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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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ich muß mich auch in der That dahin aussprechen, daß an eine künstlerische
Vollendung uicht zu denken ist. Aber es spricht sich in ihnen eine sinnige
Naturandacht aus, die uicht nur an sich selbst von eigenthümlichem Interesse
ist, sondern die auch wesentlich in die Geschichte des poetischen Geistes ge¬
hört. Schefer findet in einer Reihe vou Naturphilosophen sein Verständniß,
die ich mit Herder beginnen möchte, an den sich dann Jacobi, Schelling,
Schleiermacher anschließen, und zu den ich, so seltsam es auch klingen mag,
auch L. Feuerbach füge. In diesem Zeitalter der Subjektivität, in welchem
Göthe schon als Knabe einem selbstgeschaffenen Naturgott seinen Weihrauch
anzündete, hat auch unser Dichter uicht verfehlt, sich eine Religion zu schaf¬
fen nach seinem Bild.

Jede Religion enthält drei Momente, ein pautheistisches oder kosmisches,
ein humanistisches und ein ethisches, d. h. eine eigenthümliche ideelle Auf
fassung von dem Geist der Natur, den: Geist des Menschen, dem Geist der
Geschichte. In unserer Zeit wird es wohl nicht auffallen, wenn ich die poe¬
tische Betrachtung der Dinge mit der religiösen vergleiche; denn beide ver¬
mitteln sich durch die Phantasie, beide verschmähen die Kritik, beide berau¬
schen sich an Idealen. Der poetische Sinn für das Kleinleben in der Na¬
tur, dies Lauschen auf die geheimen Regungen in den Adern der Erde, ans
das zauberische Wogen des Lichts, wird mehr oder minder mit dem Pan¬
theismus verwandt sein, denn göttlich ist dem Menschen, was ihn vorzugs¬
weise erhebt und beseelt. Wer dagegen für "deu heiligen Geist der Frei¬
heit" sich beseelt, wie er in der Geschichte sich verwirklicht, wird dem Na-
turleben keine Aufmerksamkeit schenken, d. h. er wird ohne Andacht für den
Gott in der Natur sich nur in dem ethischen Moment der Religion bewegen.

Bei Schefer ist nun offenbar das parts eistische Moment das vorwal¬
tende. Hören wir ihn selber: "Nichts ist als Gott, und außer ihm ist nichts.
Er ist allein, und Alles kommt aus ihm, und geht in ihn zurück, und war
auch keinen Athemzug ihm fern. Er macht sich selbst zu Staub, um jeden
Staub zu sich emporzuheben. So wie vom ungeheuren Gewölbe der Tropf¬
steinhöhle die ungezählten Tropfen uicderrcgueu und drunten mit den Sil¬
berstimmen singen, so strahlt und glänzt und blitzt und strömt und säuselt,
der Alles ist, aus seinen Himmeln nieder, wird Alles, und ist Alles, blei¬
bet Alles, und ist doch Nichts als Er. Er ist das All, Alles ist neben-,
mit einander göttlich , sogar der Staub auf Svmmervögclschwingen u. f. w.
Was ihn nicht nennen kaun, das kennt ihn doch recht innerlich durchdrungen,
in heimlichster Anbetung, stillsten Dasein. Nichts ist als Gott; in ihm
ist Alles gleich". -- "Güte unterscheidet den Menschen von den Bär-


ich muß mich auch in der That dahin aussprechen, daß an eine künstlerische
Vollendung uicht zu denken ist. Aber es spricht sich in ihnen eine sinnige
Naturandacht aus, die uicht nur an sich selbst von eigenthümlichem Interesse
ist, sondern die auch wesentlich in die Geschichte des poetischen Geistes ge¬
hört. Schefer findet in einer Reihe vou Naturphilosophen sein Verständniß,
die ich mit Herder beginnen möchte, an den sich dann Jacobi, Schelling,
Schleiermacher anschließen, und zu den ich, so seltsam es auch klingen mag,
auch L. Feuerbach füge. In diesem Zeitalter der Subjektivität, in welchem
Göthe schon als Knabe einem selbstgeschaffenen Naturgott seinen Weihrauch
anzündete, hat auch unser Dichter uicht verfehlt, sich eine Religion zu schaf¬
fen nach seinem Bild.

Jede Religion enthält drei Momente, ein pautheistisches oder kosmisches,
ein humanistisches und ein ethisches, d. h. eine eigenthümliche ideelle Auf
fassung von dem Geist der Natur, den: Geist des Menschen, dem Geist der
Geschichte. In unserer Zeit wird es wohl nicht auffallen, wenn ich die poe¬
tische Betrachtung der Dinge mit der religiösen vergleiche; denn beide ver¬
mitteln sich durch die Phantasie, beide verschmähen die Kritik, beide berau¬
schen sich an Idealen. Der poetische Sinn für das Kleinleben in der Na¬
tur, dies Lauschen auf die geheimen Regungen in den Adern der Erde, ans
das zauberische Wogen des Lichts, wird mehr oder minder mit dem Pan¬
theismus verwandt sein, denn göttlich ist dem Menschen, was ihn vorzugs¬
weise erhebt und beseelt. Wer dagegen für „deu heiligen Geist der Frei¬
heit" sich beseelt, wie er in der Geschichte sich verwirklicht, wird dem Na-
turleben keine Aufmerksamkeit schenken, d. h. er wird ohne Andacht für den
Gott in der Natur sich nur in dem ethischen Moment der Religion bewegen.

