Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.gen und nomineller Redacteure verloren. Herr Heller, der "Redacteur" des Man hört nun Näheres über das beabsichtigte deutsche Preßgcsetz, obschon Die Grundzüge sind ungefähr folgende. Es wird jedem deutschen Bundes¬ 42 "
gen und nomineller Redacteure verloren. Herr Heller, der „Redacteur" des Man hört nun Näheres über das beabsichtigte deutsche Preßgcsetz, obschon Die Grundzüge sind ungefähr folgende. Es wird jedem deutschen Bundes¬ 42 "
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272226"/> <p xml:id="ID_1134" prev="#ID_1133"> gen und nomineller Redacteure verloren. Herr Heller, der „Redacteur" des<lb/> „Journals" war eigentlich gar nicht zu den Schriftstellern zu zählen; er redi-<lb/> girte anfangs mit der Scheere und später mittelst eines Guldens, den er per<lb/> Brief an seine Korrespondenten aufzählte. Was von politischer Haltung in dem<lb/> Blatte ist, kann man seinem Verdienst kaum zuschreiben, indem die eigentliche Lei¬<lb/> tung desselben längst andern Händen anvertraut blieb. Dagegen war der Hof¬<lb/> rath Berly, so lange er bei der Obcrpostamtszcitung fungirte, ein in der That<lb/> gewandter Journalist, Gesinnung und Charakter waren nicht seine übermäßige<lb/> Leidenschaft; aber es war ein Mann Von Esprit (aus einer französischen Fami¬<lb/> lie stammend) pou großer publizistischen Belesenheit, seine lebenslustige Weise<lb/> brachte ihn mit vielen interessanten Persönlichkeiten in Berührung; er hatte die<lb/> ganze napoleonische Zeit mitgelcbt und am Sitz des Bundestages Erfahrungen<lb/> und Beobachtungen genug gesammelt, um ein interessanter Journalist sein zu<lb/> können. Leider war er zu sehr Bonvivant und seine Vermögensverhältnisse nie<lb/> so geordnet, um ihm Selbstständigkeit und Charaktcrnnabhängigkeit zu geben.<lb/> Seine Feder trug das Wappen mit der bekannten Devise: „Ich diene" und es<lb/> war nicht immer die gute Sache, der sie gedient hat. Berly war 66 Jahre alt<lb/> und ein geborener Frankfurter, wo er feit tetl l fast ununterbrochen lebte. Er<lb/> war, so lange sein Körper noch gesund war, als guter Gesellschafter und wegen<lb/> einer gewissen gutmüthigen Malice sehr beliebt. In den letzten Jahren war er<lb/> jedoch ganz hinfällig und hatte an der Redaction der Oberpostamtszeitung fast<lb/> oder gar keinen Antheil mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1135"> Man hört nun Näheres über das beabsichtigte deutsche Preßgcsetz, obschon<lb/> dasjenige, was man vernimmt, an's Unglaubliche grenzt, wen» es auch aus Krei¬<lb/> sen transpirirt, die allerdings der Sache nahe stehen. Ihr Korrespondent selbst<lb/> ist so glücklich, fast mochte ich sagen, so unglücklich gewesen, eine Abschrift des<lb/> Entwurfs zum neuen Preßgcsetz unter vier Augen zu lesen; allein, trotzdem das<lb/> Schriftstück die vollen Kennzeichen eines amtlichen Charakters an sich trägt, so<lb/> erscheint es ihm doch als eine Unmöglichkeit, daß es direct von einer so erleuch-<lb/> teten Regierung, wie die preußische, ausgegangen sein soll. Möglich, daß ein<lb/> höherer preußischer Beamte auf eigene Faust einen solchen Entwurf an den Bun¬<lb/> destag eingesendet hat, aber als einen Plan, der von dem Gouvernement selbst<lb/> ausgegangen ist, kann ich ihn nun und immermehr anerkennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1136" next="#ID_1137"> Die Grundzüge sind ungefähr folgende. Es wird jedem deutschen Bundes¬<lb/> staate freigestellt, die Censur aufzuheben und „volle Preßfreiheit" einzuführen.<lb/> Es darf dies jedoch nur unter Garantien geschehen, welche in der Ueberwachung<lb/> der Buchdruckereien und Buchhandlungen, der Antiquare, Lesccabinettcn und Col¬<lb/> porteure bestehen, und die Unterdrückung aller gemeingefährlichen Schriften und<lb/> Bildwerke wird jedem solchen „prefifreien Staate" zur Pflicht. Gemeingefährlich und<lb/> als Verbrechen zu bestrafen, sind folgende Kategorien: >) Gotteslästerung, Her¬<lb/> abwürdigung einer der christlichen Kirchen oder sonstigen geduldeten Gesellschaft<lb/> durch Verspottung ihrer Lehren, Einrichtungen, Gebräuche u. s. w. 2) Mittel¬<lb/> bare oder unmittelbare Aufforderung, die Landesverfassung oder die Landesgesetze<lb/> ans ungesetzlichen Wege zu ändern oder aufzuheben. Herabwürdigung eines<lb/> deutschen Bruder- oder Bundesstaates durch Schmähung, Spott oder Verleum¬<lb/> dung der Staatseinrichtungen, Regierungs- oder Bcrwaltungsmaßregeln der Be-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 42 "</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
