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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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hereinrasselnden Wagen, der die beiden Damen nach Hause brachte. Theo¬
dor wurde durch das Schlafzimmer der Baronin in sein Kämmerchen gelas¬
sen. Betel riegelte hinter ihm zu und begab sich in die Hinterstube, die sie
mit der Jungfer der Gräfin bewohnte, seit Theodor im Hanse war- Es
dauerte uicht lange, so wurde der Hofmeister hinüber citirt und betrat den
Salon mit derselben Aengstlichkeit und Befangenheit, wie gestern. Dazu
kam, daß ihm Betel den Kopf vollends verwirrt gemacht hatte und ihr hei¬
ßer Kuß noch auf seinen Lippen brannte. Die Damen hatten ihre Hüte
abgelegt, Jaromir fütterte den Papagei mit Kuchen und war so gutherzrg,
auch seinem Gouverneur ein Stück davon anzubieten.

Die Baronin glaubte, der besonders nachdrückliche Kuß, den Theodor
auf ihre Hand drückte, sei ein Ausbruch der Dankbarkeit für die Vorsorge,
welche sie heute an den Tag gelegt, sie blickte ihn daher mit gütiger Würde
an, so daß der arme Junge blutroth wurde und seinen Dank nur sehr un¬
vollkommen abstattete. Die Gräfin lehnte die Huldigung ab und sagte und
ernstem aber gedämpften: Tone: "Ich habe Ihnen nur zu bemerken, Ne-
Mny! daß Sie sehr wenig Acht auf Ihr Deutsch geben - ich fürchte, daß
Jaromir essich noch mehr angewöhnen und wie die Grünweiber auf dein Ringe
sprechen wird! Das wäre mir sehr unangenehm -- es ist ganz nothwendig,
daß Sie die Aussprache des Kindes überwachen und sich selbst alle Mühe geben.

"Werde mich befleißen, gräfliche Gnaden

"Dann müssen Sie jedesmal mit dem Hut in den Salon kommen --
es sieht sonst aus, als ob Sie hier zu Hause wären, und nicht so viele
Complimente machen, das sieht ordinair ans! Sie sind noch ein junger
Mensch, der wenig Gelegenheit hatte, in anständige Gesellschaft zu kommen
und müsse" sich formtreu -- Ihre Complimente sind wirklich beängstigend'/'

"Mama," jubelte Jaromir, "der Herr NeMny macht ein solches Kom¬
pliment, stehst Du?"

Er hatte mit vielem Geschick einen jener Bücklinge nachgeahmt, welche
die Gräfin beängstigend fand, noch ehe Mutter und Tante ihn daran ver¬
hindern konnten.' Beide Damen riefen zwar einstimmig: "Jaromir! was ist
denn das für eine Art?" aber die Gräfin meinte es lange nicht so ernst,
wie die Baronin, welche ihrem Sprößling eine ernsthafte Ohrfeige gab.
Sie hatte auch so viel Gutmüthigkeit und richtige!: Takt, daß sie die Er¬
mahnungen ihrer Schwester kurz abbrach, indem sie dem Hofmeister den Auf¬
trag gab, den "ungezogenen Buben" mit ans feine Stube zu nehmen, was
sogleich mit würdevollem Ernste von Seiten des Hofmeisters ausgeführt ward.

(Zweite Abtheilung und Schluß im nächsten Heste.)


GmiMe". et. 18/.7. t

hereinrasselnden Wagen, der die beiden Damen nach Hause brachte. Theo¬
dor wurde durch das Schlafzimmer der Baronin in sein Kämmerchen gelas¬
sen. Betel riegelte hinter ihm zu und begab sich in die Hinterstube, die sie
mit der Jungfer der Gräfin bewohnte, seit Theodor im Hanse war- Es
dauerte uicht lange, so wurde der Hofmeister hinüber citirt und betrat den
Salon mit derselben Aengstlichkeit und Befangenheit, wie gestern. Dazu
kam, daß ihm Betel den Kopf vollends verwirrt gemacht hatte und ihr hei¬
ßer Kuß noch auf seinen Lippen brannte. Die Damen hatten ihre Hüte
abgelegt, Jaromir fütterte den Papagei mit Kuchen und war so gutherzrg,
auch seinem Gouverneur ein Stück davon anzubieten.

Die Baronin glaubte, der besonders nachdrückliche Kuß, den Theodor
auf ihre Hand drückte, sei ein Ausbruch der Dankbarkeit für die Vorsorge,
welche sie heute an den Tag gelegt, sie blickte ihn daher mit gütiger Würde
an, so daß der arme Junge blutroth wurde und seinen Dank nur sehr un¬
vollkommen abstattete. Die Gräfin lehnte die Huldigung ab und sagte und
ernstem aber gedämpften: Tone: „Ich habe Ihnen nur zu bemerken, Ne-
Mny! daß Sie sehr wenig Acht auf Ihr Deutsch geben - ich fürchte, daß
Jaromir essich noch mehr angewöhnen und wie die Grünweiber auf dein Ringe
sprechen wird! Das wäre mir sehr unangenehm — es ist ganz nothwendig,
daß Sie die Aussprache des Kindes überwachen und sich selbst alle Mühe geben.

