Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und den Behörden in Beziehung auf seine Untersuchung, der zweite die in
Beschlag genommenen Briefe nebst einigen andern.

E. M. Arndt wurde im Sommer 1818 zum Professor der neuern Ge¬
schichte auf der Universität Bonn ernannt. Aber schon den 11. Jan. 1819
wurde Arndt eine Cabinetsordre folgenden Inhalts mitgetheilt: "Der Professor
A. sei unter die Zahl der in Bonn angestellten Professoren mit aufgenommen
worden, weil man dessen Talent anerkannt und das Vertrauen in ihn gesetzt
habe, er werde dem wichtigen Berufe eines Lehrers der Jugend sowohl im
Lehren als im Betragen und in seinen Schriften genügen; diese Erwartung
habe er aber, obgleich ihm solche von dem Staatskanzler zu erkennen gege¬
ben sei, im 4. Theil seines "Geist der "Zeit" nicht erfüllt. Se. Majestät
wollten zwar nicht glauben, daß dessen Absicht tadelhaft gewesen sei, aber
das Buch enthalte wenigstens ganz unschickliche'und unnütze Dinge, die be¬
sonders einem Lehrer der Jugend übel anständen und nachtheilig auf die
Jugend wirken könnten. Se. Maj. seien zwar nicht gemeint, eine freie
Diskussion zu beschränken, ertheilten aber dem Minister der geistlichen Ange¬
legenheiten den Auftrag, ihn zu warnen und aufzufordern, künftig vorsichtig
zu sein, indem Se. Maj. auf den preußischen Universitäten keine Lehrer
dulden könnten, die Grundsätze wie die in dem 4. Theil des Geistes der Zeit
enthaltenen aufstellten, und daß er bei der ersten ähnlichen Veranlassung von
seiner Stelle entfernt werden würde."

Als nach der Ermordung Kotzebue's der Sturm gegen die Universitäten
losbrach, wurden seine Papiere mit Beschlag belegt, er selbst den 10. Nov. 1820
von seinem Amte suspendirt und im Februar 1821 die Criminaluntersuchung
gegen ihn eingeleitet. Er mußte sich einer Untersnchungsfolter von beinahe
anderthalb Jahren unterwerfen *), und erlangte am Ende derselben nicht ein¬
mal gerichtliche Freisprechung, sondern blieb suspendirt, doch mit Beibehal¬
tung seines Gehalts. (Erst bei der Thronbesteigung des jetzt regierenden



*) ,/Für einen Professor war es sehr hart, sich von einem Manne befragen zu
lassen, der sich bei der Untersuchung oft auf Felder verlaufen mußte, worauf er nimmer
nur ein leichtestes Äehrlein gelesen hatte. Z. B. In einem Briefe stand: "das ist über
meiner Sphäre." -- Richter A. Sphäre? was ist Sphäre? -- B. Ich glaube, Sphäre
heisst auf Griechisch Ball. -- A. Ball? "über meinen Ball?" was soll das heißen? --
Da erhuben sich denn Gespräche und philologische und etymologische Deutungen, endlich
Annäherungen und Uebergänge zum wirklichen Sinn solcher Hexenformeln. Wirklich
habe ich mir manches Spätere, so viel ich konnte, zum Spaß zu machen gesucht und
mich wie ein geduldiges Schaaf in die langweilige Folterung ergeben; aber sie blieb
nichts desto weniger eine fürchterliche Zermürbung und Abtödtung des Geistes."

und den Behörden in Beziehung auf seine Untersuchung, der zweite die in
Beschlag genommenen Briefe nebst einigen andern.

E. M. Arndt wurde im Sommer 1818 zum Professor der neuern Ge¬
schichte auf der Universität Bonn ernannt. Aber schon den 11. Jan. 1819
wurde Arndt eine Cabinetsordre folgenden Inhalts mitgetheilt: „Der Professor
A. sei unter die Zahl der in Bonn angestellten Professoren mit aufgenommen
worden, weil man dessen Talent anerkannt und das Vertrauen in ihn gesetzt
habe, er werde dem wichtigen Berufe eines Lehrers der Jugend sowohl im
Lehren als im Betragen und in seinen Schriften genügen; diese Erwartung
habe er aber, obgleich ihm solche von dem Staatskanzler zu erkennen gege¬
ben sei, im 4. Theil seines „Geist der »Zeit" nicht erfüllt. Se. Majestät
wollten zwar nicht glauben, daß dessen Absicht tadelhaft gewesen sei, aber
das Buch enthalte wenigstens ganz unschickliche'und unnütze Dinge, die be¬
sonders einem Lehrer der Jugend übel anständen und nachtheilig auf die
Jugend wirken könnten. Se. Maj. seien zwar nicht gemeint, eine freie
Diskussion zu beschränken, ertheilten aber dem Minister der geistlichen Ange¬
legenheiten den Auftrag, ihn zu warnen und aufzufordern, künftig vorsichtig
zu sein, indem Se. Maj. auf den preußischen Universitäten keine Lehrer
dulden könnten, die Grundsätze wie die in dem 4. Theil des Geistes der Zeit
enthaltenen aufstellten, und daß er bei der ersten ähnlichen Veranlassung von
seiner Stelle entfernt werden würde."

