Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nialgerichtsbarkeit besteht, werden die herrschaftlichen Gerichte keinen Eifer zeigen,
die bei ihnen anhängig gemachten Concursvrozcsse gründlich zu bearbeiten, son¬
dern der Kostenlast wegen die Sache so leicht als möglich abthun. Zugleich sei
noch erlaubt zu bemerken, daß die Patnmonialgerichte wegen Kostcnersparnng
durchweg nicht Collegialgerichte, sondern nur mit Einem Richter besetzt sind, ein
Umstand, der eben so sehr in Bezug auf Geschäftsüberbürdung, als in Betracht
der leichteren Möglichkeit von Bestechung große Wichtigkeit besitzt. Diese Wich¬
tigkeit nimmt noch zu, sobald man in Erwägung zieht, daß dem Falkner die
Möglichkeit geboten ist, sich seinen Richter selbst zu wählen, denn er darf
blos vor Anmeldung des Concurscs, z. B. von der Vorstadt Winden in die
Vorstadt Schottenfeld umsiedeln, so gehört sein Prozeß nicht mehr vor die ma¬
gistratische Behörde, sondern vor den Richter des Schottenklosters, das mehrere
Vorstädte als Grundherrschaft besitzt und daselbst die Gerichtsbarkeit ausübt, oder
in die Vorstadt Lichtenthal, wo der Fürst Lichtenstein die Grundgerichtsbarkeit
ausüben läßt. -

Der Leser sieht also deutlich genug, daß mit dem neuen Gesetz wegen Be¬
handlung der Falkner wohl Etwas gethan worden, aber noch lange nicht
Alles, und daß der billigen Wünsche noch Viele zu befriedigen wären.


§. §-
2.

Das Eisenbahngcsetz. -- Der Director der medicinischen Facultät. -- Das Theater an
der Wien und die italienische Oper. -- Das Burgiheater.

Erst seit wenigen Tagen ist das neue Gesetz über Eisenbahnbeschädigungen
im Publikum bekannt. Es liegt ihm eine allerhöchste Entschließung zu Grunde,
die schon im Januar den Behörden zur Kenntniß gebracht wurde, aber bei un¬
serm langsamen Geschäftsgang, der selbst zur bloßen Erledigung sich geraume
Zeit läßt, erst jetzt dieses "Spießruthenlauscn" durch die Aemter vollendet hat.
Es ist mit Strenge abgefaßt. Die Strafen, die es festsetzt, lauten sür Beschädi¬
gungen, Hemmungen auf 1 -- 5 Jahre schweren Kerkers, und haben sie einen
Unfall zur Folge gehabt, auf 1 -- 10 Jahre, bei besonderer Bosheit auf 5 -- 10
respective --20 Jahre, ja sogar bei besonders erschwerenden Umständen auf
lebenslängliche Kerkerstrafe. Ist aber dadurch der Tod eines oder mehrerer Men¬
schen verursacht worden, so ist Todesstrafe darauf gesetzt, wenn das auch vom
Thäter nicht unmittelbar beabsichtigt, sondern uur vorhergesehen werden konnte.
Diese Gesetze sind in ihrer Strenge nicht eben durch allzu bedeutende wirklich
siattgefnndene Thatsachen hervorgerufen worden; es ist aber gewiß, daß eine solche
Vorkehrung sür die Zukunft Noth that, wenn auch diese Strenge nicht grade für
diesen einzelnen Fall durch den Drang der Umstände dem Gesetze abgenöthigt
wurde.

