ist denn die Gelegenheit
geboten, die ohnehin schlechte Suppe, das Gemüse und die Brühen durch
reichlichen Wasseraufguß auf den Grad völliger Nahrungslosigkeit herab zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/565>, abgerufen am 22.07.2024.