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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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in Berlin, dem Jugendfreunde Eichhorn's, dessen glänzendes Hotel in der
Wilhelmsstraße noch heute dein geistlichen Minister, zum Bureau dient. Er
umfaßt die Jahre 1809--19. Ich hebe nur eine incrimminirte Stelle heraus,
aus einem Briefe A.'s vom September 1815. "Es muß sich nothwendig
ein neues Zeitalter Deutschlands erheben, und die wiederholten politischen
Dummheiten und Schlechtigkeiten beschleunigen es, und zwingen uns dem
mit trocknen Augen in's Gesicht zu schauen, wovor wir vor einigen Jahren
noch zitterten. Das Vaterland kann wohl kaum ohne eine wilde Umwälzung
gerettet werden. Will die preußische Regierung klug sein, so könnte sie oben
stehen. Hier (in Köln) geht es eben nicht gut, und das Land wird einem
dadurch verleidet. Nur eine tüchtige Universität, und vor Allein eine tüch¬
tige (hier durchaus landstürmische) Einrichtung d'es Kriegswesens kann dies
Land mit dem rechten Geist durchblasen. Mit den Franzosen wird es nur
ein Waffenstillstand, und die Welt muß ja provisorisch leben und Jeder auf
seiue Weise sich an's Provisorium gewöhnen. Das ist um das Schlimmste,
daß die lausigen Kerle, die zum Theil mit steuern, die außerordentliche Zeit
mit kleinlichen Mitteln treiben und halten wollen."

Ein Urtheil A.'s über Steffens. (1819). "Man muß wohl endlich
die bittere Erfahrung lernen, die nus das oft so herbe Leben gibt, daß der
Teufel und die Lüge und endlich der gleißende Schein und die noch gleißen-
dere Dummheit früher oder später den fangen und einfangen, der von dem
Enten besessen ist. Was bei Jünglingen von 17--25 Jahren oft ein unschul¬
diges Spiel ist, das wird bei dem Mann von :Z5--45 Jahren immer ein¬
mal sündlich und verbrecherisch. Man soll keinem trauen, wie glänzend seine
Gaben auch sind, welchem Wahrheit und. Einfalt nicht immer die höchsten
Göttinnen bleiben. Steffens ist von jeher so gewesen, daß er nie einen schö¬
nen Schein oder hübschen Witz hat unterdrücken können, und in seinen letz¬
ten Büchern streift er uur zu oft schon an die dünne und heillose Sophistik
eines Adam Müller hin; und wie weit kann er noch streifen und schweifen?
Was kann man nicht verzieren für Gott und für die Hölle, wenn man zu
verzieren wagt, zumal mit Steffen's Genialität? Aber dieser vornehme Geist,
wie er in dummer Selbstbehaglichkeit sich nennt', wird endlich unter die ge¬
meinen Vornehmen gerathen, unter die Jmikerischeu und Juukergeuvsseu, ja
er ist schon darunter. Er bewährt die jammervolle Erscheinung von so vie¬
len-Zeitgenossen, daß, wem der volle sittliche Zorn und Ernst fehlt, in der
lüsternen Wollust des Glanzes untergehen muß. Wir haben der philosophi¬
schen, halb mystischen, halb sophistischen Exemplare schon genug, an welchen
alles muthigste Leben verdorrt ist. -- Den Schlegel, auch einen verwelkten


in Berlin, dem Jugendfreunde Eichhorn's, dessen glänzendes Hotel in der
Wilhelmsstraße noch heute dein geistlichen Minister, zum Bureau dient. Er
umfaßt die Jahre 1809—19. Ich hebe nur eine incrimminirte Stelle heraus,
aus einem Briefe A.'s vom September 1815. „Es muß sich nothwendig
ein neues Zeitalter Deutschlands erheben, und die wiederholten politischen
Dummheiten und Schlechtigkeiten beschleunigen es, und zwingen uns dem
mit trocknen Augen in's Gesicht zu schauen, wovor wir vor einigen Jahren
noch zitterten. Das Vaterland kann wohl kaum ohne eine wilde Umwälzung
gerettet werden. Will die preußische Regierung klug sein, so könnte sie oben
stehen. Hier (in Köln) geht es eben nicht gut, und das Land wird einem
dadurch verleidet. Nur eine tüchtige Universität, und vor Allein eine tüch¬
tige (hier durchaus landstürmische) Einrichtung d'es Kriegswesens kann dies
Land mit dem rechten Geist durchblasen. Mit den Franzosen wird es nur
ein Waffenstillstand, und die Welt muß ja provisorisch leben und Jeder auf
seiue Weise sich an's Provisorium gewöhnen. Das ist um das Schlimmste,
daß die lausigen Kerle, die zum Theil mit steuern, die außerordentliche Zeit
mit kleinlichen Mitteln treiben und halten wollen."

Ein Urtheil A.'s über Steffens. (1819). „Man muß wohl endlich
die bittere Erfahrung lernen, die nus das oft so herbe Leben gibt, daß der
Teufel und die Lüge und endlich der gleißende Schein und die noch gleißen-
dere Dummheit früher oder später den fangen und einfangen, der von dem
Enten besessen ist. Was bei Jünglingen von 17—25 Jahren oft ein unschul¬
diges Spiel ist, das wird bei dem Mann von :Z5—45 Jahren immer ein¬
mal sündlich und verbrecherisch. Man soll keinem trauen, wie glänzend seine
Gaben auch sind, welchem Wahrheit und. Einfalt nicht immer die höchsten
Göttinnen bleiben. Steffens ist von jeher so gewesen, daß er nie einen schö¬
nen Schein oder hübschen Witz hat unterdrücken können, und in seinen letz¬
ten Büchern streift er uur zu oft schon an die dünne und heillose Sophistik
eines Adam Müller hin; und wie weit kann er noch streifen und schweifen?
Was kann man nicht verzieren für Gott und für die Hölle, wenn man zu
verzieren wagt, zumal mit Steffen's Genialität? Aber dieser vornehme Geist,
wie er in dummer Selbstbehaglichkeit sich nennt', wird endlich unter die ge¬
meinen Vornehmen gerathen, unter die Jmikerischeu und Juukergeuvsseu, ja
er ist schon darunter. Er bewährt die jammervolle Erscheinung von so vie¬
len-Zeitgenossen, daß, wem der volle sittliche Zorn und Ernst fehlt, in der
lüsternen Wollust des Glanzes untergehen muß. Wir haben der philosophi¬
schen, halb mystischen, halb sophistischen Exemplare schon genug, an welchen
alles muthigste Leben verdorrt ist. — Den Schlegel, auch einen verwelkten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/472>, abgerufen am 22.07.2024.