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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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i.
Aus Paris.

Die Beamten in der Kammer. -- Deutsche und französische Beamtenstellung. -- Die
jungen Konservative". -- Guizot.

Endlich haben unsere Zustände eine Spanne Fortschritt gemacht. In der
gestrigen Sitzung nahmen die Conservations-Progrcssistcn, nachdem sie eine Zeit¬
lang geschwankt, zuletzt eine feste Stellung ein, und traten der Regierung offen
gegenüber. Die Frage, um die es sich handelte, hat ihre grundsätzliche Bedeu¬
tung. Ein Drittheil der Deputirten in der Kammer sind Beamten, und die
unendliche Mehrzahl derselben stimmt sür jede Regierung, welchen Grundsätzen
diese auch folgen mag. Im Allgemeinen ist die Stellung eines absetzbaren Be¬
amten in einem Parlamente eine unnatürliche. Doch liegt diese Unnatur mehr
darin, daß der Beamte absetzbar ist nach der Laune der Regierung, als daß er
als Beamter berufen wurde, die Interessen des Volkes in einem Parlamente zu
vertreten. Diese Wahrheit hat sich ganz besonders in den deutschen Kammern
sehr offenbar bewährt. In sehr vielen deutschen constitutionellen Ländern ist
es die Regierung, die ihren Beamten den Zutritt zu den Kammern ver¬
sagen zu müssen glaubt, und zwar in der Regel, weil sie bei ihnen mehr
festen Willen, und auch mehr Unabhängigkeit voraussetzt, als bei den Volksver¬
tretern, die nicht Beamten sind. Die feste Stellung der Beamten, die geregelte,
geordnete Hierarchie des Bcamtcnwcsens in Deutschland ist die Ursache, daß die
Beamten sehr oft die tapfersten Vertheidiger der Volksintrcsscn wurden; während
die Art, wie sie in Frankreich -- mit Ausnahme der Richter und Gnichts-
beamtcn -- der Laune des Ministers anheimgefallen sind, sie zu den dienstbarsten
Geistern aller herrschenden Regierungen machen.

Dennoch gibt es anch eine Menge Beamten, deren Gegenwart in ihrem
Amte unerläßlich ist, -- und bei diesen versteht es sich also von selbst, daß sie
nicht in dem Parlamente sitzen können. Wo aber die Beamten selbst unabhängig
gestellt und durch ihre Gegenwart in einer Kammer ihre Pflicht als Beamten
nicht zu vernachlässigen gezwungen sind, ist es eher ein Vortheil als ein Nach-


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i.
Aus Paris.

Die Beamten in der Kammer. — Deutsche und französische Beamtenstellung. — Die
jungen Konservative». — Guizot.

Endlich haben unsere Zustände eine Spanne Fortschritt gemacht. In der
gestrigen Sitzung nahmen die Conservations-Progrcssistcn, nachdem sie eine Zeit¬
lang geschwankt, zuletzt eine feste Stellung ein, und traten der Regierung offen
gegenüber. Die Frage, um die es sich handelte, hat ihre grundsätzliche Bedeu¬
tung. Ein Drittheil der Deputirten in der Kammer sind Beamten, und die
unendliche Mehrzahl derselben stimmt sür jede Regierung, welchen Grundsätzen
diese auch folgen mag. Im Allgemeinen ist die Stellung eines absetzbaren Be¬
amten in einem Parlamente eine unnatürliche. Doch liegt diese Unnatur mehr
darin, daß der Beamte absetzbar ist nach der Laune der Regierung, als daß er
als Beamter berufen wurde, die Interessen des Volkes in einem Parlamente zu
vertreten. Diese Wahrheit hat sich ganz besonders in den deutschen Kammern
sehr offenbar bewährt. In sehr vielen deutschen constitutionellen Ländern ist
es die Regierung, die ihren Beamten den Zutritt zu den Kammern ver¬
sagen zu müssen glaubt, und zwar in der Regel, weil sie bei ihnen mehr
festen Willen, und auch mehr Unabhängigkeit voraussetzt, als bei den Volksver¬
tretern, die nicht Beamten sind. Die feste Stellung der Beamten, die geregelte,
geordnete Hierarchie des Bcamtcnwcsens in Deutschland ist die Ursache, daß die
Beamten sehr oft die tapfersten Vertheidiger der Volksintrcsscn wurden; während
die Art, wie sie in Frankreich -- mit Ausnahme der Richter und Gnichts-
beamtcn — der Laune des Ministers anheimgefallen sind, sie zu den dienstbarsten
Geistern aller herrschenden Regierungen machen.

Dennoch gibt es anch eine Menge Beamten, deren Gegenwart in ihrem
Amte unerläßlich ist, -- und bei diesen versteht es sich also von selbst, daß sie
nicht in dem Parlamente sitzen können. Wo aber die Beamten selbst unabhängig
gestellt und durch ihre Gegenwart in einer Kammer ihre Pflicht als Beamten
nicht zu vernachlässigen gezwungen sind, ist es eher ein Vortheil als ein Nach-


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[0177] T a g e b u et>. i. Aus Paris. Die Beamten in der Kammer. — Deutsche und französische Beamtenstellung. — Die jungen Konservative». — Guizot. Endlich haben unsere Zustände eine Spanne Fortschritt gemacht. In der gestrigen Sitzung nahmen die Conservations-Progrcssistcn, nachdem sie eine Zeit¬ lang geschwankt, zuletzt eine feste Stellung ein, und traten der Regierung offen gegenüber. Die Frage, um die es sich handelte, hat ihre grundsätzliche Bedeu¬ tung. Ein Drittheil der Deputirten in der Kammer sind Beamten, und die unendliche Mehrzahl derselben stimmt sür jede Regierung, welchen Grundsätzen diese auch folgen mag. Im Allgemeinen ist die Stellung eines absetzbaren Be¬ amten in einem Parlamente eine unnatürliche. Doch liegt diese Unnatur mehr darin, daß der Beamte absetzbar ist nach der Laune der Regierung, als daß er als Beamter berufen wurde, die Interessen des Volkes in einem Parlamente zu vertreten. Diese Wahrheit hat sich ganz besonders in den deutschen Kammern sehr offenbar bewährt. In sehr vielen deutschen constitutionellen Ländern ist es die Regierung, die ihren Beamten den Zutritt zu den Kammern ver¬ sagen zu müssen glaubt, und zwar in der Regel, weil sie bei ihnen mehr festen Willen, und auch mehr Unabhängigkeit voraussetzt, als bei den Volksver¬ tretern, die nicht Beamten sind. Die feste Stellung der Beamten, die geregelte, geordnete Hierarchie des Bcamtcnwcsens in Deutschland ist die Ursache, daß die Beamten sehr oft die tapfersten Vertheidiger der Volksintrcsscn wurden; während die Art, wie sie in Frankreich -- mit Ausnahme der Richter und Gnichts- beamtcn — der Laune des Ministers anheimgefallen sind, sie zu den dienstbarsten Geistern aller herrschenden Regierungen machen. Dennoch gibt es anch eine Menge Beamten, deren Gegenwart in ihrem Amte unerläßlich ist, -- und bei diesen versteht es sich also von selbst, daß sie nicht in dem Parlamente sitzen können. Wo aber die Beamten selbst unabhängig gestellt und durch ihre Gegenwart in einer Kammer ihre Pflicht als Beamten nicht zu vernachlässigen gezwungen sind, ist es eher ein Vortheil als ein Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/177>, abgerufen am 22.07.2024.