Als nach der Ermordung Kotzebue's der Sturm gegen die Universitäten
losbrach, wurden seine Papiere mit Beschlag belegt, er selbst den 10. Nov. 1820
von seinem Amte suspendirt und im Februar 1821 die Criminaluntersuchung
gegen ihn eingeleitet. Er mußte sich einer Untersnchungsfolter von beinahe
anderthalb Jahren unterwerfen *), und erlangte am Ende derselben nicht ein¬
mal gerichtliche Freisprechung, sondern blieb suspendirt, doch mit Beibehal¬
tung seines Gehalts. (Erst bei der Thronbesteigung des jetzt regierenden



*) ,/Für einen Professor war es sehr hart, sich von einem Manne befragen zu
lassen, der sich bei der Untersuchung oft auf Felder verlaufen mußte, worauf er nimmer
nur ein leichtestes Äehrlein gelesen hatte. Z. B. In einem Briefe stand: „das ist über
meiner Sphäre." — Richter A. Sphäre? was ist Sphäre? — B. Ich glaube, Sphäre
heisst auf Griechisch Ball. — A. Ball? „über meinen Ball?" was soll das heißen? —
Da erhuben sich denn Gespräche und philologische und etymologische Deutungen, endlich
Annäherungen und Uebergänge zum wirklichen Sinn solcher Hexenformeln. Wirklich
habe ich mir manches Spätere, so viel ich konnte, zum Spaß zu machen gesucht und
mich wie ein geduldiges Schaaf in die langweilige Folterung ergeben; aber sie blieb
nichts desto weniger eine fürchterliche Zermürbung und Abtödtung des Geistes."
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272365"/>
          <p xml:id="ID_1532" prev="#ID_1531"> und den Behörden in Beziehung auf seine Untersuchung, der zweite die in<lb/>
Beschlag genommenen Briefe nebst einigen andern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1533"> E. M. Arndt wurde im Sommer 1818 zum Professor der neuern Ge¬<lb/>
schichte auf der Universität Bonn ernannt. Aber schon den 11. Jan. 1819<lb/>
wurde Arndt eine Cabinetsordre folgenden Inhalts mitgetheilt: &#x201E;Der Professor<lb/>
A. sei unter die Zahl der in Bonn angestellten Professoren mit aufgenommen<lb/>
worden, weil man dessen Talent anerkannt und das Vertrauen in ihn gesetzt<lb/>
habe, er werde dem wichtigen Berufe eines Lehrers der Jugend sowohl im<lb/>
Lehren als im Betragen und in seinen Schriften genügen; diese Erwartung<lb/>
habe er aber, obgleich ihm solche von dem Staatskanzler zu erkennen gege¬<lb/>
ben sei, im 4. Theil seines &#x201E;Geist der »Zeit" nicht erfüllt. Se. Majestät<lb/>
wollten zwar nicht glauben, daß dessen Absicht tadelhaft gewesen sei, aber<lb/>
das Buch enthalte wenigstens ganz unschickliche'und unnütze Dinge, die be¬<lb/>
sonders einem Lehrer der Jugend übel anständen und nachtheilig auf die<lb/>
Jugend wirken könnten. Se. Maj. seien zwar nicht gemeint, eine freie<lb/>
Diskussion zu beschränken, ertheilten aber dem Minister der geistlichen Ange¬<lb/>
legenheiten den Auftrag, ihn zu warnen und aufzufordern, künftig vorsichtig<lb/>
zu sein, indem Se. Maj. auf den preußischen Universitäten keine Lehrer<lb/>
dulden könnten, die Grundsätze wie die in dem 4. Theil des Geistes der Zeit<lb/>
enthaltenen aufstellten, und daß er bei der ersten ähnlichen Veranlassung von<lb/>
seiner Stelle entfernt werden würde."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1534" next="#ID_1535"> Als nach der Ermordung Kotzebue's der Sturm gegen die Universitäten<lb/>
losbrach, wurden seine Papiere mit Beschlag belegt, er selbst den 10. Nov. 1820<lb/>
von seinem Amte suspendirt und im Februar 1821 die Criminaluntersuchung<lb/>
gegen ihn eingeleitet. Er mußte sich einer Untersnchungsfolter von beinahe<lb/>
anderthalb Jahren unterwerfen *), und erlangte am Ende derselben nicht ein¬<lb/>
mal gerichtliche Freisprechung, sondern blieb suspendirt, doch mit Beibehal¬<lb/>
tung seines Gehalts. (Erst bei der Thronbesteigung des jetzt regierenden</p><lb/>
          <note xml:id="FID_49" place="foot"> *) ,/Für einen Professor war es sehr hart, sich von einem Manne befragen zu<lb/>
