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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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waldigen Censurgesetze, sowohl in ihren gesetzlichen Bestimmungen als auch in ihrer
Handhabung allergnädigst zu mildern.

Zum Entwürfe dieser Staatsschrift wurde ein Comitv von drei Mitgliedern ge¬
wählt, bestehend aus dem Antragsteller Fürst Lamverg und den beiden Grasen Franz
Thun und Erwin Nostiz, und endlich folgender Entwurf genehmigt-


Petition der böhmischen Stände gegen das bisherige
Eenstlrsystem.

Ew. Majestät! Die treugehorfamsten Stände des Königreiches Böhmen er¬
achten es in ihrer Eigenschaft als die ersten Räthe der Krone für ihre heilige
Pflicht, Ew. Majestät auf die Nachtheile aufmerksam zu machen, welche das län¬
gere Festhalten an den bisherigen Censursysteme mit sich bringen würde. Ew.
Majestät haben aus allerhöchster Weisheit und in steter Fürsorge für das fort¬
schreitende Wohl allerhöchst Dero treu gehorsamsten Unterthanen durch den
großartigen Bau von Eisenbahnen und Straßen Erleichterungen in den be¬
standenen Communications-Mitteln getroffen, und noch weitere Erleichterun¬
gen in Aussicht gestellt. Die Völker, die das Glück haben, unter Ew. Ma¬
jestät mildem Scepter zu stehen, wurden dadurch, sowohl unter sich, als auch
den auswärtigen Staaten näher gerückt. Die Entfernungen verschwinden.
Es kann nicht in der hohen Weisheit Ew. Majestät noch in der steten aller-
gnädigsten Fürsorge für das Wohl allerhöchst Dero Unterthanen liegen, die
zur Unmöglichkeit gewordenen geistigen Schranken, die das bisherige Censur¬
system auferlegt, anfrecht zu erhalten. Die treugehorsamcn böhmischen Stände
enthalten sich jeder weitschweifigen Erörterung über diesen von der öffentli¬
chen Meinung aller civilisirten Völker längst entschiedenen Gegenstand, und
erlauben sich nur Ew. Majestät in aller Untertänigkeit auf jene besonderen
Nachtheile aufmerksam zu macheu, welche die Censurvorschristen in ihrer ge¬
genwärtigen Anwendung in ihrem Vaterlande hervorriefen. Da es eine all¬
gemein anerkannte, und gewiß von allen Polizeibehörden bestätigte Wahrheit
ist, daß es der größten Wachsamkeit der Behörden nicht gelingt, das Lesen
von censnrwidrigen Büchern und Zeitschriften in seiner größtmöglichster Aus¬
dehnung nur zu hemmen, geschweige zu vernichten, so entfällt hiedurch aller
Vortheil, welchen die Feinde der freien Presse für die Cmsnrstrenge so gerne
in Anspruch nehmen, und es gesellt sich zu den Nachtheilen, welche die Ver¬
breitung mancher verwerflicher Schriften wirklich mit sich führt, nnr noch der
weit größere Nachtheil, daß alle Klassen der Bevölkerung in der Uebertre-
tung dieser Gesetze wetteifern, ohne den moralischen Abscheu zu fühlen, den
jede Gesetzübertretung mit sich führen muß. Was kann aber gefährlicher in
seinen Folgen sein, als wenn in einem Staate die Achtung vor dem Ge-


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waldigen Censurgesetze, sowohl in ihren gesetzlichen Bestimmungen als auch in ihrer
Handhabung allergnädigst zu mildern.

Zum Entwürfe dieser Staatsschrift wurde ein Comitv von drei Mitgliedern ge¬
wählt, bestehend aus dem Antragsteller Fürst Lamverg und den beiden Grasen Franz
Thun und Erwin Nostiz, und endlich folgender Entwurf genehmigt-


Petition der böhmischen Stände gegen das bisherige
Eenstlrsystem.

