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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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bald ihr Ende erreicht haben, weil jeder Bctheiligtc so leicht in den Fall kommen
kann, sich mancher seiner College" schämen zu müssen.

Fürst Metternich feierte am 15. Mai seinen 74. Geburtstag -- in vollem
Wohlsein, welches nur zu Zeiten von einem bedrohlichen Leiden unterbrochen
wird; letzteres ist jedoch weniger störend als die Verminderung der Sehkraft
und die immer zunehmende Schwerhörigkeit.


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III.
Aus Berlin.
1.

Die Debatte über die Periodicität des Landtags. -- Charakteristik der Parteien. --
Englischer oder russischer Hof. -- Die Deutschkatholiken. -- Mayen- -- Theater und
sonstige Freuden und Leiden.

Die zweite Hauptschlacht in unserm ständischen Entwickeluugskampf ist nun
auch geschlagen, und hat, wie die erste, zu einem ungewissen Ausgang geführt.
Es handelte sich dabei um zweierlei: dem König die Nothwendigkeit einer perio¬
dischen Einberufung des Centrallandtags sowie den Wunsch der Versammlung,
daß diese Periodicität in kurzen Zwischenräumen wiederkehren möge, vorzustellen,
außerdem aber sich ans dem Rechtsboden festzustellen, der unbeschränkten Macht
der Krone gegenüber. Das letzte war das Augenmerk derjenigen Fraction des
Hauses, die man als die 137--9 bezeichnet, die in dem bekannten Protest eine
Deklaration ihrer Rechte niedergelegt hatten, und die sich daher unmöglich bei¬
kommen lassen konnten, um das zu bitten, was sie rechtlich schon zu haben
glaubten. Das Vincke'sche Amendement forderte daher einfach die Krone auf,
diese Rechte anzuerkennen. Dieser NcchtSstand der Unterthanen, dem absoluten
Königthum gegenüber, war es, was das Gouvernement vorzugsweise bekämpfte.
Das Amendement erlangte nicht die erforderliche Majorität von zwei Drittel der
Stimmen (obgleich in seiner zweiten, vom Grafen Schwerin ausgegangenen Fas¬
sung, nur fünf Stimmen fehlten), ebenso wurde der Antrag der Abtheilung, in
welchem die Rechtsgründe hinter die Nützlichkeitsgründe in Schatten gestellt wur¬
den, durch den vereinigten Widerstand der "Protcstircndcn" und der realistischen
Ultras verworfen, und die ermüdete Versammlung ging endlich auf ein Kompromiß
ein, in welchem beide Motive neben einander bestanden. Auch so hat die Peti¬
tion noch die Feuerprobe einer Berathung in der Hcrrcncurie zu bestehen. Sollte
sie hier durchgeh" -- eine nicht ganz unmögliche Voraussetzung, da schon vor
Eröffnung des Landtags Graf Arnim sich in diesem Sinne erklärte --, so läßt
sich wohl kaum erwarten, daß das Gouvernement einer auf solche Weise ausge¬
sprochenen Bitte Gehör versagen werde. -- Der Held des Tages ist diesmal
wieder Herr v. Vincke gewesen. Man kann sagen, daß die Schwäche der De-
duction in seiner Rede mit dem Glanz seiner Apercus wetteifert. Selbst das
Pathos der Rheinländer kann sich mit diesem ausgezeichneten Talent nicht messen.
Diesmal sind übrigens die Ostpreußen, die bei der ersten Hauptschlacht eine nicht
besondere Rolle spielten, bedeutender hervorgetreten. Sie bildeten den Haupt-
stamm der "Rechtspartei", und einzelne ihrer Redner ließen an Bestimmtheit und
Unerschrockenheit Nichts zu wünschen übrig. Neben Auerswald, der diesmal seine
unglücklichen Vermittelnngsversuche wieder gut gemacht hat, sind besonders der


bald ihr Ende erreicht haben, weil jeder Bctheiligtc so leicht in den Fall kommen
kann, sich mancher seiner College» schämen zu müssen.

Fürst Metternich feierte am 15. Mai seinen 74. Geburtstag — in vollem
Wohlsein, welches nur zu Zeiten von einem bedrohlichen Leiden unterbrochen
wird; letzteres ist jedoch weniger störend als die Verminderung der Sehkraft
und die immer zunehmende Schwerhörigkeit.


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III.
Aus Berlin.
1.

Die Debatte über die Periodicität des Landtags. — Charakteristik der Parteien. —
Englischer oder russischer Hof. — Die Deutschkatholiken. — Mayen- — Theater und
sonstige Freuden und Leiden.