gen und nomineller Redacteure verloren. Herr Heller, der „Redacteur" des
„Journals" war eigentlich gar nicht zu den Schriftstellern zu zählen; er redi-
girte anfangs mit der Scheere und später mittelst eines Guldens, den er per
Brief an seine Korrespondenten aufzählte. Was von politischer Haltung in dem
Blatte ist, kann man seinem Verdienst kaum zuschreiben, indem die eigentliche Lei¬
tung desselben längst andern Händen anvertraut blieb. Dagegen war der Hof¬
rath Berly, so lange er bei der Obcrpostamtszcitung fungirte, ein in der That
gewandter Journalist, Gesinnung und Charakter waren nicht seine übermäßige
Leidenschaft; aber es war ein Mann Von Esprit (aus einer französischen Fami¬
lie stammend) pou großer publizistischen Belesenheit, seine lebenslustige Weise
brachte ihn mit vielen interessanten Persönlichkeiten in Berührung; er hatte die
ganze napoleonische Zeit mitgelcbt und am Sitz des Bundestages Erfahrungen
und Beobachtungen genug gesammelt, um ein interessanter Journalist sein zu
können. Leider war er zu sehr Bonvivant und seine Vermögensverhältnisse nie
so geordnet, um ihm Selbstständigkeit und Charaktcrnnabhängigkeit zu geben.
Seine Feder trug das Wappen mit der bekannten Devise: „Ich diene" und es
war nicht immer die gute Sache, der sie gedient hat. Berly war 66 Jahre alt
und ein geborener Frankfurter, wo er feit tetl l fast ununterbrochen lebte. Er
war, so lange sein Körper noch gesund war, als guter Gesellschafter und wegen
einer gewissen gutmüthigen Malice sehr beliebt. In den letzten Jahren war er
jedoch ganz hinfällig und hatte an der Redaction der Oberpostamtszeitung fast
oder gar keinen Antheil mehr.
Man hört nun Näheres über das beabsichtigte deutsche Preßgcsetz, obschon
dasjenige, was man vernimmt, an's Unglaubliche grenzt, wen» es auch aus Krei¬
sen transpirirt, die allerdings der Sache nahe stehen. Ihr Korrespondent selbst
ist so glücklich, fast mochte ich sagen, so unglücklich gewesen, eine Abschrift des
Entwurfs zum neuen Preßgcsetz unter vier Augen zu lesen; allein, trotzdem das
Schriftstück die vollen Kennzeichen eines amtlichen Charakters an sich trägt, so
erscheint es ihm doch als eine Unmöglichkeit, daß es direct von einer so erleuch-
teten Regierung, wie die preußische, ausgegangen sein soll. Möglich, daß ein
höherer preußischer Beamte auf eigene Faust einen solchen Entwurf an den Bun¬
destag eingesendet hat, aber als einen Plan, der von dem Gouvernement selbst
ausgegangen ist, kann ich ihn nun und immermehr anerkennen.
Die Grundzüge sind ungefähr folgende. Es wird jedem deutschen Bundes¬
staate freigestellt, die Censur aufzuheben und „volle Preßfreiheit" einzuführen.
Es darf dies jedoch nur unter Garantien geschehen, welche in der Ueberwachung
der Buchdruckereien und Buchhandlungen, der Antiquare, Lesccabinettcn und Col¬
porteure bestehen, und die Unterdrückung aller gemeingefährlichen Schriften und
Bildwerke wird jedem solchen „prefifreien Staate" zur Pflicht. Gemeingefährlich und
als Verbrechen zu bestrafen, sind folgende Kategorien: >) Gotteslästerung, Her¬
abwürdigung einer der christlichen Kirchen oder sonstigen geduldeten Gesellschaft
durch Verspottung ihrer Lehren, Einrichtungen, Gebräuche u. s. w. 2) Mittel¬
bare oder unmittelbare Aufforderung, die Landesverfassung oder die Landesgesetze
ans ungesetzlichen Wege zu ändern oder aufzuheben. Herabwürdigung eines
deutschen Bruder- oder Bundesstaates durch Schmähung, Spott oder Verleum¬
dung der Staatseinrichtungen, Regierungs- oder Bcrwaltungsmaßregeln der Be-
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