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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Regentenhandlungen ausführt, welche bei ihm längst festgeworden sind, ja je
älter er wird, desto trüberer Stimmung gibt er sich oftmals hin; trüber als
die Wirklichkeit erfordert. Der Erbprinz dagegen hat selten Beruf oder Veran¬
lassung handelnd aufzutreten und in öffentlichen Angelegenheiten seine Prin¬
zipien und seinen Charakter an den Tag zu legen. Er kann nicht irregehen
und keine Meinung verletzen, sondern unversehrt von den Widersprüchen des
Staatslebens geht er mehr wie der erste Privatmann seine Wege und seine
Sorge braucht sich blos dahin zu richten, als solcher sich Verdienste und Po-
pularität zu erwerben, als Helfer in der Noth, als Beförderer des Land-
baues, der Gewerbe, des Handels, als Freund der Kunst und der Wissen¬
schaft; er ist in der glücklichen Lage, die Anliegen des Volks und des Throns
unbefangener zu beurtheilen, theils, weil er über dem Volk und doch unter
dem Thron steht, theils, weil er noch frei von allen den Einflüssen ist, welche
dem Regenten es oft unmöglich machen, klar in die Verhältnisse zu schauen.
Besteigt er nun den Thron, so ändert sich die Scene auf einmal. Er fin¬
det gegebene Verhältnisse vor, die er entweder fortsetzen oder abändern soll.
Ihre Fortsetzung ist bedenklich, ihre Abänderung schwierig. Die Absichten
verlieren dnrch die sie Allsführenden ganz oder zum Theil ihren eigenthüm¬
lichen Charakter und verfehlen ihren Zweck. Die Hindernisse, welche dem
frühern Regenten in den Weg getreten sind, steigen nnn auch gegen den
Nachfolger ans und es gehört die volle Stärke des Willens, eine große Tiefe
des Gemüths und stete.Klarheit des Verstandes dazu, wenn der Herrscher,
von den Einflüssen seiner Umgebung, die er oft von seinem Vorgänger er¬
erbt, sich emanzipiren soll. Die frühern Allianzen mit andern Mächten auf¬
recht zu halte", die Versprechungen seines Vorgängers nach allen Seiten
hin zu losen und doch schöpferisch freithätig in der Erkenntniß der Zeit lind
des Volkes zu sein, welche Fülle von Verwickelungen! in die er auf einmal
sich versetzt sieht. Es gilt nun die gehoffte Zukunft zur Wirklichkeit zu ma¬
cheu! ist es überhaupt möglich? will und kaun er? Und doch muß er es
können, wenn wir nicht an dem Beruf des Königthums zweifeln sollen. W le
er das Räthsel lösen muß, dafür gibt es eine große Lehrerin --die Geschichte!


2. Die Uniform.

Woher kommt es wohl, daß viele Regenten unserer Zeit den Rock
des Soldaten dem Regententleide vorziehen? Wir sehen die Regenten
zu Hause wie außer demselben, bei Audienzen wie bei feierlichen Gele¬
genheiten im einfachen oder geschmückten Kleide des Kriegers und fragen


Regentenhandlungen ausführt, welche bei ihm längst festgeworden sind, ja je
älter er wird, desto trüberer Stimmung gibt er sich oftmals hin; trüber als
die Wirklichkeit erfordert. Der Erbprinz dagegen hat selten Beruf oder Veran¬
lassung handelnd aufzutreten und in öffentlichen Angelegenheiten seine Prin¬
zipien und seinen Charakter an den Tag zu legen. Er kann nicht irregehen
und keine Meinung verletzen, sondern unversehrt von den Widersprüchen des
Staatslebens geht er mehr wie der erste Privatmann seine Wege und seine
Sorge braucht sich blos dahin zu richten, als solcher sich Verdienste und Po-
pularität zu erwerben, als Helfer in der Noth, als Beförderer des Land-
baues, der Gewerbe, des Handels, als Freund der Kunst und der Wissen¬
schaft; er ist in der glücklichen Lage, die Anliegen des Volks und des Throns
unbefangener zu beurtheilen, theils, weil er über dem Volk und doch unter
dem Thron steht, theils, weil er noch frei von allen den Einflüssen ist, welche
dem Regenten es oft unmöglich machen, klar in die Verhältnisse zu schauen.
Besteigt er nun den Thron, so ändert sich die Scene auf einmal. Er fin¬
det gegebene Verhältnisse vor, die er entweder fortsetzen oder abändern soll.
Ihre Fortsetzung ist bedenklich, ihre Abänderung schwierig. Die Absichten
verlieren dnrch die sie Allsführenden ganz oder zum Theil ihren eigenthüm¬
lichen Charakter und verfehlen ihren Zweck. Die Hindernisse, welche dem
frühern Regenten in den Weg getreten sind, steigen nnn auch gegen den
Nachfolger ans und es gehört die volle Stärke des Willens, eine große Tiefe
des Gemüths und stete.Klarheit des Verstandes dazu, wenn der Herrscher,
von den Einflüssen seiner Umgebung, die er oft von seinem Vorgänger er¬
erbt, sich emanzipiren soll. Die frühern Allianzen mit andern Mächten auf¬
recht zu halte», die Versprechungen seines Vorgängers nach allen Seiten
hin zu losen und doch schöpferisch freithätig in der Erkenntniß der Zeit lind
des Volkes zu sein, welche Fülle von Verwickelungen! in die er auf einmal
sich versetzt sieht. Es gilt nun die gehoffte Zukunft zur Wirklichkeit zu ma¬
cheu! ist es überhaupt möglich? will und kaun er? Und doch muß er es
können, wenn wir nicht an dem Beruf des Königthums zweifeln sollen. W le
er das Räthsel lösen muß, dafür gibt es eine große Lehrerin —die Geschichte!


