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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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können, so trage ich darauf an, daß Alles beim Alten bleibe, weil die alten
Uebelstände leichter zu tragen sind als neue, und dieser neue Gesetzentwurf würde
gewiß viele herbeiführen, ohne die alten zu verwischen.

Milde aus Vreslan. Wir müssen alle diejenigen Juden, welche jetzt in
unserm Vaterlande wohnen, vollkommen berechtigen und befähigen, die Stel¬
lung einzunehmen, die sie das Recht haben zu fordern. Gleiche Rechte, gleiche
Pflichten.

Werner aus B rieg. Es ist sowohl Menschen- als Christenpflicht, die Ju¬
den zu emanzipiren.

Mewes aus Groß-Wulkow. Lassen Sie uns nicht vergessen, daß es
unsere Aufgabe ist, auch ein Zeugniß zu geben von der so sehr gepriesenen In¬
telligenz und Aufklärung unseres Jahrhunderts.

Fürst Heinrich 74. von Reuß-Kösteritz auf Jänkendorf. Das ist
bei mir gar nicht zweifelhaft, daß die Gleichstellung der Juden in den bürger¬
lichen Rechten ihnen über kurz oder lang zu Theil werden wird. -- Nur auf
dem Wege bürgerlicher Gleichstellung dürfen wir hoffen, die Juden für die Wahr¬
heit des Christenthums zu gewinnen, die ich für so erhaben über dem Juden-
thum halte, daß sie nur durch Druck und Verfolgung den Juden verdunkelt
bleiben konnte.

Liebig aus Breslau. Ich glaube, daß nur aus Vorurtheil eine Be¬
schränkung der Juden hervorgehen kann; diese Vorurtheile müssen endlich schwinden.

Naumann aus Posen. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Ju¬
den sich bereits von sich selbst emanzipirt haben. Sie haben die isolirte Stel¬
lung, in der sie sich früher befanden, aufgegeben, sie sind aus der ausschließlichen
Gemeinschaft mit ihren Glaubensgenossen herausgetreten, die Scheidewand, die
zwischen Juden und Christen bestanden hat, ist in Hinsicht auf den gebildeten
Theil der Christen längst gefallen, es handelt sich also nur noch "in eine Eman¬
zipation dem Staat gegenüber, und da der oberste Zweck des Staats in Erstre¬
bung einer möglichst vollständigen Humanität besteht, so sollte man glauben,
daß dieser Theil keinen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen könne.

Dietrich zu Reinerz in Schlesien. Ich glaube, daß gerade von oben
herab, von der Gesetzgebung, von der Ständeversammlung, die Rechte ausgehen
müssen, welche Vorurtheile widerlegen.

Naumann ans Posen. Durch die Zurücksetzung der Juden halte ich
die Gerechtigkeit für verletzt. In dieser Verletzung sehe ich einzig und allein
den Grund des Zurückbleibens der Juden hinter den Ansprüchen der Civilisation.

Baron v. Gaffron zu Kunern. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit,
wo von der Befugniß zur Theilnahme an den ständischen Rechten seitens der
Nicht-Christen die Rede war, mich gegen diese Befugniß ausgesprochen, ich
habe aber seit dieser Zeit mich mit dieser Frage tief und gewissenhaft beschäftigt,
und bekenne es gern, daß ich in meiner Ueberzeugung dahin gelangt bin, daß
ich die bürgerliche Gleichstellung der Juden mit den Christen in einem höher"
Grade für zweckmäßig und nothwendig halte, als ich es nach meiner frühern
Ansicht mit dem Wohl des Vaterlandes vereinbar hielt.

Winkler aus Lübbennu. Wenn die Gleichstellung der Rechte erfolgt,


können, so trage ich darauf an, daß Alles beim Alten bleibe, weil die alten
Uebelstände leichter zu tragen sind als neue, und dieser neue Gesetzentwurf würde
gewiß viele herbeiführen, ohne die alten zu verwischen.

Milde aus Vreslan. Wir müssen alle diejenigen Juden, welche jetzt in
unserm Vaterlande wohnen, vollkommen berechtigen und befähigen, die Stel¬
lung einzunehmen, die sie das Recht haben zu fordern. Gleiche Rechte, gleiche
Pflichten.

Werner aus B rieg. Es ist sowohl Menschen- als Christenpflicht, die Ju¬
den zu emanzipiren.

Mewes aus Groß-Wulkow. Lassen Sie uns nicht vergessen, daß es
unsere Aufgabe ist, auch ein Zeugniß zu geben von der so sehr gepriesenen In¬
telligenz und Aufklärung unseres Jahrhunderts.

Fürst Heinrich 74. von Reuß-Kösteritz auf Jänkendorf. Das ist
bei mir gar nicht zweifelhaft, daß die Gleichstellung der Juden in den bürger¬
lichen Rechten ihnen über kurz oder lang zu Theil werden wird. — Nur auf
dem Wege bürgerlicher Gleichstellung dürfen wir hoffen, die Juden für die Wahr¬
heit des Christenthums zu gewinnen, die ich für so erhaben über dem Juden-
thum halte, daß sie nur durch Druck und Verfolgung den Juden verdunkelt
bleiben konnte.

Liebig aus Breslau. Ich glaube, daß nur aus Vorurtheil eine Be¬
schränkung der Juden hervorgehen kann; diese Vorurtheile müssen endlich schwinden.

Naumann aus Posen. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Ju¬
den sich bereits von sich selbst emanzipirt haben. Sie haben die isolirte Stel¬
lung, in der sie sich früher befanden, aufgegeben, sie sind aus der ausschließlichen
Gemeinschaft mit ihren Glaubensgenossen herausgetreten, die Scheidewand, die
zwischen Juden und Christen bestanden hat, ist in Hinsicht auf den gebildeten
Theil der Christen längst gefallen, es handelt sich also nur noch »in eine Eman¬
zipation dem Staat gegenüber, und da der oberste Zweck des Staats in Erstre¬
bung einer möglichst vollständigen Humanität besteht, so sollte man glauben,
daß dieser Theil keinen erheblichen Schwierigkeiten unterliegen könne.

Dietrich zu Reinerz in Schlesien. Ich glaube, daß gerade von oben
herab, von der Gesetzgebung, von der Ständeversammlung, die Rechte ausgehen
müssen, welche Vorurtheile widerlegen.

Naumann ans Posen. Durch die Zurücksetzung der Juden halte ich
die Gerechtigkeit für verletzt. In dieser Verletzung sehe ich einzig und allein
den Grund des Zurückbleibens der Juden hinter den Ansprüchen der Civilisation.

Baron v. Gaffron zu Kunern. Ich habe bei einer frühern Gelegenheit,
wo von der Befugniß zur Theilnahme an den ständischen Rechten seitens der
Nicht-Christen die Rede war, mich gegen diese Befugniß ausgesprochen, ich
habe aber seit dieser Zeit mich mit dieser Frage tief und gewissenhaft beschäftigt,
und bekenne es gern, daß ich in meiner Ueberzeugung dahin gelangt bin, daß
ich die bürgerliche Gleichstellung der Juden mit den Christen in einem höher»
Grade für zweckmäßig und nothwendig halte, als ich es nach meiner frühern
Ansicht mit dem Wohl des Vaterlandes vereinbar hielt.

Winkler aus Lübbennu. Wenn die Gleichstellung der Rechte erfolgt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/534>, abgerufen am 22.07.2024.