Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.theil geschästsersahrcne, unterrichtete, und nicht durch Privatinteressen oder Stan¬ In Frankreich aber ist die Behauptung, daß zu viel Beamten in der Kam¬ Nur ein kleiner Theil der Kammer, die äußerste Linke und wohl anch die Und ich fürchte er hat den Zauber verloren. Die gestrige Sitzung hat theil geschästsersahrcne, unterrichtete, und nicht durch Privatinteressen oder Stan¬ In Frankreich aber ist die Behauptung, daß zu viel Beamten in der Kam¬ Nur ein kleiner Theil der Kammer, die äußerste Linke und wohl anch die Und ich fürchte er hat den Zauber verloren. Die gestrige Sitzung hat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272077"/> <p xml:id="ID_684" prev="#ID_683"> theil geschästsersahrcne, unterrichtete, und nicht durch Privatinteressen oder Stan¬<lb/> desvortheile bestimmte Leute im Parlamente zu sehen; wenn diese Ansicht auch<lb/> gegen den altherkömmlichen, aber deswegen nicht weniger oft unhaltbaren, Grund¬<lb/> satz der Theilung der Gewalten anstoßen mag.</p><lb/> <p xml:id="ID_685"> In Frankreich aber ist die Behauptung, daß zu viel Beamten in der Kam¬<lb/> mer find, eine von den Schlachtrossen, auf das sich eine Opposition nach der<lb/> andern setzt, nud gegen das ein Ministerium nach dein Andern ankämpfen zu<lb/> müssen glaubt. Die gestrige Verhandlung hat anch dafür Belege geliefert. Herr<lb/> Thiers, der in allen diesen Fragen das Für und Wider zu seiner Fahne ge¬<lb/> macht hat, je nachdem er Minister war oder nicht, blieb zwar in seinem Zelte,<lb/> so lange der Sturm dauerte, aber trat hervor als er beendigt war, und stürmte<lb/> dann als Oppositionsführer gegen das Ministerium. Herr v. Remusat, der Vor¬<lb/> kämpfer des Oppositionsantragcs hatte früher, als seine Freunde Minister waren,<lb/> gegen ihn gestimmt, und viele Andere sind in derselben Lage.</p><lb/> <p xml:id="ID_686"> Nur ein kleiner Theil der Kammer, die äußerste Linke und wohl anch die<lb/> Mehrzahl der jungen Conservativen betrieben die Sache mit Ernst. Es gibt<lb/> unter diesen Letzten sehr viele, die allem Anscheine nach überhaupt mehr als<lb/> die meisten ältern Mitglieder in der Kammer an ihre eignen Grundsätze glauben,<lb/> ihre Ansichten selbst theilen und sür etwas Besseres, als ein Mittel die Regie¬<lb/> rung zu stürzen halten. Man mag mit dieser jungen Partei einverstanden sein<lb/> oder nicht, man wird schwer leugnen können, daß sie gewiß zu den ehrbarsten<lb/> gehört, die die Kammer besitzt. Ich bin einfältig genug, grade deswegen zu<lb/> glauben, daß sie dazu berufen ist, dereinst und vielleicht bald in Frankreich eine<lb/> nicht unbedeutende Rolle zu spielen. Selbstvertrauen erweckt Vertrauen, Ueber-<lb/> zeugung ruft Ueberzeugung hervor. Mir scheint es, daß grade hierin die Ursache<lb/> liegt, warum Herr Guizot insbesondere so lange an der Spitze der öffentlichen<lb/> Verhältnisse stand. Er besaß Selbstvertrauen, wie kein Zweiter, und hatte auch<lb/> meist eine festere Ueberzeugung als alle seine Gehülfen und Gegner. Jenes trieb<lb/> ihn oft weiter als klug war. Er trat nicht selten seinen Anhängern, wenn sie<lb/> zu schwanken schienen, mit einem Stolze, mit einer Gcbictcrmiene entgegen, daß<lb/> seine Feinde sich über die seinem Machtwort? gehorchenden Mitglieder des Cen¬<lb/> trums, wie über gezüchtigte Schulbuben lustig machten. Aber sie hatten trotz<lb/> ihres Hohnes die Lacher uicht auf ihrer Seite. Der Stolz, der Eifer, der Ernst,<lb/> der feste Wille, die eiserne Ueberzeugung Herrn Guizots hielt dieSchaarcn seiner<lb/> Anhänger zusammen und scheuchte seine Gegner zurück. Das ist das Geheimniß<lb/> seiner Macht und seiner langen Herrschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_687" next="#ID_688"> Und ich fürchte er hat den Zauber verloren. Die gestrige Sitzung hat<lb/> diese Ansicht, die übrigens dem Beobachter wahrlich nicht erst gestern ausgestoßen<lb/> sein wird, sehr klar bestätigt. In der Verhandlung selbst hatten die Minister<lb/> ihre Portefeuille mit in die Wagschaale geworfen, und erklärt, daß sie abtreten<lb/> würden, wenn der Antrag ans vorläufige Verhandlung der schwebenden Frage<lb/> angenommen werden sollte. Die Ursache, die die Minister vorschoben, war, daß<lb/> eine Erwägung dieser Frage zu Anfang der Session das Ansehen der Kammer,<lb/> in der so viele Beamten sitzen, gefährden müsse. Es handelte sich also darum,<lb/> den Schein einer Verdächtigung gegen die Deputaten, die zugleich Beamten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0178]
theil geschästsersahrcne, unterrichtete, und nicht durch Privatinteressen oder Stan¬
desvortheile bestimmte Leute im Parlamente zu sehen; wenn diese Ansicht auch
gegen den altherkömmlichen, aber deswegen nicht weniger oft unhaltbaren, Grund¬
satz der Theilung der Gewalten anstoßen mag.
