Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Das österreichische Anleheiu Das jüngst geschlossene Anlehen ist noch immer Gegenstand häufiger Das österreichische Anleheiu Das jüngst geschlossene Anlehen ist noch immer Gegenstand häufiger <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271931"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Das österreichische Anleheiu</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_119" next="#ID_120"> Das jüngst geschlossene Anlehen ist noch immer Gegenstand häufiger<lb/> Besprechung, und wohl mit Recht hat es die Meinung aller unbefangenen<lb/> Sachverständigen in einem Maaße gegen sich, wie dies, noch bei keiner an¬<lb/> dern Transaction der jetzigen Finanzverwaltung der Fall. Bei den Loblie¬<lb/> dern gewisser Blätter über den trefflichen Stand unserer Finanzen, die wir<lb/> während der letztverflossenen zwei Jahre hörten, mit Anrühmung der reichlich<lb/> fließenden Einnahmen und der weisen Beschränkung der Ausgaben, waren<lb/> selbst nüchterne Naturen, die nicht so leicht eiuPischläfern, wie der große<lb/> Haufen, und die es wußten, was von jener Blüthe der Finanzen zu halten<lb/> sei gegenüber der schwebenden Schuld bei der Bank nud der vermehrten Aus¬<lb/> gabe der Ccutralkassenanweisungen, doch überrascht, daß der Bedarf zur Wei¬<lb/> terführung der Eisenbahnbauten — denn nur diese können die Unzulänglich¬<lb/> keit der so gerühmten Finanzlage einigermaßen erklären — unter Umständen<lb/> contrahirt werden mußte, die in jeder Beziehung als höchst ungünstig er¬<lb/> scheinen. Vor Allem auffallen mußte es, daß die Zeit zu dieser Negociation<lb/> so unglücklich gewählt war, wo die Lage des europäischen Geldmarktes in<lb/> einer allgemeinen Krisis, wie seit zehn Jahren nicht, und wo noch besondere<lb/> Umstände hinzutraten, die das Geld gesuchter, daher theurer machten. In<lb/> dem Augenblicke, wo in England der Lord des Schatzes von dem Parla¬<lb/> mente die Ermächtigung erhält, „auf den Markt zu gehen und Geld zu bor¬<lb/> gen", wo die herrschende Geldnot!) die Bank von Frankreich zwingt, den<lb/> Disconto zu erhöhen und 40 Millionen in England zu borgen, wo in Deutsch¬<lb/> land das Hannöversche Anlehen abgeschlossen wird, Württemberg mit seinen,<lb/> musterhaften Finanzwesen sich gezwungen sieht, für sein Eisenbahnanlehen<lb/> 4s °/° Zinsen zu bewilligen, Sachsen im Begriff ist, eine Anleihe zu machen,<lb/> und die öffentliche Meinung — ob mit Recht oder Unrecht, ist hier gleich¬<lb/> viel, denn nur die Meinung entscheidet bei Creditfragen der Zusammen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Das österreichische Anleheiu
Das jüngst geschlossene Anlehen ist noch immer Gegenstand häufiger
Besprechung, und wohl mit Recht hat es die Meinung aller unbefangenen
Sachverständigen in einem Maaße gegen sich, wie dies, noch bei keiner an¬
dern Transaction der jetzigen Finanzverwaltung der Fall. Bei den Loblie¬
dern gewisser Blätter über den trefflichen Stand unserer Finanzen, die wir
während der letztverflossenen zwei Jahre hörten, mit Anrühmung der reichlich
fließenden Einnahmen und der weisen Beschränkung der Ausgaben, waren
selbst nüchterne Naturen, die nicht so leicht eiuPischläfern, wie der große
Haufen, und die es wußten, was von jener Blüthe der Finanzen zu halten
sei gegenüber der schwebenden Schuld bei der Bank nud der vermehrten Aus¬
gabe der Ccutralkassenanweisungen, doch überrascht, daß der Bedarf zur Wei¬
terführung der Eisenbahnbauten — denn nur diese können die Unzulänglich¬
keit der so gerühmten Finanzlage einigermaßen erklären — unter Umständen
contrahirt werden mußte, die in jeder Beziehung als höchst ungünstig er¬
scheinen. Vor Allem auffallen mußte es, daß die Zeit zu dieser Negociation
so unglücklich gewählt war, wo die Lage des europäischen Geldmarktes in
einer allgemeinen Krisis, wie seit zehn Jahren nicht, und wo noch besondere
Umstände hinzutraten, die das Geld gesuchter, daher theurer machten. In
dem Augenblicke, wo in England der Lord des Schatzes von dem Parla¬
mente die Ermächtigung erhält, „auf den Markt zu gehen und Geld zu bor¬
gen", wo die herrschende Geldnot!) die Bank von Frankreich zwingt, den
Disconto zu erhöhen und 40 Millionen in England zu borgen, wo in Deutsch¬
land das Hannöversche Anlehen abgeschlossen wird, Württemberg mit seinen,
musterhaften Finanzwesen sich gezwungen sieht, für sein Eisenbahnanlehen
4s °/° Zinsen zu bewilligen, Sachsen im Begriff ist, eine Anleihe zu machen,
und die öffentliche Meinung — ob mit Recht oder Unrecht, ist hier gleich¬
viel, denn nur die Meinung entscheidet bei Creditfragen der Zusammen-
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