Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Landschaft; Meinen dürste man wenigstens, es seien amerikanische Urwälder und Es sind außerdem noch eine gute Anzahl recht annehmbarer Landschaften Landschaft; Meinen dürste man wenigstens, es seien amerikanische Urwälder und Es sind außerdem noch eine gute Anzahl recht annehmbarer Landschaften <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0453" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272352"/> <p xml:id="ID_1495" prev="#ID_1494"> Landschaft; Meinen dürste man wenigstens, es seien amerikanische Urwälder und<lb/> eine brasilianische Pflanzenwelt nöthig, um nicht in eine Wiederholung des hun¬<lb/> dert Mal schon Dagewesenen zu fallen. Da kommen Leute, wie Corot und mit<lb/> ein Bischen Wald, einer Schüssel Wasser, einem Zoll Himmel, einem rothen<lb/> Blümchen in grüner Umgebung und ein paar leichten, geistig leichten Wolken<lb/> Versinnlicht er Alles, was ein bewegtes Herz in lieber und heiliger Einsamkeit nur<lb/> empfinden kann. Corot, schon ein Vierziger, der aber wieder wird wie der un-<lb/> geschwächteste Jüngling, wenn er mit einer Art feuriger Anbetung von den gro¬<lb/> ßen Meistern und namentlich Michelangelo spricht, hat sich in die Natur mit sol¬<lb/> cher Liebe hineingelebt, daß man von ihm recht witzig gesagt hat, er ziehe seinen<lb/> Hut ab, so oft er von ihr rede, gleich den frommen Menschen, die ihr Haupt<lb/> entblößen, wenn sie den Namen Jesu nennen oder nennen hören. Corot hat für<lb/> die Kirche Se. Nicolas an Chardonneret eine Taufe Christi gemalt, und ich kenne<lb/> wenige Bilder der neueren Zeit, die auf mich einen so wohlthuenden Eindruck<lb/> hervorgebracht hätten. Es ist eine historische Landschaft, und der landschaftliche<lb/> Theil des Gemäldes, die Arbeit eines Virtuosen in dieser Sphäre, aber auch die<lb/> geschichtlichen Elemente, die Gestalten sind äußerst ansprechend. Nichts klebt ihnen<lb/> an von der glatten in absichtlichen Stellungen unerschöpflichen Gefallsucht der<lb/> Gegenwart; es wohnt ihnen eine einfache Grazie, ein schlichter Adel inne, ohne<lb/> kindische Ansprüche auf die starre Gottesfurcht einer noch ungebildeten Zeit.<lb/> Corot will nicht christlicher sein als Raphael, und doch ist sein Bild wahrhaft<lb/> religiös im Sinn und Schnitt der Kirche geboren und nicht katholisch geworden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1496" next="#ID_1497"> Es sind außerdem noch eine gute Anzahl recht annehmbarer Landschaften<lb/> in der diesjährigen Ausstellung, deren Aufzählung doch unmöglich viel Anziehen¬<lb/> des für das Ausland haben würde. Nur die Pastelle von Jules Grenier<lb/> will ich erwähnen, nicht sowohl ihres nicht unbedeutenden Verdienstes, der rei¬<lb/> nen und treuen Naturauffassung, als eines höchst charakteristischen Umstandes we¬<lb/> gen, der als Maßstab für das Verfahren, der über Aufnahme und Nichtaufuahmc<lb/> der eingelaufenen Leistungen entscheidenden Herren dienen kann. Jules Grenier<lb/> hatte dreizehn oder vierzehn Pastelle, wovon zwölf in drei Bilderbogen, dem aka¬<lb/> demischen Gerichte übergeben, wovon nur fünf zugelassen wurden. Nun trifft es<lb/> steh, daß unter denen, die dieses Glück nicht hatten, sich einige befinden, die den<lb/> Zugelassenen an Festigkeit und Wärme weit vorstehen. Bedeutende Künstler, welche<lb/> die zurückgewiesenen Arbeiten zu sehen Gelegenheit hatten, fragten an, was die<lb/> Beseitigung des unstreitig Besten von Grenier's Einsendungen veranlaßt habe,<lb/> und es wurde ihnen geantwortet, dreizehn Pastelle sei zu viel gewesen, und<lb/> da man sich, weil die Zeit drängte, nicht mit einer langen Auswahl beschäftigen<lb/> konnte, hätte man eben die fünf ersten Nummern zugelassen. Grenier ist wie<lb/> Jerome aus der Franche Conto; auch Clesinger ist aus dieser Provinz die keu¬<lb/> schen Herzen in Deutschland können sich also beruhigen; die von einer Schlange<lb/> gebissene Frau ist nicht in einer germanischen Phantasie entstanden. Uebrigens<lb/> will es mir nicht recht eingehen, daß eine Statue, die allerdings in einem sinn¬<lb/> lichen Liebestraum geboren scheint, und obgleich sie über den wahren Sinn be¬<lb/> denklichen Zweifel zuläßt und auf ihr Rosenbeet in so sonderbare Windungen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0453]
