Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der gepackt und an ihrem Busen untergebracht hatte, erbot' sie sich und setzte
den Capuchon mit dem grünen Schleier ans.

"Such' nur einen ordentlichen Hofmeister ans, der verfluchte Junge
braucht einen, der Haare auf den Zähnen hat."

Die Baronin, welche stets ein Faible für Schnnrbärte gehabt, hatte ge¬
gen diese Bestimmung nichts einzuwenden.

"Mein Advokat wird dir die Leute in's Haus schicken, er hat auch dem
Grafen Kostina einen Hofmeister und mir einmal einen Amtschreiber ver¬
schafft, such' nur einen heraus, der kein Hasenfuß ist."

Darunter verstand der Baron, daß der Hofmeister eine gute Natur ha¬
ben, einige Spirituosen vertragen, Tabak rauchen, Hasen schießen, auf einem
Sattelpferde reiten und über Zuchtvieh Bescheid wissen solle. '

Die Baronin, obwohl diesen ritterlichen Künsten uicht eben abgeneigt,
hatte jedoch eine ganz andere Idee. Sie wünschte einen interessanten jungen
Mann, mit dem sie vor den Dienstboten Französisch sprechen und zum Be¬
such in die Nachbarschaft fahren, der Abends vorlesen "ut die etwas rostig
gewordene Cultur der Madigen Fran neu aufputzen könne. Der Baron war
sinnend ein paar Mal ans- und abgegangen, ob er nichts Wichtiges verges¬
sen habe. "Richtig! Winterhvsen brauche ich zwei Paar, aber ohne Strnp-
pen, graue sür deu Schmuz, und ein Paar ordentliche -- aber nun habt Ihr
Zeit -- Sakerment! schon neun Uhr, der Weg ist schlecht, Ihr werdet spät
hineinkommen. Na, Gott behüte dich und schreibe gleich, wie Ihr angekom¬
men seid!"

Eine Umarmung des .freiherrlichen Paares erfolgte; der Baron setzte
seine Mütze auf und begleitete seine Frau zum Wagen. Während dieser von
dem ganzen Hausvvlte die Hand geküßt und glückliche Reise gewünscht wurde,
worauf sie mit einigen guten Lehren replicirte, war der Baron um den Wa¬
gen herumgegangen, hatte probirt, ob Alles fest aufgepackt sei und endlich
dem Kutscher, der immerfort wehmüthig nach Annen hinsah, einen Stoß ge¬
geben. "Das sag' ich dir, Wenzel, daß dn nur die Pferde nicht zu Schan¬
den fährst und nicht umwirfst! In Bertowitz könnt Ihr füttern und in
Hrvnow wässern -- Ihr habt Zeit genug, wenn Ihr um neun Uhr nach

Prag kommt! Die gnädige Frau wird dir schon sagen, wo du hinzufahren
hast!"

Wenzel stieg auf den Bock. Der Baron half seiner Frau einsteigen,
küßte die beiden Kinder und ermahnte sie, sich gut aufzuflihren und gab end¬
lich mit einem "Na, fahr' zu mit Gott!" das Zeichen zur Abreise. Der
Wagen schwankte zum Thore hinaus und der Baron ging, nachdem er ihm


der gepackt und an ihrem Busen untergebracht hatte, erbot' sie sich und setzte
den Capuchon mit dem grünen Schleier ans.

»Such' nur einen ordentlichen Hofmeister ans, der verfluchte Junge
braucht einen, der Haare auf den Zähnen hat."

Die Baronin, welche stets ein Faible für Schnnrbärte gehabt, hatte ge¬
gen diese Bestimmung nichts einzuwenden.

„Mein Advokat wird dir die Leute in's Haus schicken, er hat auch dem
Grafen Kostina einen Hofmeister und mir einmal einen Amtschreiber ver¬
schafft, such' nur einen heraus, der kein Hasenfuß ist."

Darunter verstand der Baron, daß der Hofmeister eine gute Natur ha¬
ben, einige Spirituosen vertragen, Tabak rauchen, Hasen schießen, auf einem
Sattelpferde reiten und über Zuchtvieh Bescheid wissen solle. '

Die Baronin, obwohl diesen ritterlichen Künsten uicht eben abgeneigt,
hatte jedoch eine ganz andere Idee. Sie wünschte einen interessanten jungen
Mann, mit dem sie vor den Dienstboten Französisch sprechen und zum Be¬
such in die Nachbarschaft fahren, der Abends vorlesen »ut die etwas rostig
gewordene Cultur der Madigen Fran neu aufputzen könne. Der Baron war
sinnend ein paar Mal ans- und abgegangen, ob er nichts Wichtiges verges¬
sen habe. „Richtig! Winterhvsen brauche ich zwei Paar, aber ohne Strnp-
pen, graue sür deu Schmuz, und ein Paar ordentliche — aber nun habt Ihr
Zeit — Sakerment! schon neun Uhr, der Weg ist schlecht, Ihr werdet spät
hineinkommen. Na, Gott behüte dich und schreibe gleich, wie Ihr angekom¬
men seid!"