2. Die Uniform.

Woher kommt es wohl, daß viele Regenten unserer Zeit den Rock
des Soldaten dem Regententleide vorziehen? Wir sehen die Regenten
zu Hause wie außer demselben, bei Audienzen wie bei feierlichen Gele¬
genheiten im einfachen oder geschmückten Kleide des Kriegers und fragen


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[0353] Regentenhandlungen ausführt, welche bei ihm längst festgeworden sind, ja je älter er wird, desto trüberer Stimmung gibt er sich oftmals hin; trüber als die Wirklichkeit erfordert. Der Erbprinz dagegen hat selten Beruf oder Veran¬ lassung handelnd aufzutreten und in öffentlichen Angelegenheiten seine Prin¬ zipien und seinen Charakter an den Tag zu legen. Er kann nicht irregehen und keine Meinung verletzen, sondern unversehrt von den Widersprüchen des Staatslebens geht er mehr wie der erste Privatmann seine Wege und seine Sorge braucht sich blos dahin zu richten, als solcher sich Verdienste und Po- pularität zu erwerben, als Helfer in der Noth, als Beförderer des Land- baues, der Gewerbe, des Handels, als Freund der Kunst und der Wissen¬ schaft; er ist in der glücklichen Lage, die Anliegen des Volks und des Throns unbefangener zu beurtheilen, theils, weil er über dem Volk und doch unter dem Thron steht, theils, weil er noch frei von allen den Einflüssen ist, welche dem Regenten es oft unmöglich machen, klar in die Verhältnisse zu schauen. Besteigt er nun den Thron, so ändert sich die Scene auf einmal. Er fin¬ det gegebene Verhältnisse vor, die er entweder fortsetzen oder abändern soll. Ihre Fortsetzung ist bedenklich, ihre Abänderung schwierig. Die Absichten verlieren dnrch die sie Allsführenden ganz oder zum Theil ihren eigenthüm¬ lichen Charakter und verfehlen ihren Zweck. Die Hindernisse, welche dem frühern Regenten in den Weg getreten sind, steigen nnn auch gegen den Nachfolger ans und es gehört die volle Stärke des Willens, eine große Tiefe des Gemüths und stete.Klarheit des Verstandes dazu, wenn der Herrscher, von den Einflüssen seiner Umgebung, die er oft von seinem Vorgänger er¬ erbt, sich emanzipiren soll. Die frühern Allianzen mit andern Mächten auf¬ recht zu halte», die Versprechungen seines Vorgängers nach allen Seiten hin zu losen und doch schöpferisch freithätig in der Erkenntniß der Zeit lind des Volkes zu sein, welche Fülle von Verwickelungen! in die er auf einmal sich versetzt sieht. Es gilt nun die gehoffte Zukunft zur Wirklichkeit zu ma¬ cheu! ist es überhaupt möglich? will und kaun er? Und doch muß er es können, wenn wir nicht an dem Beruf des Königthums zweifeln sollen. W le er das Räthsel lösen muß, dafür gibt es eine große Lehrerin —die Geschichte! 2. Die Uniform. Woher kommt es wohl, daß viele Regenten unserer Zeit den Rock des Soldaten dem Regententleide vorziehen? Wir sehen die Regenten zu Hause wie außer demselben, bei Audienzen wie bei feierlichen Gele¬ genheiten im einfachen oder geschmückten Kleide des Kriegers und fragen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/353>, abgerufen am 01.07.2024.