Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.nach Endreimen improvisiren." -- "Ach ja, und Sie müssen das erste Im¬ Ich reichte das Papier Marien hin, sie erröthete und sah mich be¬ Bin ich Schuld an dem gebrochnen Leben, Warum sollt' ich beben? Was hat ihn getrieben Mich zu lieben! Ich ließ ihn nicht hoffen, Und daß er nichts zu hoffen, ,age' ich offen. Ich raubte ihr das Papier, als ich es gelesen, die Mama wollte aber er¬ nach Endreimen improvisiren." — „Ach ja, und Sie müssen das erste Im¬ Ich reichte das Papier Marien hin, sie erröthete und sah mich be¬ Bin ich Schuld an dem gebrochnen Leben, Warum sollt' ich beben? Was hat ihn getrieben Mich zu lieben! Ich ließ ihn nicht hoffen, Und daß er nichts zu hoffen, ,age' ich offen. Ich raubte ihr das Papier, als ich es gelesen, die Mama wollte aber er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272111"/> <p xml:id="ID_784" prev="#ID_783"> nach Endreimen improvisiren." — „Ach ja, und Sie müssen das erste Im¬<lb/> promptu machen," ruft Maria, die an meiner Seite sitzt, mir lachend ent¬<lb/> gegen. Und sie schreibt mit ihrer kleinen weißen Hand die Pensivnatörcime:<lb/> Leben, Beben — Triebe, Liebe — Hoffen, offen.....- Glück, zurück — .Krone,<lb/> Hohne — verloren, geboren — treiben, bleiben. — Die schone Schlange, nnn<lb/> hatte ich sie gefangen! Den ganzen Abend war sie mir unter den Händen<lb/> entwischt und hatte nichts von Lionel hören wollen, nun sollte sie mir doch<lb/> Rede stehen. Was macht man nicht mit zwölf Neunen, wenn es auch Pen¬<lb/> sionatsreime sind? Vor der Hand ein Impromptu wie das folgende:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_785"> Ich reichte das Papier Marien hin, sie erröthete und sah mich be¬<lb/> stürzt an. „Nun müssen Sie auch improvisiren," rief ich, und eine Ant-,<lb/> wort darauf. — „Es wird nicht gehen." „Genuß es wird, Sie nehmen<lb/> die halben Reime." Mit zögernden Finger schrieb sie:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> Bin ich Schuld an dem gebrochnen Leben,<lb/> Warum sollt' ich beben?<lb/> Was hat ihn getrieben<lb/> Mich zu lieben!<lb/> Ich ließ ihn nicht hoffen,<lb/> Und daß er nichts zu hoffen, ,age' ich offen.<lb/></l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_786" next="#ID_787"> Ich raubte ihr das Papier, als ich es gelesen, die Mama wollte aber er¬<lb/> fahren, was es enthalte, und ich las ihr das wunderlichste Zeug vor, ohne<lb/> daß Maria widersprach. Indeß es schlug zehn Uhr. Man erhob sich und ich<lb/> nahm Abschied. Man hatte mir gesagt, daß der Eilwagen schon an elf Uhr<lb/> am Keller vorüberfahre, dem bekannten Chauseewirthshause, und so mußte<lb/> ich eilen. Der Keller ist offen, sagte die Baronin, die Gäste bleiben sehr<lb/> lange dort. — Eine traurige Expedition das! Statt jeden anderen Resul¬<lb/> tates hatte ich nichts, als einen häßlichen Zettel Papier bekommen. Freilich<lb/> standen Reime darauf, aber was für welche! Von Rhythmus keine Spur und<lb/> nnn der Inhalt! Den Freund beklagend ging ich in Gedanken im Regen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
nach Endreimen improvisiren." — „Ach ja, und Sie müssen das erste Im¬
promptu machen," ruft Maria, die an meiner Seite sitzt, mir lachend ent¬
gegen. Und sie schreibt mit ihrer kleinen weißen Hand die Pensivnatörcime:
Leben, Beben — Triebe, Liebe — Hoffen, offen.....- Glück, zurück — .Krone,
Hohne — verloren, geboren — treiben, bleiben. — Die schone Schlange, nnn
hatte ich sie gefangen! Den ganzen Abend war sie mir unter den Händen
entwischt und hatte nichts von Lionel hören wollen, nun sollte sie mir doch
Rede stehen. Was macht man nicht mit zwölf Neunen, wenn es auch Pen¬
sionatsreime sind? Vor der Hand ein Impromptu wie das folgende:
Ich reichte das Papier Marien hin, sie erröthete und sah mich be¬
stürzt an. „Nun müssen Sie auch improvisiren," rief ich, und eine Ant-,
wort darauf. — „Es wird nicht gehen." „Genuß es wird, Sie nehmen
die halben Reime." Mit zögernden Finger schrieb sie:
Bin ich Schuld an dem gebrochnen Leben,
Warum sollt' ich beben?
Was hat ihn getrieben
Mich zu lieben!
Ich ließ ihn nicht hoffen,
Und daß er nichts zu hoffen, ,age' ich offen.
Ich raubte ihr das Papier, als ich es gelesen, die Mama wollte aber er¬
fahren, was es enthalte, und ich las ihr das wunderlichste Zeug vor, ohne
daß Maria widersprach. Indeß es schlug zehn Uhr. Man erhob sich und ich
nahm Abschied. Man hatte mir gesagt, daß der Eilwagen schon an elf Uhr
am Keller vorüberfahre, dem bekannten Chauseewirthshause, und so mußte
ich eilen. Der Keller ist offen, sagte die Baronin, die Gäste bleiben sehr
lange dort. — Eine traurige Expedition das! Statt jeden anderen Resul¬
tates hatte ich nichts, als einen häßlichen Zettel Papier bekommen. Freilich
standen Reime darauf, aber was für welche! Von Rhythmus keine Spur und
nnn der Inhalt! Den Freund beklagend ging ich in Gedanken im Regen
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