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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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G M. Arndt und die Demagogenzeit.

Nothgcdrnngencr Bericht aus seinem Lat>er und aus und mit Urkunden der demagogischen und
antidcmagvgischcn Umtriebe. 2 Bde. Leipzig 1847.

Ein literarischer Streit zwischen dem Stadtgerichtsrath Simon und dem
Minister v. Kamptz hat eine alte Geschichte ans den Zeiten der demagogi¬
schen Untersuchungen wieder aufgerührt, in denen der Letztere nicht eben die
edelste Rolle gespielt hat. Es warm nämlich in jenen Zeiten die Papiere
Arndt's mit Beschlag' belegt- worden und aus denselben Aeußerungen als
hochverräterisch bezeichnet, die, wie es sich in der Untersuchung ergab, gar
nicht von Arndt, sondern von des hochseligen Königs Majestät herrührten.
Da der Minister diesen Umstand frischweg abgeleugnet hatte, so hat sich der alte
Professor veranlaßt gefunden, die Actenstücke aus den Untcrsuchungsproeessen
jener Zeit, so weit sie ihn betrafen, nud die Briefe, die damals mit Be¬
schlag belegt wurden, zu veröffentlichen: ein geschichtlicher Beitrag von dop¬
peltem Interesse, einmal für die Stimmung der Zeit von I8VV--15, dann
für die Reaction , die namentlich seit der Ermordung Kotzebue's in den An¬
sichten der deutschen Regierungen eintrat.

"So muß ich denn endlich den Staub abschütteln, einen thränenvollen
Staub, wenn ich zu Thränen leichte Augen hätte; ich muß eure dicken
Bäuche sprengen, ihr schwergefüllten Bücherbcrge, und die Finger mit Schmutz
und das Herz mit dem Leicheudunst wie aus Grabgewölben längst verscholle¬
ner Jahre bestäuben lassen. Wie mir auch vor all' den gespenstischen Erin¬
nerungen schaudert, ihr müßt einmal wieder an's Licht, ihr alten zergelbten
zerfressenen Papiere. Ihr müßt für mich sprechen, damit falsche Zungen
nicht hinter meiner Bahre sprechen dürfen. -- Das fühlt der Greis, der
eben seine 77 voll macht und jeden ersten besten Augenblick ans seinem schon
bröcklichen Erdenberge heransgeschüttelt und entstände werden kann."

Der erste Theil dieser Schrift enthält den Schriftwechsel zwischen Arndt


Grenzl'oder II. 184 7. gsj
G M. Arndt und die Demagogenzeit.

Nothgcdrnngencr Bericht aus seinem Lat>er und aus und mit Urkunden der demagogischen und
antidcmagvgischcn Umtriebe. 2 Bde. Leipzig 1847.

Ein literarischer Streit zwischen dem Stadtgerichtsrath Simon und dem
Minister v. Kamptz hat eine alte Geschichte ans den Zeiten der demagogi¬
schen Untersuchungen wieder aufgerührt, in denen der Letztere nicht eben die
edelste Rolle gespielt hat. Es warm nämlich in jenen Zeiten die Papiere
Arndt's mit Beschlag' belegt- worden und aus denselben Aeußerungen als
hochverräterisch bezeichnet, die, wie es sich in der Untersuchung ergab, gar
nicht von Arndt, sondern von des hochseligen Königs Majestät herrührten.
Da der Minister diesen Umstand frischweg abgeleugnet hatte, so hat sich der alte
Professor veranlaßt gefunden, die Actenstücke aus den Untcrsuchungsproeessen
jener Zeit, so weit sie ihn betrafen, nud die Briefe, die damals mit Be¬
schlag belegt wurden, zu veröffentlichen: ein geschichtlicher Beitrag von dop¬
peltem Interesse, einmal für die Stimmung der Zeit von I8VV—15, dann
für die Reaction , die namentlich seit der Ermordung Kotzebue's in den An¬
sichten der deutschen Regierungen eintrat.

„So muß ich denn endlich den Staub abschütteln, einen thränenvollen
Staub, wenn ich zu Thränen leichte Augen hätte; ich muß eure dicken
Bäuche sprengen, ihr schwergefüllten Bücherbcrge, und die Finger mit Schmutz
und das Herz mit dem Leicheudunst wie aus Grabgewölben längst verscholle¬
ner Jahre bestäuben lassen. Wie mir auch vor all' den gespenstischen Erin¬
nerungen schaudert, ihr müßt einmal wieder an's Licht, ihr alten zergelbten
zerfressenen Papiere. Ihr müßt für mich sprechen, damit falsche Zungen
nicht hinter meiner Bahre sprechen dürfen. — Das fühlt der Greis, der
eben seine 77 voll macht und jeden ersten besten Augenblick ans seinem schon
bröcklichen Erdenberge heransgeschüttelt und entstände werden kann."

Der erste Theil dieser Schrift enthält den Schriftwechsel zwischen Arndt


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[0465] G M. Arndt und die Demagogenzeit. Nothgcdrnngencr Bericht aus seinem Lat>er und aus und mit Urkunden der demagogischen und antidcmagvgischcn Umtriebe. 2 Bde. Leipzig 1847. Ein literarischer Streit zwischen dem Stadtgerichtsrath Simon und dem Minister v. Kamptz hat eine alte Geschichte ans den Zeiten der demagogi¬ schen Untersuchungen wieder aufgerührt, in denen der Letztere nicht eben die edelste Rolle gespielt hat. Es warm nämlich in jenen Zeiten die Papiere Arndt's mit Beschlag' belegt- worden und aus denselben Aeußerungen als hochverräterisch bezeichnet, die, wie es sich in der Untersuchung ergab, gar nicht von Arndt, sondern von des hochseligen Königs Majestät herrührten. Da der Minister diesen Umstand frischweg abgeleugnet hatte, so hat sich der alte Professor veranlaßt gefunden, die Actenstücke aus den Untcrsuchungsproeessen jener Zeit, so weit sie ihn betrafen, nud die Briefe, die damals mit Be¬ schlag belegt wurden, zu veröffentlichen: ein geschichtlicher Beitrag von dop¬ peltem Interesse, einmal für die Stimmung der Zeit von I8VV—15, dann für die Reaction , die namentlich seit der Ermordung Kotzebue's in den An¬ sichten der deutschen Regierungen eintrat. „So muß ich denn endlich den Staub abschütteln, einen thränenvollen Staub, wenn ich zu Thränen leichte Augen hätte; ich muß eure dicken Bäuche sprengen, ihr schwergefüllten Bücherbcrge, und die Finger mit Schmutz und das Herz mit dem Leicheudunst wie aus Grabgewölben längst verscholle¬ ner Jahre bestäuben lassen. Wie mir auch vor all' den gespenstischen Erin¬ nerungen schaudert, ihr müßt einmal wieder an's Licht, ihr alten zergelbten zerfressenen Papiere. Ihr müßt für mich sprechen, damit falsche Zungen nicht hinter meiner Bahre sprechen dürfen. — Das fühlt der Greis, der eben seine 77 voll macht und jeden ersten besten Augenblick ans seinem schon bröcklichen Erdenberge heransgeschüttelt und entstände werden kann." Der erste Theil dieser Schrift enthält den Schriftwechsel zwischen Arndt Grenzl'oder II. 184 7. gsj

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/465>, abgerufen am 03.07.2024.