Ueber eine interessante Veränderung, die vielleicht wichtiger und einflußrei¬
cher ist, als sie nach dem ersten Anblick scheinen mag, muß ich Ihnen berichten.
Bisher war die Stelle eines Präses und Direktors der medicinischen Facultät
und die eines ersten Leibarztes des Kaisers in einer Person vereinigt. Das hat


nialgerichtsbarkeit besteht, werden die herrschaftlichen Gerichte keinen Eifer zeigen,
die bei ihnen anhängig gemachten Concursvrozcsse gründlich zu bearbeiten, son¬
dern der Kostenlast wegen die Sache so leicht als möglich abthun. Zugleich sei
noch erlaubt zu bemerken, daß die Patnmonialgerichte wegen Kostcnersparnng
durchweg nicht Collegialgerichte, sondern nur mit Einem Richter besetzt sind, ein
Umstand, der eben so sehr in Bezug auf Geschäftsüberbürdung, als in Betracht
der leichteren Möglichkeit von Bestechung große Wichtigkeit besitzt. Diese Wich¬
tigkeit nimmt noch zu, sobald man in Erwägung zieht, daß dem Falkner die
Möglichkeit geboten ist, sich seinen Richter selbst zu wählen, denn er darf
blos vor Anmeldung des Concurscs, z. B. von der Vorstadt Winden in die
Vorstadt Schottenfeld umsiedeln, so gehört sein Prozeß nicht mehr vor die ma¬
gistratische Behörde, sondern vor den Richter des Schottenklosters, das mehrere
Vorstädte als Grundherrschaft besitzt und daselbst die Gerichtsbarkeit ausübt, oder
in die Vorstadt Lichtenthal, wo der Fürst Lichtenstein die Grundgerichtsbarkeit
ausüben läßt. -

Der Leser sieht also deutlich genug, daß mit dem neuen Gesetz wegen Be¬
handlung der Falkner wohl Etwas gethan worden, aber noch lange nicht
Alles, und daß der billigen Wünsche noch Viele zu befriedigen wären.


§. §-
2.

Das Eisenbahngcsetz. — Der Director der medicinischen Facultät. — Das Theater an
der Wien und die italienische Oper. — Das Burgiheater.

Erst seit wenigen Tagen ist das neue Gesetz über Eisenbahnbeschädigungen
im Publikum bekannt. Es liegt ihm eine allerhöchste Entschließung zu Grunde,
die schon im Januar den Behörden zur Kenntniß gebracht wurde, aber bei un¬
serm langsamen Geschäftsgang, der selbst zur bloßen Erledigung sich geraume
Zeit läßt, erst jetzt dieses „Spießruthenlauscn" durch die Aemter vollendet hat.
Es ist mit Strenge abgefaßt. Die Strafen, die es festsetzt, lauten sür Beschädi¬
gungen, Hemmungen auf 1 — 5 Jahre schweren Kerkers, und haben sie einen
Unfall zur Folge gehabt, auf 1 — 10 Jahre, bei besonderer Bosheit auf 5 — 10
respective —20 Jahre, ja sogar bei besonders erschwerenden Umständen auf
lebenslängliche Kerkerstrafe. Ist aber dadurch der Tod eines oder mehrerer Men¬
schen verursacht worden, so ist Todesstrafe darauf gesetzt, wenn das auch vom
Thäter nicht unmittelbar beabsichtigt, sondern uur vorhergesehen werden konnte.
Diese Gesetze sind in ihrer Strenge nicht eben durch allzu bedeutende wirklich
siattgefnndene Thatsachen hervorgerufen worden; es ist aber gewiß, daß eine solche
Vorkehrung sür die Zukunft Noth that, wenn auch diese Strenge nicht grade für
diesen einzelnen Fall durch den Drang der Umstände dem Gesetze abgenöthigt
wurde.

Ueber eine interessante Veränderung, die vielleicht wichtiger und einflußrei¬
cher ist, als sie nach dem ersten Anblick scheinen mag, muß ich Ihnen berichten.
Bisher war die Stelle eines Präses und Direktors der medicinischen Facultät
und die eines ersten Leibarztes des Kaisers in einer Person vereinigt. Das hat