Bei Schefer ist nun offenbar das parts eistische Moment das vorwal¬
tende. Hören wir ihn selber: „Nichts ist als Gott, und außer ihm ist nichts.
Er ist allein, und Alles kommt aus ihm, und geht in ihn zurück, und war
auch keinen Athemzug ihm fern. Er macht sich selbst zu Staub, um jeden
Staub zu sich emporzuheben. So wie vom ungeheuren Gewölbe der Tropf¬
steinhöhle die ungezählten Tropfen uicderrcgueu und drunten mit den Sil¬
berstimmen singen, so strahlt und glänzt und blitzt und strömt und säuselt,
der Alles ist, aus seinen Himmeln nieder, wird Alles, und ist Alles, blei¬
bet Alles, und ist doch Nichts als Er. Er ist das All, Alles ist neben-,
mit einander göttlich , sogar der Staub auf Svmmervögclschwingen u. f. w.
Was ihn nicht nennen kaun, das kennt ihn doch recht innerlich durchdrungen,
in heimlichster Anbetung, stillsten Dasein. Nichts ist als Gott; in ihm
ist Alles gleich". — „Güte unterscheidet den Menschen von den Bär-


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[0436] ich muß mich auch in der That dahin aussprechen, daß an eine künstlerische Vollendung uicht zu denken ist. Aber es spricht sich in ihnen eine sinnige Naturandacht aus, die uicht nur an sich selbst von eigenthümlichem Interesse ist, sondern die auch wesentlich in die Geschichte des poetischen Geistes ge¬ hört. Schefer findet in einer Reihe vou Naturphilosophen sein Verständniß, die ich mit Herder beginnen möchte, an den sich dann Jacobi, Schelling, Schleiermacher anschließen, und zu den ich, so seltsam es auch klingen mag, auch L. Feuerbach füge. In diesem Zeitalter der Subjektivität, in welchem Göthe schon als Knabe einem selbstgeschaffenen Naturgott seinen Weihrauch anzündete, hat auch unser Dichter uicht verfehlt, sich eine Religion zu schaf¬ fen nach seinem Bild. Jede Religion enthält drei Momente, ein pautheistisches oder kosmisches, ein humanistisches und ein ethisches, d. h. eine eigenthümliche ideelle Auf fassung von dem Geist der Natur, den: Geist des Menschen, dem Geist der Geschichte. In unserer Zeit wird es wohl nicht auffallen, wenn ich die poe¬ tische Betrachtung der Dinge mit der religiösen vergleiche; denn beide ver¬ mitteln sich durch die Phantasie, beide verschmähen die Kritik, beide berau¬ schen sich an Idealen. Der poetische Sinn für das Kleinleben in der Na¬ tur, dies Lauschen auf die geheimen Regungen in den Adern der Erde, ans das zauberische Wogen des Lichts, wird mehr oder minder mit dem Pan¬ theismus verwandt sein, denn göttlich ist dem Menschen, was ihn vorzugs¬ weise erhebt und beseelt. Wer dagegen für „deu heiligen Geist der Frei¬ heit" sich beseelt, wie er in der Geschichte sich verwirklicht, wird dem Na- turleben keine Aufmerksamkeit schenken, d. h. er wird ohne Andacht für den Gott in der Natur sich nur in dem ethischen Moment der Religion bewegen. Bei Schefer ist nun offenbar das parts eistische Moment das vorwal¬ tende. Hören wir ihn selber: „Nichts ist als Gott, und außer ihm ist nichts. Er ist allein, und Alles kommt aus ihm, und geht in ihn zurück, und war auch keinen Athemzug ihm fern. Er macht sich selbst zu Staub, um jeden Staub zu sich emporzuheben. So wie vom ungeheuren Gewölbe der Tropf¬ steinhöhle die ungezählten Tropfen uicderrcgueu und drunten mit den Sil¬ berstimmen singen, so strahlt und glänzt und blitzt und strömt und säuselt, der Alles ist, aus seinen Himmeln nieder, wird Alles, und ist Alles, blei¬ bet Alles, und ist doch Nichts als Er. Er ist das All, Alles ist neben-, mit einander göttlich , sogar der Staub auf Svmmervögclschwingen u. f. w. Was ihn nicht nennen kaun, das kennt ihn doch recht innerlich durchdrungen, in heimlichster Anbetung, stillsten Dasein. Nichts ist als Gott; in ihm ist Alles gleich". — „Güte unterscheidet den Menschen von den Bär-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/436>, abgerufen am 01.10.2024.