Eine Umarmung des .freiherrlichen Paares erfolgte; der Baron setzte
seine Mütze auf und begleitete seine Frau zum Wagen. Während dieser von
dem ganzen Hausvvlte die Hand geküßt und glückliche Reise gewünscht wurde,
worauf sie mit einigen guten Lehren replicirte, war der Baron um den Wa¬
gen herumgegangen, hatte probirt, ob Alles fest aufgepackt sei und endlich
dem Kutscher, der immerfort wehmüthig nach Annen hinsah, einen Stoß ge¬
geben. „Das sag' ich dir, Wenzel, daß dn nur die Pferde nicht zu Schan¬
den fährst und nicht umwirfst! In Bertowitz könnt Ihr füttern und in
Hrvnow wässern — Ihr habt Zeit genug, wenn Ihr um neun Uhr nach

Prag kommt! Die gnädige Frau wird dir schon sagen, wo du hinzufahren
hast!"

Wenzel stieg auf den Bock. Der Baron half seiner Frau einsteigen,
küßte die beiden Kinder und ermahnte sie, sich gut aufzuflihren und gab end¬
lich mit einem „Na, fahr' zu mit Gott!" das Zeichen zur Abreise. Der
Wagen schwankte zum Thore hinaus und der Baron ging, nachdem er ihm