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272443"/>
            <p xml:id="ID_1768" prev="#ID_1767"> nialgerichtsbarkeit besteht, werden die herrschaftlichen Gerichte keinen Eifer zeigen,<lb/>
die bei ihnen anhängig gemachten Concursvrozcsse gründlich zu bearbeiten, son¬<lb/>
dern der Kostenlast wegen die Sache so leicht als möglich abthun. Zugleich sei<lb/>
noch erlaubt zu bemerken, daß die Patnmonialgerichte wegen Kostcnersparnng<lb/>
durchweg nicht Collegialgerichte, sondern nur mit Einem Richter besetzt sind, ein<lb/>
Umstand, der eben so sehr in Bezug auf Geschäftsüberbürdung, als in Betracht<lb/>
der leichteren Möglichkeit von Bestechung große Wichtigkeit besitzt. Diese Wich¬<lb/>
tigkeit nimmt noch zu, sobald man in Erwägung zieht, daß dem Falkner die<lb/>
Möglichkeit geboten ist, sich seinen Richter selbst zu wählen, denn er darf<lb/>
blos vor Anmeldung des Concurscs, z. B. von der Vorstadt Winden in die<lb/>
Vorstadt Schottenfeld umsiedeln, so gehört sein Prozeß nicht mehr vor die ma¬<lb/>
gistratische Behörde, sondern vor den Richter des Schottenklosters, das mehrere<lb/>
Vorstädte als Grundherrschaft besitzt und daselbst die Gerichtsbarkeit ausübt, oder<lb/>
in die Vorstadt Lichtenthal, wo der Fürst Lichtenstein die Grundgerichtsbarkeit<lb/>
ausüben läßt. -</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1769"> Der Leser sieht also deutlich genug, daß mit dem neuen Gesetz wegen Be¬<lb/>
handlung der Falkner wohl Etwas gethan worden, aber noch lange nicht<lb/>
Alles, und daß der billigen Wünsche noch Viele zu befriedigen wären.</p><lb/>
            <note type="byline"> §. §-</note><lb/>
            <div n="3">
              <head> 2.</head><lb/>
              <note type="argument"> Das Eisenbahngcsetz. &#x2014; Der Director der medicinischen Facultät. &#x2014; Das Theater an<lb/>
der Wien und die italienische Oper. &#x2014; Das Burgiheater.</note><lb/>
              <p xml:id="ID_1770"> Erst seit wenigen Tagen ist das neue Gesetz über Eisenbahnbeschädigungen<lb/>
im Publikum bekannt. Es liegt ihm eine allerhöchste Entschließung zu Grunde,<lb/>
die schon im Januar den Behörden zur Kenntniß gebracht wurde, aber bei un¬<lb/>
serm langsamen Geschäftsgang, der selbst zur bloßen Erledigung sich geraume<lb/>
Zeit läßt, erst jetzt dieses &#x201E;Spießruthenlauscn" durch die Aemter vollendet hat.<lb/>
Es ist mit Strenge abgefaßt. Die Strafen, die es festsetzt, lauten sür Beschädi¬<lb/>
gungen, Hemmungen auf 1 &#x2014; 5 Jahre schweren Kerkers, und haben sie einen<lb/>
Unfall zur Folge gehabt, auf 1 &#x2014; 10 Jahre, bei besonderer Bosheit auf 5 &#x2014; 10<lb/>
respective &#x2014;20 Jahre, ja sogar bei besonders erschwerenden Umständen auf<lb/>
lebenslängliche Kerkerstrafe. Ist aber dadurch der Tod eines oder mehrerer Men¬<lb/>
schen verursacht worden, so ist Todesstrafe darauf gesetzt, wenn das auch vom<lb/>
Thäter nicht unmittelbar beabsichtigt, sondern uur vorhergesehen werden konnte.<lb/>
Diese Gesetze sind in ihrer Strenge nicht eben durch allzu bedeutende wirklich<lb/>
siattgefnndene Thatsachen hervorgerufen worden; es ist aber gewiß, daß eine solche<lb/>
Vorkehrung sür die Zukunft Noth that, wenn auch diese Strenge nicht grade für<lb/>
diesen einzelnen Fall durch den Drang der Umstände dem Gesetze abgenöthigt<lb/>
wurde.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_1771" next="#ID_1772"> Ueber eine interessante Veränderung, die vielleicht wichtiger und einflußrei¬<lb/>
