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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Kurz, es herrscht eine Verwirrung, die alle Grenzen des Glaublichen über¬
steigt. Wird jene Protestation dem Marschall wirklich überreicht, so fällt sie natür¬
lich schmählich durch. Es ist dann eine nicht nur unnütze, sondern auch nach-
theilige Demonstration, denn sie gibt der conservativen Partei das Gefühl ihrer
Stärke, und stört das Vertrauen zwischen Regierung und Stände, was jetzt das
einzige Medium des Fortschrittes sein kaun.

Die Frage, ob das Jahr 1847 ein Wendepunkt in der constitutionellen
Entwickelung Preußens sein wird ^), ist unentschieden. Was weiter vorgeht, ist
wohl noch von Interesse, aber nicht mehr von historischer Bedeutung. Ich
schließe daher mein Tagebuch. Nachrichten werden Sie noch weiter erhalten, von
Jemand, der Ihnen über das Einzelne bessere Auskunft geben kann, als ich.


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VI.
Aus Wien.
>.

Die Freihandelspolitiker. - Unglücklicher Kampf. -- Zolltarif und Zollverfassung. --
Was Oesterreich Noth thut.

Eine ganz eigenthümliche Episode unserer Prcßzustäude bietet die im Journal
des Triester Lloyd sich fortspiuueudc Polemik über die Aenderung unserer Zoll-
Verhältnisse. Die Bcamtcnpartci, den hiesigen ZvllamtSdircktor De Hock an der
Spitze, versieht das Prinzip des freien Handels, nicht ohne glückliche Dialektik,
wenn anch ohne alle neuen Ideen, stets ans die Aussprüche der gloriosen Namen
Adam Smith's, Say's, Blanqui's n. A. fußend, wohlweislich aber jene Grund-
bedingungen verschweigend, welche jene, wie überhaupt alle redlichen Forscher im
Gebiete der Nationalökonomie sür die Handelsfreiheit voraussetzten, die überall
nur als eine Tochter der politischen Freiheit geboren werden kann. Es ist in
der That komisch und traurig zugleich, zu sehen, wie von Seiten der Fäbrikan-
tenpartei in allen möglichen Wendungen und Satzverrcnkungen versucht wird, den
Angreifern den Zusammenhang der Handels- mit der politischen Freiheit be¬
greiflich zu macheu, und wie dies doch gar nicht gelingen will, weil sie die
der Eensur mundgerechter Worte sür ihre Gedanken nicht finden können.
Wir können diesen Kampf als einen ehrlichen nicht erkennen, wo Wind und
Licht so ungleich vertheilt, wo die eine Partei mit einer bei uns nagelneuen
Klinge drein fährt, deren Glanz und Schimmer den Zuschauer blendet und mit¬
unter verblüfft, während die Angegriffenen nnr mit einem von der Scheide um¬
hüllten Schwerte sich vertheidigen können, das sie nicht entblößen dürfen, weil
seine Schärfe verwunden könnte. -- Kein Zweifel, unser Zolltarif hat große
Mängel und bedarf einer Aenderung; aber ist denn unsere ganze Zoll Verfas¬
sung, von der der Tarif doch nur ein Theil, nicht noch viel mangelhafter?
und warum also nur immer den einen Theil und nicht das ganze Zvllweseii



Die Red.
In der Entwicklung sicherlich, wenn auch noch nicht in der Feststellung. (!)

Kurz, es herrscht eine Verwirrung, die alle Grenzen des Glaublichen über¬
steigt. Wird jene Protestation dem Marschall wirklich überreicht, so fällt sie natür¬
lich schmählich durch. Es ist dann eine nicht nur unnütze, sondern auch nach-
theilige Demonstration, denn sie gibt der conservativen Partei das Gefühl ihrer
Stärke, und stört das Vertrauen zwischen Regierung und Stände, was jetzt das
einzige Medium des Fortschrittes sein kaun.

Die Frage, ob das Jahr 1847 ein Wendepunkt in der constitutionellen
Entwickelung Preußens sein wird ^), ist unentschieden. Was weiter vorgeht, ist
wohl noch von Interesse, aber nicht mehr von historischer Bedeutung. Ich
schließe daher mein Tagebuch. Nachrichten werden Sie noch weiter erhalten, von
Jemand, der Ihnen über das Einzelne bessere Auskunft geben kann, als ich.


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VI.
Aus Wien.
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Die Freihandelspolitiker. - Unglücklicher Kampf. — Zolltarif und Zollverfassung. —
Was Oesterreich Noth thut.

