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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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weiter, tappte durch den Park, durch die Felder und kam endlich an den
Keller. Er war geschlossen, Pochen und Rufen hals nichts. Indeß ward
der Regen heftiger, der Wind blies kalt daher und ich stand frierend da.
Zum Glücke machte ich in der Dunkelheit einen Pavillon ausfindig. Schon
glaub' ich mich geborgen, da sah ich, daß auch bei diesem Fenster und Thü¬
ren verschlossen siud. Ich zerschlage die Jalousien und steige durch's Fenster
herein. Wo ich vor Jahren einst unterm Laubdach bei einer Kanne Bieres
an einem hellen Sommerabende saß, He ich jetzt fröstelnd vom Regen durch¬
näßt und starre mir in der Finsterniß die Augen nach dem Eilwagen aus.
Fernes Rollen -- er ist's! nein, es ist ein Karren. Da schlägt es vom
Schlosse zwölf herab. Neues Räderknarren! Neue Täuschung! Wie eine
kalte Hand legte sich endlich Frost und Nässe mir über's Herz und ich schlafe
ein. Ein Rollen und Poltern weckte mich auf. Da sah ich den Keller offen
und Menschen beschäftigt, Fässer hineinznrollen. Ich springe zum Fenster
hinaus und frage: "Wann wird denn der Salzburger Wagen hier vorüber-
kommen?" Der Angeredete begann zu lachen, "Seppel," rief er, "der Herr
wartet auf den Salzburger Eilwagen." -- Seppel stimmte mit in's Geläch¬
ter. "Zum Teufel! was lacht ihr Leute?" ruf' ich. "Wir lachen," erwie¬
dern sie, "weil der Salzburger Eilwagen um elf vorüber kömmt und jetzt
ist's halb vier Uhr." Ich war in Verzweiflung. Ich mußte den Wagen ver¬
schlafen haben! Sollte ich wieder zurück durch's Feuster steigen oder zu Fuß
durch Stande und Koth nach Salzburg zurückkehren? Wie ich's mir über¬
lege, brausen zwei Wagen mit Laternen durch die Dunkelheit. Ich springe
zur Seite. Es ist der erwartete Eilwagen. Er hat sich verspätet, aber da
ist er! Eine Stimme ans dem Interieur ruft Halt! Es ist die Lionel's.
Und indeß er beim Scheine der Wagenlaternen mit zitternder Stimme das
Blatt Papier liest, das ich ihm gerettet, trägt mich der Wagen mit leichtem
Herzen ans Oesterreich fort, in's Land Tyrol.




GrwMe". II. """7.37

weiter, tappte durch den Park, durch die Felder und kam endlich an den
Keller. Er war geschlossen, Pochen und Rufen hals nichts. Indeß ward
der Regen heftiger, der Wind blies kalt daher und ich stand frierend da.
Zum Glücke machte ich in der Dunkelheit einen Pavillon ausfindig. Schon
glaub' ich mich geborgen, da sah ich, daß auch bei diesem Fenster und Thü¬
ren verschlossen siud. Ich zerschlage die Jalousien und steige durch's Fenster
herein. Wo ich vor Jahren einst unterm Laubdach bei einer Kanne Bieres
an einem hellen Sommerabende saß, He ich jetzt fröstelnd vom Regen durch¬
näßt und starre mir in der Finsterniß die Augen nach dem Eilwagen aus.
Fernes Rollen — er ist's! nein, es ist ein Karren. Da schlägt es vom
Schlosse zwölf herab. Neues Räderknarren! Neue Täuschung! Wie eine
kalte Hand legte sich endlich Frost und Nässe mir über's Herz und ich schlafe
ein. Ein Rollen und Poltern weckte mich auf. Da sah ich den Keller offen
und Menschen beschäftigt, Fässer hineinznrollen. Ich springe zum Fenster
hinaus und frage: „Wann wird denn der Salzburger Wagen hier vorüber-
kommen?" Der Angeredete begann zu lachen, „Seppel," rief er, „der Herr
wartet auf den Salzburger Eilwagen." — Seppel stimmte mit in's Geläch¬
ter. „Zum Teufel! was lacht ihr Leute?" ruf' ich. „Wir lachen," erwie¬
dern sie, „weil der Salzburger Eilwagen um elf vorüber kömmt und jetzt
ist's halb vier Uhr." Ich war in Verzweiflung. Ich mußte den Wagen ver¬
schlafen haben! Sollte ich wieder zurück durch's Feuster steigen oder zu Fuß
durch Stande und Koth nach Salzburg zurückkehren? Wie ich's mir über¬
lege, brausen zwei Wagen mit Laternen durch die Dunkelheit. Ich springe
zur Seite. Es ist der erwartete Eilwagen. Er hat sich verspätet, aber da
ist er! Eine Stimme ans dem Interieur ruft Halt! Es ist die Lionel's.
Und indeß er beim Scheine der Wagenlaternen mit zitternder Stimme das
Blatt Papier liest, das ich ihm gerettet, trägt mich der Wagen mit leichtem
Herzen ans Oesterreich fort, in's Land Tyrol.




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[0213] weiter, tappte durch den Park, durch die Felder und kam endlich an den Keller. Er war geschlossen, Pochen und Rufen hals nichts. Indeß ward der Regen heftiger, der Wind blies kalt daher und ich stand frierend da. Zum Glücke machte ich in der Dunkelheit einen Pavillon ausfindig. Schon glaub' ich mich geborgen, da sah ich, daß auch bei diesem Fenster und Thü¬ ren verschlossen siud. Ich zerschlage die Jalousien und steige durch's Fenster herein. Wo ich vor Jahren einst unterm Laubdach bei einer Kanne Bieres an einem hellen Sommerabende saß, He ich jetzt fröstelnd vom Regen durch¬ näßt und starre mir in der Finsterniß die Augen nach dem Eilwagen aus. Fernes Rollen — er ist's! nein, es ist ein Karren. Da schlägt es vom Schlosse zwölf herab. Neues Räderknarren! Neue Täuschung! Wie eine kalte Hand legte sich endlich Frost und Nässe mir über's Herz und ich schlafe ein. Ein Rollen und Poltern weckte mich auf. Da sah ich den Keller offen und Menschen beschäftigt, Fässer hineinznrollen. Ich springe zum Fenster hinaus und frage: „Wann wird denn der Salzburger Wagen hier vorüber- kommen?" Der Angeredete begann zu lachen, „Seppel," rief er, „der Herr wartet auf den Salzburger Eilwagen." — Seppel stimmte mit in's Geläch¬ ter. „Zum Teufel! was lacht ihr Leute?" ruf' ich. „Wir lachen," erwie¬ dern sie, „weil der Salzburger Eilwagen um elf vorüber kömmt und jetzt ist's halb vier Uhr." Ich war in Verzweiflung. Ich mußte den Wagen ver¬ schlafen haben! Sollte ich wieder zurück durch's Feuster steigen oder zu Fuß durch Stande und Koth nach Salzburg zurückkehren? Wie ich's mir über¬ lege, brausen zwei Wagen mit Laternen durch die Dunkelheit. Ich springe zur Seite. Es ist der erwartete Eilwagen. Er hat sich verspätet, aber da ist er! Eine Stimme ans dem Interieur ruft Halt! Es ist die Lionel's. Und indeß er beim Scheine der Wagenlaternen mit zitternder Stimme das Blatt Papier liest, das ich ihm gerettet, trägt mich der Wagen mit leichtem Herzen ans Oesterreich fort, in's Land Tyrol. GrwMe». II. »«»7.37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/213>, abgerufen am 01.07.2024.