In Frankreich aber ist die Behauptung, daß zu viel Beamten in der Kam¬
mer find, eine von den Schlachtrossen, auf das sich eine Opposition nach der
andern setzt, nud gegen das ein Ministerium nach dein Andern ankämpfen zu
müssen glaubt. Die gestrige Verhandlung hat anch dafür Belege geliefert. Herr
Thiers, der in allen diesen Fragen das Für und Wider zu seiner Fahne ge¬
macht hat, je nachdem er Minister war oder nicht, blieb zwar in seinem Zelte,
so lange der Sturm dauerte, aber trat hervor als er beendigt war, und stürmte
dann als Oppositionsführer gegen das Ministerium. Herr v. Remusat, der Vor¬
kämpfer des Oppositionsantragcs hatte früher, als seine Freunde Minister waren,
gegen ihn gestimmt, und viele Andere sind in derselben Lage.
Nur ein kleiner Theil der Kammer, die äußerste Linke und wohl anch die
Mehrzahl der jungen Conservativen betrieben die Sache mit Ernst. Es gibt
unter diesen Letzten sehr viele, die allem Anscheine nach überhaupt mehr als
die meisten ältern Mitglieder in der Kammer an ihre eignen Grundsätze glauben,
ihre Ansichten selbst theilen und sür etwas Besseres, als ein Mittel die Regie¬
rung zu stürzen halten. Man mag mit dieser jungen Partei einverstanden sein
oder nicht, man wird schwer leugnen können, daß sie gewiß zu den ehrbarsten
gehört, die die Kammer besitzt. Ich bin einfältig genug, grade deswegen zu
glauben, daß sie dazu berufen ist, dereinst und vielleicht bald in Frankreich eine
nicht unbedeutende Rolle zu spielen. Selbstvertrauen erweckt Vertrauen, Ueber-
zeugung ruft Ueberzeugung hervor. Mir scheint es, daß grade hierin die Ursache
liegt, warum Herr Guizot insbesondere so lange an der Spitze der öffentlichen
Verhältnisse stand. Er besaß Selbstvertrauen, wie kein Zweiter, und hatte auch
meist eine festere Ueberzeugung als alle seine Gehülfen und Gegner. Jenes trieb
ihn oft weiter als klug war. Er trat nicht selten seinen Anhängern, wenn sie
zu schwanken schienen, mit einem Stolze, mit einer Gcbictcrmiene entgegen, daß
seine Feinde sich über die seinem Machtwort? gehorchenden Mitglieder des Cen¬
trums, wie über gezüchtigte Schulbuben lustig machten. Aber sie hatten trotz
ihres Hohnes die Lacher uicht auf ihrer Seite. Der Stolz, der Eifer, der Ernst,
der feste Wille, die eiserne Ueberzeugung Herrn Guizots hielt dieSchaarcn seiner
Anhänger zusammen und scheuchte seine Gegner zurück. Das ist das Geheimniß
seiner Macht und seiner langen Herrschaft.
Und ich fürchte er hat den Zauber verloren. Die gestrige Sitzung hat
diese Ansicht, die übrigens dem Beobachter wahrlich nicht erst gestern ausgestoßen
sein wird, sehr klar bestätigt. In der Verhandlung selbst hatten die Minister
ihre Portefeuille mit in die Wagschaale geworfen, und erklärt, daß sie abtreten
würden, wenn der Antrag ans vorläufige Verhandlung der schwebenden Frage
angenommen werden sollte. Die Ursache, die die Minister vorschoben, war, daß
eine Erwägung dieser Frage zu Anfang der Session das Ansehen der Kammer,
in der so viele Beamten sitzen, gefährden müsse. Es handelte sich also darum,
den Schein einer Verdächtigung gegen die Deputaten, die zugleich Beamten
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