Eine ganz eigenthümliche Episode unserer Prcßzustäude bietet die im Journal
des Triester Lloyd sich fortspiuueudc Polemik über die Aenderung unserer Zoll-
Verhältnisse. Die Bcamtcnpartci, den hiesigen ZvllamtSdircktor De Hock an der
Spitze, versieht das Prinzip des freien Handels, nicht ohne glückliche Dialektik,
wenn anch ohne alle neuen Ideen, stets ans die Aussprüche der gloriosen Namen
Adam Smith's, Say's, Blanqui's n. A. fußend, wohlweislich aber jene Grund-
bedingungen verschweigend, welche jene, wie überhaupt alle redlichen Forscher im
Gebiete der Nationalökonomie sür die Handelsfreiheit voraussetzten, die überall
nur als eine Tochter der politischen Freiheit geboren werden kann. Es ist in
der That komisch und traurig zugleich, zu sehen, wie von Seiten der Fäbrikan-
tenpartei in allen möglichen Wendungen und Satzverrcnkungen versucht wird, den
Angreifern den Zusammenhang der Handels- mit der politischen Freiheit be¬
greiflich zu macheu, und wie dies doch gar nicht gelingen will, weil sie die
der Eensur mundgerechter Worte sür ihre Gedanken nicht finden können.
Wir können diesen Kampf als einen ehrlichen nicht erkennen, wo Wind und
Licht so ungleich vertheilt, wo die eine Partei mit einer bei uns nagelneuen
Klinge drein fährt, deren Glanz und Schimmer den Zuschauer blendet und mit¬
unter verblüfft, während die Angegriffenen nnr mit einem von der Scheide um¬
hüllten Schwerte sich vertheidigen können, das sie nicht entblößen dürfen, weil
seine Schärfe verwunden könnte. — Kein Zweifel, unser Zolltarif hat große
Mängel und bedarf einer Aenderung; aber ist denn unsere ganze Zoll Verfas¬
sung, von der der Tarif doch nur ein Theil, nicht noch viel mangelhafter?
und warum also nur immer den einen Theil und nicht das ganze Zvllweseii



Die Red.
In der Entwicklung sicherlich, wenn auch noch nicht in der Feststellung. (!)
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[0188] Kurz, es herrscht eine Verwirrung, die alle Grenzen des Glaublichen über¬ steigt. Wird jene Protestation dem Marschall wirklich überreicht, so fällt sie natür¬ lich schmählich durch. Es ist dann eine nicht nur unnütze, sondern auch nach- theilige Demonstration, denn sie gibt der conservativen Partei das Gefühl ihrer Stärke, und stört das Vertrauen zwischen Regierung und Stände, was jetzt das einzige Medium des Fortschrittes sein kaun. Die Frage, ob das Jahr 1847 ein Wendepunkt in der constitutionellen Entwickelung Preußens sein wird ^), ist unentschieden. Was weiter vorgeht, ist wohl noch von Interesse, aber nicht mehr von historischer Bedeutung. Ich schließe daher mein Tagebuch. Nachrichten werden Sie noch weiter erhalten, von Jemand, der Ihnen über das Einzelne bessere Auskunft geben kann, als ich. 1- 1- VI. Aus Wien. >. Die Freihandelspolitiker. - Unglücklicher Kampf. — Zolltarif und Zollverfassung. — Was Oesterreich Noth thut. Eine ganz eigenthümliche Episode unserer Prcßzustäude bietet die im Journal des Triester Lloyd sich fortspiuueudc Polemik über die Aenderung unserer Zoll- Verhältnisse. Die Bcamtcnpartci, den hiesigen ZvllamtSdircktor De Hock an der Spitze, versieht das Prinzip des freien Handels, nicht ohne glückliche Dialektik, wenn anch ohne alle neuen Ideen, stets ans die Aussprüche der gloriosen Namen Adam Smith's, Say's, Blanqui's n. A. fußend, wohlweislich aber jene Grund- bedingungen verschweigend, welche jene, wie überhaupt alle redlichen Forscher im Gebiete der Nationalökonomie sür die Handelsfreiheit voraussetzten, die überall nur als eine Tochter der politischen Freiheit geboren werden kann. Es ist in der That komisch und traurig zugleich, zu sehen, wie von Seiten der Fäbrikan- tenpartei in allen möglichen Wendungen und Satzverrcnkungen versucht wird, den Angreifern den Zusammenhang der Handels- mit der politischen Freiheit be¬ greiflich zu macheu, und wie dies doch gar nicht gelingen will, weil sie die der Eensur mundgerechter Worte sür ihre Gedanken nicht finden können. Wir können diesen Kampf als einen ehrlichen nicht erkennen, wo Wind und Licht so ungleich vertheilt, wo die eine Partei mit einer bei uns nagelneuen Klinge drein fährt, deren Glanz und Schimmer den Zuschauer blendet und mit¬ unter verblüfft, während die Angegriffenen nnr mit einem von der Scheide um¬ hüllten Schwerte sich vertheidigen können, das sie nicht entblößen dürfen, weil seine Schärfe verwunden könnte. — Kein Zweifel, unser Zolltarif hat große Mängel und bedarf einer Aenderung; aber ist denn unsere ganze Zoll Verfas¬ sung, von der der Tarif doch nur ein Theil, nicht noch viel mangelhafter? und warum also nur immer den einen Theil und nicht das ganze Zvllweseii Die Red. In der Entwicklung sicherlich, wenn auch noch nicht in der Feststellung. (!)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/188>, abgerufen am 29.06.2024.