lassen, der sich bei der Untersuchung oft auf Felder verlaufen mußte, worauf er nimmer<lb/>
nur ein leichtestes Äehrlein gelesen hatte. Z. B. In einem Briefe stand: &#x201E;das ist über<lb/>
meiner Sphäre." &#x2014; Richter A. Sphäre? was ist Sphäre? &#x2014; B. Ich glaube, Sphäre<lb/>
heisst auf Griechisch Ball. &#x2014; A. Ball? &#x201E;über meinen Ball?" was soll das heißen? &#x2014;<lb/>
Da erhuben sich denn Gespräche und philologische und etymologische Deutungen, endlich<lb/>
Annäherungen und Uebergänge zum wirklichen Sinn solcher Hexenformeln. Wirklich<lb/>
habe ich mir manches Spätere, so viel ich konnte, zum Spaß zu machen gesucht und<lb/>
mich wie ein geduldiges Schaaf in die langweilige Folterung ergeben; aber sie blieb<lb/>
nichts desto weniger eine fürchterliche Zermürbung und Abtödtung des Geistes."</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] und den Behörden in Beziehung auf seine Untersuchung, der zweite die in Beschlag genommenen Briefe nebst einigen andern. E. M. Arndt wurde im Sommer 1818 zum Professor der neuern Ge¬ schichte auf der Universität Bonn ernannt. Aber schon den 11. Jan. 1819 wurde Arndt eine Cabinetsordre folgenden Inhalts mitgetheilt: „Der Professor A. sei unter die Zahl der in Bonn angestellten Professoren mit aufgenommen worden, weil man dessen Talent anerkannt und das Vertrauen in ihn gesetzt habe, er werde dem wichtigen Berufe eines Lehrers der Jugend sowohl im Lehren als im Betragen und in seinen Schriften genügen; diese Erwartung habe er aber, obgleich ihm solche von dem Staatskanzler zu erkennen gege¬ ben sei, im 4. Theil seines „Geist der »Zeit" nicht erfüllt. Se. Majestät wollten zwar nicht glauben, daß dessen Absicht tadelhaft gewesen sei, aber das Buch enthalte wenigstens ganz unschickliche'und unnütze Dinge, die be¬ sonders einem Lehrer der Jugend übel anständen und nachtheilig auf die Jugend wirken könnten. Se. Maj. seien zwar nicht gemeint, eine freie Diskussion zu beschränken, ertheilten aber dem Minister der geistlichen Ange¬ legenheiten den Auftrag, ihn zu warnen und aufzufordern, künftig vorsichtig zu sein, indem Se. Maj. auf den preußischen Universitäten keine Lehrer dulden könnten, die Grundsätze wie die in dem 4. Theil des Geistes der Zeit enthaltenen aufstellten, und daß er bei der ersten ähnlichen Veranlassung von seiner Stelle entfernt werden würde." Als nach der Ermordung Kotzebue's der Sturm gegen die Universitäten losbrach, wurden seine Papiere mit Beschlag belegt, er selbst den 10. Nov. 1820 von seinem Amte suspendirt und im Februar 1821 die Criminaluntersuchung gegen ihn eingeleitet. Er mußte sich einer Untersnchungsfolter von beinahe anderthalb Jahren unterwerfen *), und erlangte am Ende derselben nicht ein¬ mal gerichtliche Freisprechung, sondern blieb suspendirt, doch mit Beibehal¬ tung seines Gehalts. (Erst bei der Thronbesteigung des jetzt regierenden *) ,/Für einen Professor war es sehr hart, sich von einem Manne befragen zu lassen, der sich bei der Untersuchung oft auf Felder verlaufen mußte, worauf er nimmer nur ein leichtestes Äehrlein gelesen hatte. Z. B. In einem Briefe stand: „das ist über meiner Sphäre." — Richter A. Sphäre? was ist Sphäre? — B. Ich glaube, Sphäre heisst auf Griechisch Ball. — A. Ball? „über meinen Ball?" was soll das heißen? — Da erhuben sich denn Gespräche und philologische und etymologische Deutungen, endlich Annäherungen und Uebergänge zum wirklichen Sinn solcher Hexenformeln. Wirklich habe ich mir manches Spätere, so viel ich konnte, zum Spaß zu machen gesucht und mich wie ein geduldiges Schaaf in die langweilige Folterung ergeben; aber sie blieb nichts desto weniger eine fürchterliche Zermürbung und Abtödtung des Geistes."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/466>, abgerufen am 03.07.2024.