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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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neidenswerthen Platzes bei Anno versichern, während Wenzel von allen Fu-
rien der Eifersucht gequält, sich im Hofe noch auslüften ließ.

Karl, der Jäger, der bei dem gnädigen Herrn zurückblieb, war seiner
Sache viel gewisser, obgleich ihm wieder seine Geliebte, das Stubenmädchen
der Baronin, entführt wurde. Er stand, den schwarzen Schnurbart drehend,
in der Hausthüre und kokettirte mit Betel, die noch Ein und das Andere
an ihm vorbei in den Wagen trug, drückte ihr verstohlen die Hand und be¬
mühte sich, ihr seine Treue auf das Eindringlichste zu versichern. Innerlich
aber fühlte er keine Unruhe, er war ganz unbesorgt, daß er ans dem Her¬
zen seiner Geliebten verdrängt werden könne. Der Uebermüthige! Er, im
grauen Flaus -- der nur an Sonntagen oder, wenn Gäste kamen, den grü¬
nen Rock und den Hirschfänger anlegen durfte, konnte mit seinen glänzen¬
den Kollegen in der Residenz rivalisiren, Tag für Tag die bordirten Röcke
und Hüte mit Weißen Federbüschen tragen und unmittelbar von dem Anstand
ihrer Herren profitiren. Karl spottete über Wenzel's klägliches Gesicht,
aber Betel's verklärte Züge hätte" den eitlen Mann mit einer, finstern
Ahnung erfülle" sollen!

Oben in der Wohnstube saß die Herrschaft noch beim Kaffee. Der alte
Baron war schon aus der Jagd gewesen und hatte das Dutzend Rephühner
vollzählig gemacht, das seine Frau mitnehmen sollte, Er war von dem nas¬
sen Boden und dem Kartoffelkraut sehr übel zugerichtet und sah wirklich ei¬
nem Fuhrmanne ähnlicher, als einem Freiherrn, welche Irrung dnrch die
bereits in's Cochenillefarbige spielende Nase ziemlich bestärkt ward. Der alte
Herr zählte seufzend und brummend ein Päckchen Banknoten um das andere
ab, dabei blies er eine dicke Wolke nach' der andern über den Tisch. Seine
Frau, die im Stillen anzahlte, ließ sich diesmal den blauen Dunst gefallen;
jetzt mischte der Baron die Noten zusammen und machte Miene, ein Päck¬
chen, das er noch in der linken Hand hielt, wieder in die Schreibtafel zu
stecken. "Leg' die Zweihundert nur noch dazu, Vater!" sagte die Baronin,
einen Versuch zur Schmeichelei machend, der aber der langen Ungewohnheit
wegen nicht zum Besten ausfiel --"du weißt, ich verwerfe gewiß kein Geld,
aber wenn man nach so vielen Jahren wieder einmal auf längere Zeit in
die Stadt kömmt, muß man doch gehörig auftreten."

Dazu hätte die gute Baronin keines Geldes bedurft, aber der alte Herr
legte die zweihundert Gulden doch auf den Tisch, blies aber dabei eine Wolke,
die sein Antlitz auf eine Minute ganz verbarg und die Baronin ans das
Heftigste zum Husten reizte. Diesmal aber ließ sie das Attentat auf ihre
Kehle ruhig Hingeben, und nachdem sie die Summe in einen kleinen Kater-


neidenswerthen Platzes bei Anno versichern, während Wenzel von allen Fu-
rien der Eifersucht gequält, sich im Hofe noch auslüften ließ.

Karl, der Jäger, der bei dem gnädigen Herrn zurückblieb, war seiner
Sache viel gewisser, obgleich ihm wieder seine Geliebte, das Stubenmädchen
der Baronin, entführt wurde. Er stand, den schwarzen Schnurbart drehend,
in der Hausthüre und kokettirte mit Betel, die noch Ein und das Andere
an ihm vorbei in den Wagen trug, drückte ihr verstohlen die Hand und be¬
mühte sich, ihr seine Treue auf das Eindringlichste zu versichern. Innerlich
aber fühlte er keine Unruhe, er war ganz unbesorgt, daß er ans dem Her¬
zen seiner Geliebten verdrängt werden könne. Der Uebermüthige! Er, im
grauen Flaus — der nur an Sonntagen oder, wenn Gäste kamen, den grü¬
nen Rock und den Hirschfänger anlegen durfte, konnte mit seinen glänzen¬
den Kollegen in der Residenz rivalisiren, Tag für Tag die bordirten Röcke
und Hüte mit Weißen Federbüschen tragen und unmittelbar von dem Anstand
ihrer Herren profitiren. Karl spottete über Wenzel's klägliches Gesicht,
aber Betel's verklärte Züge hätte» den eitlen Mann mit einer, finstern
Ahnung erfülle» sollen!