Ew. Majestät! Die treugehorfamsten Stände des Königreiches Böhmen er¬
achten es in ihrer Eigenschaft als die ersten Räthe der Krone für ihre heilige
Pflicht, Ew. Majestät auf die Nachtheile aufmerksam zu machen, welche das län¬
gere Festhalten an den bisherigen Censursysteme mit sich bringen würde. Ew.
Majestät haben aus allerhöchster Weisheit und in steter Fürsorge für das fort¬
schreitende Wohl allerhöchst Dero treu gehorsamsten Unterthanen durch den
großartigen Bau von Eisenbahnen und Straßen Erleichterungen in den be¬
standenen Communications-Mitteln getroffen, und noch weitere Erleichterun¬
gen in Aussicht gestellt. Die Völker, die das Glück haben, unter Ew. Ma¬
jestät mildem Scepter zu stehen, wurden dadurch, sowohl unter sich, als auch
den auswärtigen Staaten näher gerückt. Die Entfernungen verschwinden.
Es kann nicht in der hohen Weisheit Ew. Majestät noch in der steten aller-
gnädigsten Fürsorge für das Wohl allerhöchst Dero Unterthanen liegen, die
zur Unmöglichkeit gewordenen geistigen Schranken, die das bisherige Censur¬
system auferlegt, anfrecht zu erhalten. Die treugehorsamcn böhmischen Stände
enthalten sich jeder weitschweifigen Erörterung über diesen von der öffentli¬
chen Meinung aller civilisirten Völker längst entschiedenen Gegenstand, und
erlauben sich nur Ew. Majestät in aller Untertänigkeit auf jene besonderen
Nachtheile aufmerksam zu macheu, welche die Censurvorschristen in ihrer ge¬
genwärtigen Anwendung in ihrem Vaterlande hervorriefen. Da es eine all¬
gemein anerkannte, und gewiß von allen Polizeibehörden bestätigte Wahrheit
ist, daß es der größten Wachsamkeit der Behörden nicht gelingt, das Lesen
von censnrwidrigen Büchern und Zeitschriften in seiner größtmöglichster Aus¬
dehnung nur zu hemmen, geschweige zu vernichten, so entfällt hiedurch aller
Vortheil, welchen die Feinde der freien Presse für die Cmsnrstrenge so gerne
in Anspruch nehmen, und es gesellt sich zu den Nachtheilen, welche die Ver¬
breitung mancher verwerflicher Schriften wirklich mit sich führt, nnr noch der
weit größere Nachtheil, daß alle Klassen der Bevölkerung in der Uebertre-
tung dieser Gesetze wetteifern, ohne den moralischen Abscheu zu fühlen, den
jede Gesetzübertretung mit sich führen muß. Was kann aber gefährlicher in
seinen Folgen sein, als wenn in einem Staate die Achtung vor dem Ge-


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[0427] waldigen Censurgesetze, sowohl in ihren gesetzlichen Bestimmungen als auch in ihrer Handhabung allergnädigst zu mildern. Zum Entwürfe dieser Staatsschrift wurde ein Comitv von drei Mitgliedern ge¬ wählt, bestehend aus dem Antragsteller Fürst Lamverg und den beiden Grasen Franz Thun und Erwin Nostiz, und endlich folgender Entwurf genehmigt- Petition der böhmischen Stände gegen das bisherige Eenstlrsystem. Ew. Majestät! Die treugehorfamsten Stände des Königreiches Böhmen er¬ achten es in ihrer Eigenschaft als die ersten Räthe der Krone für ihre heilige Pflicht, Ew. Majestät auf die Nachtheile aufmerksam zu machen, welche das län¬ gere Festhalten an den bisherigen Censursysteme mit sich bringen würde. Ew. Majestät haben aus allerhöchster Weisheit und in steter Fürsorge für das fort¬ schreitende Wohl allerhöchst Dero treu gehorsamsten Unterthanen durch den großartigen Bau von Eisenbahnen und Straßen Erleichterungen in den be¬ standenen Communications-Mitteln getroffen, und noch weitere Erleichterun¬ gen in Aussicht gestellt. Die Völker, die das Glück haben, unter Ew. Ma¬ jestät mildem Scepter zu stehen, wurden dadurch, sowohl unter sich, als auch den auswärtigen Staaten näher gerückt. Die Entfernungen verschwinden. Es kann nicht in der hohen Weisheit Ew. Majestät noch in der steten aller- gnädigsten Fürsorge für das Wohl allerhöchst Dero Unterthanen liegen, die zur Unmöglichkeit gewordenen geistigen Schranken, die das bisherige Censur¬ system auferlegt, anfrecht zu erhalten. Die treugehorsamcn böhmischen Stände enthalten sich jeder weitschweifigen Erörterung über diesen von der öffentli¬ chen Meinung aller civilisirten Völker längst entschiedenen Gegenstand, und erlauben sich nur Ew. Majestät in aller Untertänigkeit auf jene besonderen Nachtheile aufmerksam zu macheu, welche die Censurvorschristen in ihrer ge¬ genwärtigen Anwendung in ihrem Vaterlande hervorriefen. Da es eine all¬ gemein anerkannte, und gewiß von allen Polizeibehörden bestätigte Wahrheit ist, daß es der größten Wachsamkeit der Behörden nicht gelingt, das Lesen von censnrwidrigen Büchern und Zeitschriften in seiner größtmöglichster Aus¬ dehnung nur zu hemmen, geschweige zu vernichten, so entfällt hiedurch aller Vortheil, welchen die Feinde der freien Presse für die Cmsnrstrenge so gerne in Anspruch nehmen, und es gesellt sich zu den Nachtheilen, welche die Ver¬ breitung mancher verwerflicher Schriften wirklich mit sich führt, nnr noch der weit größere Nachtheil, daß alle Klassen der Bevölkerung in der Uebertre- tung dieser Gesetze wetteifern, ohne den moralischen Abscheu zu fühlen, den jede Gesetzübertretung mit sich führen muß. Was kann aber gefährlicher in seinen Folgen sein, als wenn in einem Staate die Achtung vor dem Ge- 55*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/427>, abgerufen am 03.07.2024.