cher ist, als sie nach dem ersten Anblick scheinen mag, muß ich Ihnen berichten.<lb/>
Bisher war die Stelle eines Präses und Direktors der medicinischen Facultät<lb/>
und die eines ersten Leibarztes des Kaisers in einer Person vereinigt. Das hat</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0544] nialgerichtsbarkeit besteht, werden die herrschaftlichen Gerichte keinen Eifer zeigen, die bei ihnen anhängig gemachten Concursvrozcsse gründlich zu bearbeiten, son¬ dern der Kostenlast wegen die Sache so leicht als möglich abthun. Zugleich sei noch erlaubt zu bemerken, daß die Patnmonialgerichte wegen Kostcnersparnng durchweg nicht Collegialgerichte, sondern nur mit Einem Richter besetzt sind, ein Umstand, der eben so sehr in Bezug auf Geschäftsüberbürdung, als in Betracht der leichteren Möglichkeit von Bestechung große Wichtigkeit besitzt. Diese Wich¬ tigkeit nimmt noch zu, sobald man in Erwägung zieht, daß dem Falkner die Möglichkeit geboten ist, sich seinen Richter selbst zu wählen, denn er darf blos vor Anmeldung des Concurscs, z. B. von der Vorstadt Winden in die Vorstadt Schottenfeld umsiedeln, so gehört sein Prozeß nicht mehr vor die ma¬ gistratische Behörde, sondern vor den Richter des Schottenklosters, das mehrere Vorstädte als Grundherrschaft besitzt und daselbst die Gerichtsbarkeit ausübt, oder in die Vorstadt Lichtenthal, wo der Fürst Lichtenstein die Grundgerichtsbarkeit ausüben läßt. - Der Leser sieht also deutlich genug, daß mit dem neuen Gesetz wegen Be¬ handlung der Falkner wohl Etwas gethan worden, aber noch lange nicht Alles, und daß der billigen Wünsche noch Viele zu befriedigen wären. §. §- 2. Das Eisenbahngcsetz. — Der Director der medicinischen Facultät. — Das Theater an der Wien und die italienische Oper. — Das Burgiheater. Erst seit wenigen Tagen ist das neue Gesetz über Eisenbahnbeschädigungen im Publikum bekannt. Es liegt ihm eine allerhöchste Entschließung zu Grunde, die schon im Januar den Behörden zur Kenntniß gebracht wurde, aber bei un¬ serm langsamen Geschäftsgang, der selbst zur bloßen Erledigung sich geraume Zeit läßt, erst jetzt dieses „Spießruthenlauscn" durch die Aemter vollendet hat. Es ist mit Strenge abgefaßt. Die Strafen, die es festsetzt, lauten sür Beschädi¬ gungen, Hemmungen auf 1 — 5 Jahre schweren Kerkers, und haben sie einen Unfall zur Folge gehabt, auf 1 — 10 Jahre, bei besonderer Bosheit auf 5 — 10 respective —20 Jahre, ja sogar bei besonders erschwerenden Umständen auf lebenslängliche Kerkerstrafe. Ist aber dadurch der Tod eines oder mehrerer Men¬ schen verursacht worden, so ist Todesstrafe darauf gesetzt, wenn das auch vom Thäter nicht unmittelbar beabsichtigt, sondern uur vorhergesehen werden konnte. Diese Gesetze sind in ihrer Strenge nicht eben durch allzu bedeutende wirklich siattgefnndene Thatsachen hervorgerufen worden; es ist aber gewiß, daß eine solche Vorkehrung sür die Zukunft Noth that, wenn auch diese Strenge nicht grade für diesen einzelnen Fall durch den Drang der Umstände dem Gesetze abgenöthigt wurde. Ueber eine interessante Veränderung, die vielleicht wichtiger und einflußrei¬ cher ist, als sie nach dem ersten Anblick scheinen mag, muß ich Ihnen berichten. Bisher war die Stelle eines Präses und Direktors der medicinischen Facultät und die eines ersten Leibarztes des Kaisers in einer Person vereinigt. Das hat

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/544
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/544>, abgerufen am 03.07.2024.