„Werde mich befleißen, gräfliche Gnaden

„Dann müssen Sie jedesmal mit dem Hut in den Salon kommen —
es sieht sonst aus, als ob Sie hier zu Hause wären, und nicht so viele
Complimente machen, das sieht ordinair ans! Sie sind noch ein junger
Mensch, der wenig Gelegenheit hatte, in anständige Gesellschaft zu kommen
und müsse» sich formtreu — Ihre Complimente sind wirklich beängstigend'/'

„Mama," jubelte Jaromir, „der Herr NeMny macht ein solches Kom¬
pliment, stehst Du?"

Er hatte mit vielem Geschick einen jener Bücklinge nachgeahmt, welche
die Gräfin beängstigend fand, noch ehe Mutter und Tante ihn daran ver¬
hindern konnten.' Beide Damen riefen zwar einstimmig: „Jaromir! was ist
denn das für eine Art?" aber die Gräfin meinte es lange nicht so ernst,
wie die Baronin, welche ihrem Sprößling eine ernsthafte Ohrfeige gab.
Sie hatte auch so viel Gutmüthigkeit und richtige!: Takt, daß sie die Er¬
mahnungen ihrer Schwester kurz abbrach, indem sie dem Hofmeister den Auf¬
trag gab, den „ungezogenen Buben" mit ans feine Stube zu nehmen, was
sogleich mit würdevollem Ernste von Seiten des Hofmeisters ausgeführt ward.

(Zweite Abtheilung und Schluß im nächsten Heste.)


GmiMe». et. 18/.7. t
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[0025] hereinrasselnden Wagen, der die beiden Damen nach Hause brachte. Theo¬ dor wurde durch das Schlafzimmer der Baronin in sein Kämmerchen gelas¬ sen. Betel riegelte hinter ihm zu und begab sich in die Hinterstube, die sie mit der Jungfer der Gräfin bewohnte, seit Theodor im Hanse war- Es dauerte uicht lange, so wurde der Hofmeister hinüber citirt und betrat den Salon mit derselben Aengstlichkeit und Befangenheit, wie gestern. Dazu kam, daß ihm Betel den Kopf vollends verwirrt gemacht hatte und ihr hei¬ ßer Kuß noch auf seinen Lippen brannte. Die Damen hatten ihre Hüte abgelegt, Jaromir fütterte den Papagei mit Kuchen und war so gutherzrg, auch seinem Gouverneur ein Stück davon anzubieten. Die Baronin glaubte, der besonders nachdrückliche Kuß, den Theodor auf ihre Hand drückte, sei ein Ausbruch der Dankbarkeit für die Vorsorge, welche sie heute an den Tag gelegt, sie blickte ihn daher mit gütiger Würde an, so daß der arme Junge blutroth wurde und seinen Dank nur sehr un¬ vollkommen abstattete. Die Gräfin lehnte die Huldigung ab und sagte und ernstem aber gedämpften: Tone: „Ich habe Ihnen nur zu bemerken, Ne- Mny! daß Sie sehr wenig Acht auf Ihr Deutsch geben - ich fürchte, daß Jaromir essich noch mehr angewöhnen und wie die Grünweiber auf dein Ringe sprechen wird! Das wäre mir sehr unangenehm — es ist ganz nothwendig, daß Sie die Aussprache des Kindes überwachen und sich selbst alle Mühe geben. „Werde mich befleißen, gräfliche Gnaden „Dann müssen Sie jedesmal mit dem Hut in den Salon kommen — es sieht sonst aus, als ob Sie hier zu Hause wären, und nicht so viele Complimente machen, das sieht ordinair ans! Sie sind noch ein junger Mensch, der wenig Gelegenheit hatte, in anständige Gesellschaft zu kommen und müsse» sich formtreu — Ihre Complimente sind wirklich beängstigend'/' „Mama," jubelte Jaromir, „der Herr NeMny macht ein solches Kom¬ pliment, stehst Du?" Er hatte mit vielem Geschick einen jener Bücklinge nachgeahmt, welche die Gräfin beängstigend fand, noch ehe Mutter und Tante ihn daran ver¬ hindern konnten.' Beide Damen riefen zwar einstimmig: „Jaromir! was ist denn das für eine Art?" aber die Gräfin meinte es lange nicht so ernst, wie die Baronin, welche ihrem Sprößling eine ernsthafte Ohrfeige gab. Sie hatte auch so viel Gutmüthigkeit und richtige!: Takt, daß sie die Er¬ mahnungen ihrer Schwester kurz abbrach, indem sie dem Hofmeister den Auf¬ trag gab, den „ungezogenen Buben" mit ans feine Stube zu nehmen, was sogleich mit würdevollem Ernste von Seiten des Hofmeisters ausgeführt ward. (Zweite Abtheilung und Schluß im nächsten Heste.) GmiMe». et. 18/.7. t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/25>, abgerufen am 01.07.2024.