Oben in der Wohnstube saß die Herrschaft noch beim Kaffee. Der alte
Baron war schon aus der Jagd gewesen und hatte das Dutzend Rephühner
vollzählig gemacht, das seine Frau mitnehmen sollte, Er war von dem nas¬
sen Boden und dem Kartoffelkraut sehr übel zugerichtet und sah wirklich ei¬
nem Fuhrmanne ähnlicher, als einem Freiherrn, welche Irrung dnrch die
bereits in's Cochenillefarbige spielende Nase ziemlich bestärkt ward. Der alte
Herr zählte seufzend und brummend ein Päckchen Banknoten um das andere
ab, dabei blies er eine dicke Wolke nach' der andern über den Tisch. Seine
Frau, die im Stillen anzahlte, ließ sich diesmal den blauen Dunst gefallen;
jetzt mischte der Baron die Noten zusammen und machte Miene, ein Päck¬
chen, das er noch in der linken Hand hielt, wieder in die Schreibtafel zu
stecken. „Leg' die Zweihundert nur noch dazu, Vater!" sagte die Baronin,
einen Versuch zur Schmeichelei machend, der aber der langen Ungewohnheit
wegen nicht zum Besten ausfiel —„du weißt, ich verwerfe gewiß kein Geld,
aber wenn man nach so vielen Jahren wieder einmal auf längere Zeit in
die Stadt kömmt, muß man doch gehörig auftreten."

Dazu hätte die gute Baronin keines Geldes bedurft, aber der alte Herr
legte die zweihundert Gulden doch auf den Tisch, blies aber dabei eine Wolke,
die sein Antlitz auf eine Minute ganz verbarg und die Baronin ans das
Heftigste zum Husten reizte. Diesmal aber ließ sie das Attentat auf ihre
Kehle ruhig Hingeben, und nachdem sie die Summe in einen kleinen Kater-


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[0014] neidenswerthen Platzes bei Anno versichern, während Wenzel von allen Fu- rien der Eifersucht gequält, sich im Hofe noch auslüften ließ. Karl, der Jäger, der bei dem gnädigen Herrn zurückblieb, war seiner Sache viel gewisser, obgleich ihm wieder seine Geliebte, das Stubenmädchen der Baronin, entführt wurde. Er stand, den schwarzen Schnurbart drehend, in der Hausthüre und kokettirte mit Betel, die noch Ein und das Andere an ihm vorbei in den Wagen trug, drückte ihr verstohlen die Hand und be¬ mühte sich, ihr seine Treue auf das Eindringlichste zu versichern. Innerlich aber fühlte er keine Unruhe, er war ganz unbesorgt, daß er ans dem Her¬ zen seiner Geliebten verdrängt werden könne. Der Uebermüthige! Er, im grauen Flaus — der nur an Sonntagen oder, wenn Gäste kamen, den grü¬ nen Rock und den Hirschfänger anlegen durfte, konnte mit seinen glänzen¬ den Kollegen in der Residenz rivalisiren, Tag für Tag die bordirten Röcke und Hüte mit Weißen Federbüschen tragen und unmittelbar von dem Anstand ihrer Herren profitiren. Karl spottete über Wenzel's klägliches Gesicht, aber Betel's verklärte Züge hätte» den eitlen Mann mit einer, finstern Ahnung erfülle» sollen! Oben in der Wohnstube saß die Herrschaft noch beim Kaffee. Der alte Baron war schon aus der Jagd gewesen und hatte das Dutzend Rephühner vollzählig gemacht, das seine Frau mitnehmen sollte, Er war von dem nas¬ sen Boden und dem Kartoffelkraut sehr übel zugerichtet und sah wirklich ei¬ nem Fuhrmanne ähnlicher, als einem Freiherrn, welche Irrung dnrch die bereits in's Cochenillefarbige spielende Nase ziemlich bestärkt ward. Der alte Herr zählte seufzend und brummend ein Päckchen Banknoten um das andere ab, dabei blies er eine dicke Wolke nach' der andern über den Tisch. Seine Frau, die im Stillen anzahlte, ließ sich diesmal den blauen Dunst gefallen; jetzt mischte der Baron die Noten zusammen und machte Miene, ein Päck¬ chen, das er noch in der linken Hand hielt, wieder in die Schreibtafel zu stecken. „Leg' die Zweihundert nur noch dazu, Vater!" sagte die Baronin, einen Versuch zur Schmeichelei machend, der aber der langen Ungewohnheit wegen nicht zum Besten ausfiel —„du weißt, ich verwerfe gewiß kein Geld, aber wenn man nach so vielen Jahren wieder einmal auf längere Zeit in die Stadt kömmt, muß man doch gehörig auftreten." Dazu hätte die gute Baronin keines Geldes bedurft, aber der alte Herr legte die zweihundert Gulden doch auf den Tisch, blies aber dabei eine Wolke, die sein Antlitz auf eine Minute ganz verbarg und die Baronin ans das Heftigste zum Husten reizte. Diesmal aber ließ sie das Attentat auf ihre Kehle ruhig Hingeben, und nachdem sie die Summe in einen kleinen Kater-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/14>, abgerufen am 24.08.2024.