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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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din erfahren, als er 'sein ganzes Betragen änderte -- der Ton wurde so¬
gleich uni eine Oktave vertraulicher gestimmt, und Beide setzten sich aus das
Sopha, vor dem Theodor wenige Tage früher in devotester Attitüde gestan¬
den. Theodor aber warf doch einen prüfenden Blick durch die Glasthüre
ins Vorzimmer und fragte: "Wird aber auch Niemand kommen?"

Betel gab ihm Recht. "Wir können ja hinüber zu uns gehen!" und
sie nahm ihre Arbeit aus den Arm und Beide gingen über den Corridor in
die Wohnung der Baronin. Hier waren sie ungestört und setzten sich daher
mit aller Ruhe auf den Divan. Beide waren einig mit sich -- sie gefielen
sich Beide und seit Theodor wußte, daß Betel eine Bräuerötochter war,
stand seiner Liebe kein weiteres Hinderniß im Wege. Er schlang daher den
Arm um Betel'ö schlanke Taille und sie litt es, obwohl nicht ohne jene un¬
nachahmlichen Minauderien, mit denen alle böhmischen Mädchen, und wären
es Dorfmägde, die ersten Angriffe eines Mannes entgegnen. Sie bog sich
wie eine Gerte und rief: "Aber gehen Sie! Lassen Sie mich!" -- Theodor
aber ging nicht und ließ sie nicht, sondern faßte sie am Halse, drehte ihr
den Kopf und gab ihr einen herzhaften Kuß, der, obwohl uuter beständigem
Zucken und Widerstreben, eine volle Minute dauerte.

"Aber Sie sind ein schlimmer Mensch, Herr NesKsny!"

"Ich, Betinka? ich bin gar nicht schlimm -- Sie sind's, warum haben
Sie so schöne Augen?"

"Aber wenn wir nach Nischlowicz kommen, so müssen Sie zu uns kom¬
men, das Brauhaus ist ganz nahe beim Schloß, und mein Vater wird die-
größte Freude haben -- er hat auch studirt vier Schulen, in Leutomischl,
und mein Bruder auch, der ist jetzt Bräuer in Postarschitz und hat die
Tochter von einem Kaufmann! Wo sind denn Sie gebürtig?"

"Ich? aus Nezdaschow -- bei Mvldauthein!"

"Ach dort haben wir einen Vetter, einen Bruder von^ meiner Mutter,
ex ist Burggraf beim Erzbischof, kennen Sie ihn vielleicht, er heißt Neruda!"

"Freilich, sehr gut, er war früher Amtschreiber in Nozeutal!"

"Ja! Ja!"

^ "Nu wir haben uns oft sehr gut unterhalten! Er geht hinter der
Tochter vom Rentmeister --

"Ja! er hat uns davon geschrieben -- ein hübsches Mädchen, nicht wahr?"

"Na, passtrt!" --

Das Bündniß ihrer Seelen wurde immer fester, Theodor kannte den
Vetter Neruda, und somit war er auch der Frau Brauermeisterin bestens
empfohlen. Die Conversation erlitt eine Störung durch den zum.Thore


din erfahren, als er 'sein ganzes Betragen änderte — der Ton wurde so¬
gleich uni eine Oktave vertraulicher gestimmt, und Beide setzten sich aus das
Sopha, vor dem Theodor wenige Tage früher in devotester Attitüde gestan¬
den. Theodor aber warf doch einen prüfenden Blick durch die Glasthüre
ins Vorzimmer und fragte: „Wird aber auch Niemand kommen?"

Betel gab ihm Recht. „Wir können ja hinüber zu uns gehen!" und
sie nahm ihre Arbeit aus den Arm und Beide gingen über den Corridor in
die Wohnung der Baronin. Hier waren sie ungestört und setzten sich daher
mit aller Ruhe auf den Divan. Beide waren einig mit sich — sie gefielen
sich Beide und seit Theodor wußte, daß Betel eine Bräuerötochter war,
stand seiner Liebe kein weiteres Hinderniß im Wege. Er schlang daher den
Arm um Betel'ö schlanke Taille und sie litt es, obwohl nicht ohne jene un¬
nachahmlichen Minauderien, mit denen alle böhmischen Mädchen, und wären
es Dorfmägde, die ersten Angriffe eines Mannes entgegnen. Sie bog sich
wie eine Gerte und rief: „Aber gehen Sie! Lassen Sie mich!" — Theodor
aber ging nicht und ließ sie nicht, sondern faßte sie am Halse, drehte ihr
den Kopf und gab ihr einen herzhaften Kuß, der, obwohl uuter beständigem
Zucken und Widerstreben, eine volle Minute dauerte.

