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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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uns verwundert, wie es denn komme, daß er in den friedlichsten Begeg¬
nungen, ja bei Vorfällen, die den höchsten Grad staatlicher Bedeu¬
tung haben, in der Uniform des Offiziers erscheine? Wir konnten leicht¬
hin erwiedern, daß es in des Regenten freiem Belieben stehen müsse,
sich zu kleiden wie ihm gefalle und daß dies Niemanden zu kümmern habe.
Allein wir können im Ernste zu einer so frivolen, die Negentenwürdc ernie¬
drigenden Ansicht uns nicht bekennen. Vielmehr müssen wir den Satz: daß
die Umhüllung des Körpers durch die Kleidung die äußerlichste Erscheinung
von Seele und Leib ist, als Grundlage wie für die Beurtheilung aller
Kleidung, so auch für die des Regenten voranstellen. Ans der Natur der
Sache ergibt sich, daß der Regent unserer Zeit seine Aufgabe nicht mehr
darin finden kann, blos der erste Soldat zu sein, sondern daß er der gan¬
zen Vielheit des Volkslebens im Staat vorzustehen hat, eine Mannigfaltig¬
keit von Richtungen, gegen welche die einseitige kriegerische Fähigkeit in den
Hintergrund tritt, zumal in einer Zeit, die nicht die Vertheidigung des
Vaterlandes durch Tapferkeit und Muth im Kriege begehrt. Der Regent
kann da, wo er als Fürst in feierlichem Augenblicke auftritt, uur angethan
mit dem Gewände des Regenten erscheinen und schon ein altes Herkommen
hat ihm den Purpurmantel umgehängt, Scepter und Krone beifügend als
Abzeichen oberster Gewalt. In verfassungsmäßigen Staaten, in denen das
Heer nicht auf die Verfassung beeidigt ist, muß das Erscheinen des Regenten
in der Bekleidung der Armee nicht nur als auffallende Bevorzugung des
Soldatenstandes gelten, sondern es kann sogar dem schädlichen Bedenken
Raum geben, der Regent habe nicht ohne Bedeutung das Kleid dieses außer
Verfassung stehenden Standes angethan. Allerdings ist solche Deutelei als
übertrieben und hypochondrisch zu betrachten, da bei dieser Kleidung wohl
an alles das nicht gedacht wird, allein wir erwidern: wird von denen, die
die Kleidung anthun, uicht daran gedacht, welche Bedeutung ihr unterge¬
legt werden kann, so ist es nothwendig daran zu erinnern; anch dürfte kaum
die Vermuthung gegründet sein, daß Regenten gleichgültiger und gedanken¬
loser in der Wahl ihrer Kleidung seien als andere Menschen. --

Wenn wir nun fragen, warum die Regenten bei feierlichen Gelegen¬
heiten doch den militärischen Uniformen den Vorzug geben, so kann man
eines Theils den größeren Glanz geltend machen, den jene haben und welchen
man für besonders geeignet halten kann, der Negentenwürdc zu entsprechen.
Wir dagegen glauben, daß diese Art Glanz zu leer und diese Uniform zu
tief unter dieser Würde sei. Die Andeutung, daß die Kriegsereignisse es
sind, denen die meisten Regenten ihre jetzige Stellung verdanken, oder daß


uns verwundert, wie es denn komme, daß er in den friedlichsten Begeg¬
nungen, ja bei Vorfällen, die den höchsten Grad staatlicher Bedeu¬
tung haben, in der Uniform des Offiziers erscheine? Wir konnten leicht¬
hin erwiedern, daß es in des Regenten freiem Belieben stehen müsse,
sich zu kleiden wie ihm gefalle und daß dies Niemanden zu kümmern habe.
Allein wir können im Ernste zu einer so frivolen, die Negentenwürdc ernie¬
drigenden Ansicht uns nicht bekennen. Vielmehr müssen wir den Satz: daß
die Umhüllung des Körpers durch die Kleidung die äußerlichste Erscheinung
von Seele und Leib ist, als Grundlage wie für die Beurtheilung aller
Kleidung, so auch für die des Regenten voranstellen. Ans der Natur der
Sache ergibt sich, daß der Regent unserer Zeit seine Aufgabe nicht mehr
darin finden kann, blos der erste Soldat zu sein, sondern daß er der gan¬
zen Vielheit des Volkslebens im Staat vorzustehen hat, eine Mannigfaltig¬
keit von Richtungen, gegen welche die einseitige kriegerische Fähigkeit in den
Hintergrund tritt, zumal in einer Zeit, die nicht die Vertheidigung des
Vaterlandes durch Tapferkeit und Muth im Kriege begehrt. Der Regent
kann da, wo er als Fürst in feierlichem Augenblicke auftritt, uur angethan
mit dem Gewände des Regenten erscheinen und schon ein altes Herkommen
hat ihm den Purpurmantel umgehängt, Scepter und Krone beifügend als
Abzeichen oberster Gewalt. In verfassungsmäßigen Staaten, in denen das
Heer nicht auf die Verfassung beeidigt ist, muß das Erscheinen des Regenten
in der Bekleidung der Armee nicht nur als auffallende Bevorzugung des
Soldatenstandes gelten, sondern es kann sogar dem schädlichen Bedenken
Raum geben, der Regent habe nicht ohne Bedeutung das Kleid dieses außer
Verfassung stehenden Standes angethan. Allerdings ist solche Deutelei als
übertrieben und hypochondrisch zu betrachten, da bei dieser Kleidung wohl
an alles das nicht gedacht wird, allein wir erwidern: wird von denen, die
die Kleidung anthun, uicht daran gedacht, welche Bedeutung ihr unterge¬
legt werden kann, so ist es nothwendig daran zu erinnern; anch dürfte kaum
die Vermuthung gegründet sein, daß Regenten gleichgültiger und gedanken¬
loser in der Wahl ihrer Kleidung seien als andere Menschen. —

Wenn wir nun fragen, warum die Regenten bei feierlichen Gelegen¬
heiten doch den militärischen Uniformen den Vorzug geben, so kann man
eines Theils den größeren Glanz geltend machen, den jene haben und welchen
man für besonders geeignet halten kann, der Negentenwürdc zu entsprechen.
Wir dagegen glauben, daß diese Art Glanz zu leer und diese Uniform zu
tief unter dieser Würde sei. Die Andeutung, daß die Kriegsereignisse es
sind, denen die meisten Regenten ihre jetzige Stellung verdanken, oder daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/354>, abgerufen am 01.10.2024.