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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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langen , das; er wieder daran anknüpfe. Die Traditionen Oesterreichs aber
liegen innerhalb der deutschen Marken, die Ehre Oesterreichs liegt in der
Josephinischen Zeit, wo es trotz dem Genie Friedrichs II. an Aufklärung,
an Neformkraft alle übrigen Staaten Deutschlands voranzugehen bemüht war.
An diese echt deutsche Zeit knüpfe mau an. Die Regierungspolitik des Kaisers
Franz war eine Episode, die vielleicht bedingt durch die Stürme jener
Zeit, gewiß aber zu lange über die Nothwendigkeit, ja über alle Regeln der
Klugheit hinaus festgehalten wurde. Die Politik des Kaisers Franz hat von
seinem großen langbekriegten Gegner vieles angenommen, sie hat die napo-
leonischen Prinzipien unwillkürlich -- und zwar nicht die bewundernswürdigen--
aufgenommen, sie hat den Volksgeist zu erdrücken gesucht, wie er, der es in Fon-
tainebleau beweinte, sie hat den Zusammenhang eines großen Reiches, wie er, blos
in einem äußern Reif der Macht und der Verwaltungsnniformität gesehen. Aber
alle Reiche'ringsumher haben mittlerweile dieses napoleonische Prinzip ge¬
ändert! In Frankreich, in Preußen u. s. w. ist man zur Erkenntniß gelangt,
daß die wahre Kraft eines Staates und seiner Negierung, in der Belebung
der Innerlichkeit, der geistigen Hebel und des Nationalbewußtseins ihr
Centrum habe. Dies ist das Losungswort der' neuern Politik. Hierin' un¬
terscheiden sich die Männer der neuen und der alten Schule. Diesen Weg
muß die österreichische Verwaltung einschlagen, wenn sie nicht einsam auf
der Sandbank, auf die sie sich verrannt, stranden will. Schafft ein mo¬
ralisches Oesterreich, ein Oesterreich, das uicht mit Beschämung auf die
Depravation seines Beamtenstandes sehen muß, ein Oesterreich, das nicht
als ein Schulknabe an dem Tische der deutscheu Bildung sitzt, ein Oester¬
reich, daß sich nicht abschließen muß vor dem Geist Europa's wie vor sei¬
ner ersinduugs- weil bildungsrcichereu Industrie, schafft ein lichtes Oester¬
reich, das einst, wie der it. April in Preußen, die Stände aller seiner
Provinzen zu freiem Wort und freier Berathung um den Thron versammeln
kann, ohne Umwälzuugs- und Separativusgelüste fürchten zu müssen.




langen , das; er wieder daran anknüpfe. Die Traditionen Oesterreichs aber
liegen innerhalb der deutschen Marken, die Ehre Oesterreichs liegt in der
Josephinischen Zeit, wo es trotz dem Genie Friedrichs II. an Aufklärung,
an Neformkraft alle übrigen Staaten Deutschlands voranzugehen bemüht war.
An diese echt deutsche Zeit knüpfe mau an. Die Regierungspolitik des Kaisers
Franz war eine Episode, die vielleicht bedingt durch die Stürme jener
Zeit, gewiß aber zu lange über die Nothwendigkeit, ja über alle Regeln der
Klugheit hinaus festgehalten wurde. Die Politik des Kaisers Franz hat von
seinem großen langbekriegten Gegner vieles angenommen, sie hat die napo-
leonischen Prinzipien unwillkürlich — und zwar nicht die bewundernswürdigen—
aufgenommen, sie hat den Volksgeist zu erdrücken gesucht, wie er, der es in Fon-
tainebleau beweinte, sie hat den Zusammenhang eines großen Reiches, wie er, blos
in einem äußern Reif der Macht und der Verwaltungsnniformität gesehen. Aber
alle Reiche'ringsumher haben mittlerweile dieses napoleonische Prinzip ge¬
ändert! In Frankreich, in Preußen u. s. w. ist man zur Erkenntniß gelangt,
daß die wahre Kraft eines Staates und seiner Negierung, in der Belebung
der Innerlichkeit, der geistigen Hebel und des Nationalbewußtseins ihr
Centrum habe. Dies ist das Losungswort der' neuern Politik. Hierin' un¬
terscheiden sich die Männer der neuen und der alten Schule. Diesen Weg
muß die österreichische Verwaltung einschlagen, wenn sie nicht einsam auf
der Sandbank, auf die sie sich verrannt, stranden will. Schafft ein mo¬
ralisches Oesterreich, ein Oesterreich, das uicht mit Beschämung auf die
Depravation seines Beamtenstandes sehen muß, ein Oesterreich, das nicht
als ein Schulknabe an dem Tische der deutscheu Bildung sitzt, ein Oester¬
reich, daß sich nicht abschließen muß vor dem Geist Europa's wie vor sei¬
ner ersinduugs- weil bildungsrcichereu Industrie, schafft ein lichtes Oester¬
reich, das einst, wie der it. April in Preußen, die Stände aller seiner
Provinzen zu freiem Wort und freier Berathung um den Thron versammeln
kann, ohne Umwälzuugs- und Separativusgelüste fürchten zu müssen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/176>, abgerufen am 22.07.2024.