„Aber Sie sind ein schlimmer Mensch, Herr NesKsny!"

„Ich, Betinka? ich bin gar nicht schlimm — Sie sind's, warum haben
Sie so schöne Augen?"

„Aber wenn wir nach Nischlowicz kommen, so müssen Sie zu uns kom¬
men, das Brauhaus ist ganz nahe beim Schloß, und mein Vater wird die-
größte Freude haben — er hat auch studirt vier Schulen, in Leutomischl,
und mein Bruder auch, der ist jetzt Bräuer in Postarschitz und hat die
Tochter von einem Kaufmann! Wo sind denn Sie gebürtig?"

„Ich? aus Nezdaschow — bei Mvldauthein!"

„Ach dort haben wir einen Vetter, einen Bruder von^ meiner Mutter,
ex ist Burggraf beim Erzbischof, kennen Sie ihn vielleicht, er heißt Neruda!"

„Freilich, sehr gut, er war früher Amtschreiber in Nozeutal!"

„Ja! Ja!"

^ „Nu wir haben uns oft sehr gut unterhalten! Er geht hinter der
Tochter vom Rentmeister —

„Ja! er hat uns davon geschrieben — ein hübsches Mädchen, nicht wahr?"

„Na, passtrt!" —

Das Bündniß ihrer Seelen wurde immer fester, Theodor kannte den
Vetter Neruda, und somit war er auch der Frau Brauermeisterin bestens
empfohlen. Die Conversation erlitt eine Störung durch den zum.Thore


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[0024] din erfahren, als er 'sein ganzes Betragen änderte — der Ton wurde so¬ gleich uni eine Oktave vertraulicher gestimmt, und Beide setzten sich aus das Sopha, vor dem Theodor wenige Tage früher in devotester Attitüde gestan¬ den. Theodor aber warf doch einen prüfenden Blick durch die Glasthüre ins Vorzimmer und fragte: „Wird aber auch Niemand kommen?" Betel gab ihm Recht. „Wir können ja hinüber zu uns gehen!" und sie nahm ihre Arbeit aus den Arm und Beide gingen über den Corridor in die Wohnung der Baronin. Hier waren sie ungestört und setzten sich daher mit aller Ruhe auf den Divan. Beide waren einig mit sich — sie gefielen sich Beide und seit Theodor wußte, daß Betel eine Bräuerötochter war, stand seiner Liebe kein weiteres Hinderniß im Wege. Er schlang daher den Arm um Betel'ö schlanke Taille und sie litt es, obwohl nicht ohne jene un¬ nachahmlichen Minauderien, mit denen alle böhmischen Mädchen, und wären es Dorfmägde, die ersten Angriffe eines Mannes entgegnen. Sie bog sich wie eine Gerte und rief: „Aber gehen Sie! Lassen Sie mich!" — Theodor aber ging nicht und ließ sie nicht, sondern faßte sie am Halse, drehte ihr den Kopf und gab ihr einen herzhaften Kuß, der, obwohl uuter beständigem Zucken und Widerstreben, eine volle Minute dauerte. „Aber Sie sind ein schlimmer Mensch, Herr NesKsny!" „Ich, Betinka? ich bin gar nicht schlimm — Sie sind's, warum haben Sie so schöne Augen?" „Aber wenn wir nach Nischlowicz kommen, so müssen Sie zu uns kom¬ men, das Brauhaus ist ganz nahe beim Schloß, und mein Vater wird die- größte Freude haben — er hat auch studirt vier Schulen, in Leutomischl, und mein Bruder auch, der ist jetzt Bräuer in Postarschitz und hat die Tochter von einem Kaufmann! Wo sind denn Sie gebürtig?" „Ich? aus Nezdaschow — bei Mvldauthein!" „Ach dort haben wir einen Vetter, einen Bruder von^ meiner Mutter, ex ist Burggraf beim Erzbischof, kennen Sie ihn vielleicht, er heißt Neruda!" „Freilich, sehr gut, er war früher Amtschreiber in Nozeutal!" „Ja! Ja!" ^ „Nu wir haben uns oft sehr gut unterhalten! Er geht hinter der Tochter vom Rentmeister — „Ja! er hat uns davon geschrieben — ein hübsches Mädchen, nicht wahr?" „Na, passtrt!" — Das Bündniß ihrer Seelen wurde immer fester, Theodor kannte den Vetter Neruda, und somit war er auch der Frau Brauermeisterin bestens empfohlen. Die Conversation erlitt eine Störung durch den zum.Thore

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/24>, abgerufen am 03.07.2024.