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271914"/>
              <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> der gepackt und an ihrem Busen untergebracht hatte, erbot' sie sich und setzte<lb/>
den Capuchon mit dem grünen Schleier ans.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_25"> »Such' nur einen ordentlichen Hofmeister ans, der verfluchte Junge<lb/>
braucht einen, der Haare auf den Zähnen hat."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_26"> Die Baronin, welche stets ein Faible für Schnnrbärte gehabt, hatte ge¬<lb/>
gen diese Bestimmung nichts einzuwenden.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_27"> &#x201E;Mein Advokat wird dir die Leute in's Haus schicken, er hat auch dem<lb/>
Grafen Kostina einen Hofmeister und mir einmal einen Amtschreiber ver¬<lb/>
schafft, such' nur einen heraus, der kein Hasenfuß ist."</p><lb/>
              <p xml:id="ID_28"> Darunter verstand der Baron, daß der Hofmeister eine gute Natur ha¬<lb/>
ben, einige Spirituosen vertragen, Tabak rauchen, Hasen schießen, auf einem<lb/>
Sattelpferde reiten und über Zuchtvieh Bescheid wissen solle. '</p><lb/>
              <p xml:id="ID_29"> Die Baronin, obwohl diesen ritterlichen Künsten uicht eben abgeneigt,<lb/>
hatte jedoch eine ganz andere Idee. Sie wünschte einen interessanten jungen<lb/>
Mann, mit dem sie vor den Dienstboten Französisch sprechen und zum Be¬<lb/>
such in die Nachbarschaft fahren, der Abends vorlesen »ut die etwas rostig<lb/>
gewordene Cultur der Madigen Fran neu aufputzen könne. Der Baron war<lb/>
sinnend ein paar Mal ans- und abgegangen, ob er nichts Wichtiges verges¬<lb/>
sen habe. &#x201E;Richtig! Winterhvsen brauche ich zwei Paar, aber ohne Strnp-<lb/>
pen, graue sür deu Schmuz, und ein Paar ordentliche &#x2014; aber nun habt Ihr<lb/>
Zeit &#x2014; Sakerment! schon neun Uhr, der Weg ist schlecht, Ihr werdet spät<lb/>
hineinkommen. Na, Gott behüte dich und schreibe gleich, wie Ihr angekom¬<lb/>
men seid!"</p><lb/>
              <p xml:id="ID_30"> Eine Umarmung des .freiherrlichen Paares erfolgte; der Baron setzte<lb/>
seine Mütze auf und begleitete seine Frau zum Wagen. Während dieser von<lb/>
dem ganzen Hausvvlte die Hand geküßt und glückliche Reise gewünscht wurde,<lb/>
worauf sie mit einigen guten Lehren replicirte, war der Baron um den Wa¬<lb/>
gen herumgegangen, hatte probirt, ob Alles fest aufgepackt sei und endlich<lb/>
dem Kutscher, der immerfort wehmüthig nach Annen hinsah, einen Stoß ge¬<lb/>
geben. &#x201E;Das sag' ich dir, Wenzel, daß dn nur die Pferde nicht zu Schan¬<lb/>
den fährst und nicht umwirfst! In Bertowitz könnt Ihr füttern und in<lb/>
Hrvnow wässern &#x2014; Ihr habt Zeit genug, wenn Ihr um neun Uhr nach</p><lb/>
              <p xml:id="ID_31"> Prag kommt! Die gnädige Frau wird dir schon sagen, wo du hinzufahren<lb/>
hast!"</p><lb/>
              <p xml:id="ID_32" next="#ID_33"> Wenzel stieg auf den Bock. Der Baron half seiner Frau einsteigen,<lb/>
küßte die beiden Kinder und ermahnte sie, sich gut aufzuflihren und gab end¬<lb/>
lich mit einem &#x201E;Na, fahr' zu mit Gott!" das Zeichen zur Abreise. Der<lb/>
Wagen schwankte zum Thore hinaus und der Baron ging, nachdem er ihm</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] der gepackt und an ihrem Busen untergebracht hatte, erbot' sie sich und setzte den Capuchon mit dem grünen Schleier ans. »Such' nur einen ordentlichen Hofmeister ans, der verfluchte Junge braucht einen, der Haare auf den Zähnen hat." Die Baronin, welche stets ein Faible für Schnnrbärte gehabt, hatte ge¬ gen diese Bestimmung nichts einzuwenden. „Mein Advokat wird dir die Leute in's Haus schicken, er hat auch dem Grafen Kostina einen Hofmeister und mir einmal einen Amtschreiber ver¬ schafft, such' nur einen heraus, der kein Hasenfuß ist." Darunter verstand der Baron, daß der Hofmeister eine gute Natur ha¬ ben, einige Spirituosen vertragen, Tabak rauchen, Hasen schießen, auf einem Sattelpferde reiten und über Zuchtvieh Bescheid wissen solle. ' Die Baronin, obwohl diesen ritterlichen Künsten uicht eben abgeneigt, hatte jedoch eine ganz andere Idee. Sie wünschte einen interessanten jungen Mann, mit dem sie vor den Dienstboten Französisch sprechen und zum Be¬ such in die Nachbarschaft fahren, der Abends vorlesen »ut die etwas rostig gewordene Cultur der Madigen Fran neu aufputzen könne. Der Baron war sinnend ein paar Mal ans- und abgegangen, ob er nichts Wichtiges verges¬ sen habe. „Richtig! Winterhvsen brauche ich zwei Paar, aber ohne Strnp- pen, graue sür deu Schmuz, und ein Paar ordentliche — aber nun habt Ihr Zeit — Sakerment! schon neun Uhr, der Weg ist schlecht, Ihr werdet spät hineinkommen. Na, Gott behüte dich und schreibe gleich, wie Ihr angekom¬ men seid!" Eine Umarmung des .freiherrlichen Paares erfolgte; der Baron setzte seine Mütze auf und begleitete seine Frau zum Wagen. Während dieser von dem ganzen Hausvvlte die Hand geküßt und glückliche Reise gewünscht wurde, worauf sie mit einigen guten Lehren replicirte, war der Baron um den Wa¬ gen herumgegangen, hatte probirt, ob Alles fest aufgepackt sei und endlich dem Kutscher, der immerfort wehmüthig nach Annen hinsah, einen Stoß ge¬ geben. „Das sag' ich dir, Wenzel, daß dn nur die Pferde nicht zu Schan¬ den fährst und nicht umwirfst! In Bertowitz könnt Ihr füttern und in Hrvnow wässern — Ihr habt Zeit genug, wenn Ihr um neun Uhr nach Prag kommt! Die gnädige Frau wird dir schon sagen, wo du hinzufahren hast!" Wenzel stieg auf den Bock. Der Baron half seiner Frau einsteigen, küßte die beiden Kinder und ermahnte sie, sich gut aufzuflihren und gab end¬ lich mit einem „Na, fahr' zu mit Gott!" das Zeichen zur Abreise. Der Wagen schwankte zum Thore hinaus und der Baron ging, nachdem er ihm

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/15
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/15>, abgerufen am 22.07.2024.