Die zweite Hauptschlacht in unserm ständischen Entwickeluugskampf ist nun
auch geschlagen, und hat, wie die erste, zu einem ungewissen Ausgang geführt.
Es handelte sich dabei um zweierlei: dem König die Nothwendigkeit einer perio¬
dischen Einberufung des Centrallandtags sowie den Wunsch der Versammlung,
daß diese Periodicität in kurzen Zwischenräumen wiederkehren möge, vorzustellen,
außerdem aber sich ans dem Rechtsboden festzustellen, der unbeschränkten Macht
der Krone gegenüber. Das letzte war das Augenmerk derjenigen Fraction des
Hauses, die man als die 137—9 bezeichnet, die in dem bekannten Protest eine
Deklaration ihrer Rechte niedergelegt hatten, und die sich daher unmöglich bei¬
kommen lassen konnten, um das zu bitten, was sie rechtlich schon zu haben
glaubten. Das Vincke'sche Amendement forderte daher einfach die Krone auf,
diese Rechte anzuerkennen. Dieser NcchtSstand der Unterthanen, dem absoluten
Königthum gegenüber, war es, was das Gouvernement vorzugsweise bekämpfte.
Das Amendement erlangte nicht die erforderliche Majorität von zwei Drittel der
Stimmen (obgleich in seiner zweiten, vom Grafen Schwerin ausgegangenen Fas¬
sung, nur fünf Stimmen fehlten), ebenso wurde der Antrag der Abtheilung, in
welchem die Rechtsgründe hinter die Nützlichkeitsgründe in Schatten gestellt wur¬
den, durch den vereinigten Widerstand der „Protcstircndcn" und der realistischen
Ultras verworfen, und die ermüdete Versammlung ging endlich auf ein Kompromiß
ein, in welchem beide Motive neben einander bestanden. Auch so hat die Peti¬
tion noch die Feuerprobe einer Berathung in der Hcrrcncurie zu bestehen. Sollte
sie hier durchgeh» — eine nicht ganz unmögliche Voraussetzung, da schon vor
Eröffnung des Landtags Graf Arnim sich in diesem Sinne erklärte —, so läßt
sich wohl kaum erwarten, daß das Gouvernement einer auf solche Weise ausge¬
sprochenen Bitte Gehör versagen werde. — Der Held des Tages ist diesmal
wieder Herr v. Vincke gewesen. Man kann sagen, daß die Schwäche der De-
duction in seiner Rede mit dem Glanz seiner Apercus wetteifert. Selbst das
Pathos der Rheinländer kann sich mit diesem ausgezeichneten Talent nicht messen.
Diesmal sind übrigens die Ostpreußen, die bei der ersten Hauptschlacht eine nicht
besondere Rolle spielten, bedeutender hervorgetreten. Sie bildeten den Haupt-
stamm der „Rechtspartei", und einzelne ihrer Redner ließen an Bestimmtheit und
Unerschrockenheit Nichts zu wünschen übrig. Neben Auerswald, der diesmal seine
unglücklichen Vermittelnngsversuche wieder gut gemacht hat, sind besonders der


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[0461] bald ihr Ende erreicht haben, weil jeder Bctheiligtc so leicht in den Fall kommen kann, sich mancher seiner College» schämen zu müssen. Fürst Metternich feierte am 15. Mai seinen 74. Geburtstag — in vollem Wohlsein, welches nur zu Zeiten von einem bedrohlichen Leiden unterbrochen wird; letzteres ist jedoch weniger störend als die Verminderung der Sehkraft und die immer zunehmende Schwerhörigkeit. 0—v III. Aus Berlin. 1. Die Debatte über die Periodicität des Landtags. — Charakteristik der Parteien. — Englischer oder russischer Hof. — Die Deutschkatholiken. — Mayen- — Theater und sonstige Freuden und Leiden. Die zweite Hauptschlacht in unserm ständischen Entwickeluugskampf ist nun auch geschlagen, und hat, wie die erste, zu einem ungewissen Ausgang geführt. Es handelte sich dabei um zweierlei: dem König die Nothwendigkeit einer perio¬ dischen Einberufung des Centrallandtags sowie den Wunsch der Versammlung, daß diese Periodicität in kurzen Zwischenräumen wiederkehren möge, vorzustellen, außerdem aber sich ans dem Rechtsboden festzustellen, der unbeschränkten Macht der Krone gegenüber. Das letzte war das Augenmerk derjenigen Fraction des Hauses, die man als die 137—9 bezeichnet, die in dem bekannten Protest eine Deklaration ihrer Rechte niedergelegt hatten, und die sich daher unmöglich bei¬ kommen lassen konnten, um das zu bitten, was sie rechtlich schon zu haben glaubten. Das Vincke'sche Amendement forderte daher einfach die Krone auf, diese Rechte anzuerkennen. Dieser NcchtSstand der Unterthanen, dem absoluten Königthum gegenüber, war es, was das Gouvernement vorzugsweise bekämpfte. Das Amendement erlangte nicht die erforderliche Majorität von zwei Drittel der Stimmen (obgleich in seiner zweiten, vom Grafen Schwerin ausgegangenen Fas¬ sung, nur fünf Stimmen fehlten), ebenso wurde der Antrag der Abtheilung, in welchem die Rechtsgründe hinter die Nützlichkeitsgründe in Schatten gestellt wur¬ den, durch den vereinigten Widerstand der „Protcstircndcn" und der realistischen Ultras verworfen, und die ermüdete Versammlung ging endlich auf ein Kompromiß ein, in welchem beide Motive neben einander bestanden. Auch so hat die Peti¬ tion noch die Feuerprobe einer Berathung in der Hcrrcncurie zu bestehen. Sollte sie hier durchgeh» — eine nicht ganz unmögliche Voraussetzung, da schon vor Eröffnung des Landtags Graf Arnim sich in diesem Sinne erklärte —, so läßt sich wohl kaum erwarten, daß das Gouvernement einer auf solche Weise ausge¬ sprochenen Bitte Gehör versagen werde. — Der Held des Tages ist diesmal wieder Herr v. Vincke gewesen. Man kann sagen, daß die Schwäche der De- duction in seiner Rede mit dem Glanz seiner Apercus wetteifert. Selbst das Pathos der Rheinländer kann sich mit diesem ausgezeichneten Talent nicht messen. Diesmal sind übrigens die Ostpreußen, die bei der ersten Hauptschlacht eine nicht besondere Rolle spielten, bedeutender hervorgetreten. Sie bildeten den Haupt- stamm der „Rechtspartei", und einzelne ihrer Redner ließen an Bestimmtheit und Unerschrockenheit Nichts zu wünschen übrig. Neben Auerswald, der diesmal seine unglücklichen Vermittelnngsversuche wieder gut gemacht hat, sind besonders der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/461>, abgerufen am 03.07.2024.