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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Königs, als die alten Freunde und Glaubensgenossen Arndt's an's Ruder
kamen, wurde er in seinen Lehrstuhl wieder eingesetzt und im folgenden Jahr
zum Rector der Universität erwählt.)

Den 4. Juni 1821 theilte die Preuß. Staats-Zeitung Auszüge aus
den mit Beschlag belegten Papieren mit, um wie in unserer Zeit mit dem
Artikel über Marr, Heiuzcn und Freiligrath das Publikum vor den mord¬
brennerischen Absichten der Demagogen zu warnen. Auch aus A.'s Briefen
war mehreres genommen, und zwar aus dem Zusammenhang gerissen und
entstellt. Vergebens beschwerte sich A. darüber bei dem Staatskanzler und
in einer Jmmediateingabe an den König, dessen eigene Worte von der Jn-
quisttition mißbraucht waren. Man hatte dem König nämlich im Jahre 1809
den Plan zu einer levvo mi ni-esso eingereicht, und der König hatte u. a.
mit eigner Ha"d dabei an den Rand geschrieben: "Jeder wird nur seinen
Plan befolgen wollen und die Verwirrung allgemein werden. Vermuthlich
wird der Feind, der auf solche Dinge abgewitzt ist, der Sache schnell den
Garaus machen. Ein Paar Executionen, und die Sache hat ein
Ende. -- Wenn ein Prediger erschossen sein wird, hat die
Sache ein Ende." -- Diese Bemerkungen waren um A. imputirt und
ihm der Verdacht jakobinischer Mordabsichten untergeschoben. In Papieren,
die abgerissene, nie mitgetheilte Bemerkungen enthielten, Geburtstagsgedichten
seiner Familie, flüchtigen Briefen *) suchte man die weiteren Spuren dieser
hochverräterischen Pläne. Aber umsonst beschwerte sich A. über diese öffent¬
liche Ehrenschäuduug, über Entziehung seiner gehörigen natürlichen Gerichte,
deren Stelle Spccialevmmissivnen eingenommen hatten, worin zum Uebermaaß
Feinde und Gegner zugleich als Ankläger und Richter saßen; über die in
Deutschland und Preußen bisher unerhörte Inquisition auf innerste Gefühle,
Meinungen und Gedanken, über die völligste Rechtsspcrre u. s. w.

Von dieser Art der Inquisition der Merkwürdigkeit wegen einige Bei-



*) "Die Königl. Polizeicommission, als sie im Sommer 1819 bei mir eindrang,
fand außer alten zerrissenen Blättern Makulatur und Packpapieren, die sie in meinem
Bücherzimmcr und aus Taschen, Koffern und heimlichen Orten zusammensuchte, unter
Andern ein altes zerrissenes Beinkleid und beschmutzte Stücke alter Hemden und Hals¬
binden, die in meinem Bücherzimmer tagen und bei einer kleinen Reise gebraucht wa¬
ren, Stiefeln darein zu wickeln. Sie packte diese alten Lappen mit ein, und diese sind
von Commission zu Commission bis nach Mainz gewandert und haben endlich ordentlich
gewaschen werden müssen, bis sie mir nebst andern alten meist zerdrückten Papierlappcn,
die von jener Polizeicommission zusammengelesen waren, als künftige Erinnerung an
diese Zeit vor ein paar Wochen wieder zurückgeliefert sind."
SO*

Königs, als die alten Freunde und Glaubensgenossen Arndt's an's Ruder
kamen, wurde er in seinen Lehrstuhl wieder eingesetzt und im folgenden Jahr
zum Rector der Universität erwählt.)

Den 4. Juni 1821 theilte die Preuß. Staats-Zeitung Auszüge aus
den mit Beschlag belegten Papieren mit, um wie in unserer Zeit mit dem
Artikel über Marr, Heiuzcn und Freiligrath das Publikum vor den mord¬
brennerischen Absichten der Demagogen zu warnen. Auch aus A.'s Briefen
war mehreres genommen, und zwar aus dem Zusammenhang gerissen und
entstellt. Vergebens beschwerte sich A. darüber bei dem Staatskanzler und
in einer Jmmediateingabe an den König, dessen eigene Worte von der Jn-
quisttition mißbraucht waren. Man hatte dem König nämlich im Jahre 1809
den Plan zu einer levvo mi ni-esso eingereicht, und der König hatte u. a.
mit eigner Ha«d dabei an den Rand geschrieben: „Jeder wird nur seinen
Plan befolgen wollen und die Verwirrung allgemein werden. Vermuthlich
wird der Feind, der auf solche Dinge abgewitzt ist, der Sache schnell den
Garaus machen. Ein Paar Executionen, und die Sache hat ein
Ende. — Wenn ein Prediger erschossen sein wird, hat die
Sache ein Ende." — Diese Bemerkungen waren um A. imputirt und
ihm der Verdacht jakobinischer Mordabsichten untergeschoben. In Papieren,
die abgerissene, nie mitgetheilte Bemerkungen enthielten, Geburtstagsgedichten
seiner Familie, flüchtigen Briefen *) suchte man die weiteren Spuren dieser
hochverräterischen Pläne. Aber umsonst beschwerte sich A. über diese öffent¬
liche Ehrenschäuduug, über Entziehung seiner gehörigen natürlichen Gerichte,
deren Stelle Spccialevmmissivnen eingenommen hatten, worin zum Uebermaaß
Feinde und Gegner zugleich als Ankläger und Richter saßen; über die in
Deutschland und Preußen bisher unerhörte Inquisition auf innerste Gefühle,
Meinungen und Gedanken, über die völligste Rechtsspcrre u. s. w.

Von dieser Art der Inquisition der Merkwürdigkeit wegen einige Bei-



*) „Die Königl. Polizeicommission, als sie im Sommer 1819 bei mir eindrang,
fand außer alten zerrissenen Blättern Makulatur und Packpapieren, die sie in meinem
Bücherzimmcr und aus Taschen, Koffern und heimlichen Orten zusammensuchte, unter
Andern ein altes zerrissenes Beinkleid und beschmutzte Stücke alter Hemden und Hals¬
binden, die in meinem Bücherzimmer tagen und bei einer kleinen Reise gebraucht wa¬
ren, Stiefeln darein zu wickeln. Sie packte diese alten Lappen mit ein, und diese sind
von Commission zu Commission bis nach Mainz gewandert und haben endlich ordentlich
gewaschen werden müssen, bis sie mir nebst andern alten meist zerdrückten Papierlappcn,
die von jener Polizeicommission zusammengelesen waren, als künftige Erinnerung an
diese Zeit vor ein paar Wochen wieder zurückgeliefert sind."
SO*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/467>, abgerufen am 22.07.2024.