Landschaft; Meinen dürste man wenigstens, es seien amerikanische Urwälder und
eine brasilianische Pflanzenwelt nöthig, um nicht in eine Wiederholung des hun¬
dert Mal schon Dagewesenen zu fallen. Da kommen Leute, wie Corot und mit
ein Bischen Wald, einer Schüssel Wasser, einem Zoll Himmel, einem rothen
Blümchen in grüner Umgebung und ein paar leichten, geistig leichten Wolken
Versinnlicht er Alles, was ein bewegtes Herz in lieber und heiliger Einsamkeit nur
empfinden kann. Corot, schon ein Vierziger, der aber wieder wird wie der un-
geschwächteste Jüngling, wenn er mit einer Art feuriger Anbetung von den gro¬
ßen Meistern und namentlich Michelangelo spricht, hat sich in die Natur mit sol¬
cher Liebe hineingelebt, daß man von ihm recht witzig gesagt hat, er ziehe seinen
Hut ab, so oft er von ihr rede, gleich den frommen Menschen, die ihr Haupt
entblößen, wenn sie den Namen Jesu nennen oder nennen hören. Corot hat für
die Kirche Se. Nicolas an Chardonneret eine Taufe Christi gemalt, und ich kenne
wenige Bilder der neueren Zeit, die auf mich einen so wohlthuenden Eindruck
hervorgebracht hätten. Es ist eine historische Landschaft, und der landschaftliche
Theil des Gemäldes, die Arbeit eines Virtuosen in dieser Sphäre, aber auch die
geschichtlichen Elemente, die Gestalten sind äußerst ansprechend. Nichts klebt ihnen
an von der glatten in absichtlichen Stellungen unerschöpflichen Gefallsucht der
Gegenwart; es wohnt ihnen eine einfache Grazie, ein schlichter Adel inne, ohne
kindische Ansprüche auf die starre Gottesfurcht einer noch ungebildeten Zeit.
Corot will nicht christlicher sein als Raphael, und doch ist sein Bild wahrhaft
religiös im Sinn und Schnitt der Kirche geboren und nicht katholisch geworden.
Es sind außerdem noch eine gute Anzahl recht annehmbarer Landschaften
in der diesjährigen Ausstellung, deren Aufzählung doch unmöglich viel Anziehen¬
des für das Ausland haben würde. Nur die Pastelle von Jules Grenier
will ich erwähnen, nicht sowohl ihres nicht unbedeutenden Verdienstes, der rei¬
nen und treuen Naturauffassung, als eines höchst charakteristischen Umstandes we¬
gen, der als Maßstab für das Verfahren, der über Aufnahme und Nichtaufuahmc
der eingelaufenen Leistungen entscheidenden Herren dienen kann. Jules Grenier
hatte dreizehn oder vierzehn Pastelle, wovon zwölf in drei Bilderbogen, dem aka¬
demischen Gerichte übergeben, wovon nur fünf zugelassen wurden. Nun trifft es
steh, daß unter denen, die dieses Glück nicht hatten, sich einige befinden, die den
Zugelassenen an Festigkeit und Wärme weit vorstehen. Bedeutende Künstler, welche
die zurückgewiesenen Arbeiten zu sehen Gelegenheit hatten, fragten an, was die
Beseitigung des unstreitig Besten von Grenier's Einsendungen veranlaßt habe,
und es wurde ihnen geantwortet, dreizehn Pastelle sei zu viel gewesen, und
da man sich, weil die Zeit drängte, nicht mit einer langen Auswahl beschäftigen
konnte, hätte man eben die fünf ersten Nummern zugelassen. Grenier ist wie
Jerome aus der Franche Conto; auch Clesinger ist aus dieser Provinz die keu¬
schen Herzen in Deutschland können sich also beruhigen; die von einer Schlange
gebissene Frau ist nicht in einer germanischen Phantasie entstanden. Uebrigens
will es mir nicht recht eingehen, daß eine Statue, die allerdings in einem sinn¬
lichen Liebestraum geboren scheint, und obgleich sie über den wahren Sinn be¬
denklichen Zweifel zuläßt und auf ihr Rosenbeet in so sonderbare Windungen
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