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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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eine Weile nachgesehen, aus seine Stube zurück. Im Hose rnschelte und mur¬
melte es, unter dem Federvieh wie' unter deu Dienstboten; Vincenz, der
Gärtner, lachte höhnisch nud trat zu Anne, die einer Ente den Hals ab¬
schnitt, und Karl, der Jäger, besann sich, daß die Bauer im Dorfe eine
hübsche Tochter habe, die ganz geeignet sei, ihn über Betel's Abwesenheit z"
trösten.


Der Candidat.

Bei ihrer Schwester, die an den Grasen Horonski verheirathet war,
hatte, die Baronin ihr Absteigequartier und nun, da sie den Capuchon abge-
legt und statt dessen eine stattliche Haube aus dem Atelier der Madame
Caspar auf die etwas rostigen Haare gesetzt hat, wollen wir sie naher be¬
schreiben. Die würdige Dame ist an die vierzig Jahre alt, ziemlich beleibt
und hat draußen aus dem Lande weniger auf ihren Teint und ihre Hände
geachtet, als es eine Dame von Stande thun soll. Daher ist ersterer etwas
braun, letztere sind etwas hart und breit geworden, was ihr beim Anziehen
der Handschuhe hinderlich wird. Aber sie ist erträglich conservirt, hat alle
Haare behalten und keine Zahnlücken; wenn sie aufgeputzt ist, kann sie ge¬
trost für eine hübsche Frau passiren. Sie sitzt sehr bequem in die blau über¬
zogene Causeuse zurückgelehnt, hat aber das Unglück, ein tirschrothcs Kleid
zu tragen, was dem Effekt sehr hinderlich ist, den dieses und ihre schwarzen
Locken hervorbringen sollen.

Neben ihr sitzt die zwölfjährige Caroline, die nächster Tage in ein Kloster
gehen soll, um dort "für die Welt" erzogen zu werden, und ergötzt sich an
einem ruppiger Papagei, der im Salon der Tante im Berein mit einem
Pintscher- und einem Wachtelhunde die Eintretenden immer früher empfangt,
als es die Hausfrau thun kann. Bekannte traten daher bei der Gräfin nie
ohne Stock in den Salon, namentlich wenn man durch die Glasthüre den
schwarzen Pintscher darin erblickt. Jaromir, das Söhnchen der Baronin,
spielt mit diesem Ungethüm, und während der allgemeinen Heiterkeit klopft
ein junger Mann bescheiden an, aber ohne gehört zu werden. Jetzt reißt
sich der Pintscher aus deu Armen Jaromir'ebens los und fährt bellend' ge¬
gen die leise geöffnete Thür, und der braungefleckte Wachtelhund, der auf
der Fußdocke schlief, folgt erwachend seinein Beispiele. Der junge Mann
traut sich nicht recht einzutreten, bis die Baronin zu schelten anfängt und
die Hunde knurrend sich zurückziehen. Es ist gewiß der erwartete Hofmei¬
ster -- diese profunde Bescheidenheit wäre sonst bei Niemand Anderm zu
entschuldigen. Der junge Mann ist recht hübsch und gut gewachsen, ,seine
Handschuhe sind neu, aber sein Hut ist alt, seine Stiefel, obwohl sehr blank


eine Weile nachgesehen, aus seine Stube zurück. Im Hose rnschelte und mur¬
melte es, unter dem Federvieh wie' unter deu Dienstboten; Vincenz, der
Gärtner, lachte höhnisch nud trat zu Anne, die einer Ente den Hals ab¬
schnitt, und Karl, der Jäger, besann sich, daß die Bauer im Dorfe eine
hübsche Tochter habe, die ganz geeignet sei, ihn über Betel's Abwesenheit z»
trösten.


Der Candidat.

Bei ihrer Schwester, die an den Grasen Horonski verheirathet war,
hatte, die Baronin ihr Absteigequartier und nun, da sie den Capuchon abge-
legt und statt dessen eine stattliche Haube aus dem Atelier der Madame
Caspar auf die etwas rostigen Haare gesetzt hat, wollen wir sie naher be¬
schreiben. Die würdige Dame ist an die vierzig Jahre alt, ziemlich beleibt
und hat draußen aus dem Lande weniger auf ihren Teint und ihre Hände
geachtet, als es eine Dame von Stande thun soll. Daher ist ersterer etwas
braun, letztere sind etwas hart und breit geworden, was ihr beim Anziehen
der Handschuhe hinderlich wird. Aber sie ist erträglich conservirt, hat alle
Haare behalten und keine Zahnlücken; wenn sie aufgeputzt ist, kann sie ge¬
trost für eine hübsche Frau passiren. Sie sitzt sehr bequem in die blau über¬
zogene Causeuse zurückgelehnt, hat aber das Unglück, ein tirschrothcs Kleid
zu tragen, was dem Effekt sehr hinderlich ist, den dieses und ihre schwarzen
Locken hervorbringen sollen.

Neben ihr sitzt die zwölfjährige Caroline, die nächster Tage in ein Kloster
gehen soll, um dort „für die Welt" erzogen zu werden, und ergötzt sich an
einem ruppiger Papagei, der im Salon der Tante im Berein mit einem
Pintscher- und einem Wachtelhunde die Eintretenden immer früher empfangt,
als es die Hausfrau thun kann. Bekannte traten daher bei der Gräfin nie
ohne Stock in den Salon, namentlich wenn man durch die Glasthüre den
schwarzen Pintscher darin erblickt. Jaromir, das Söhnchen der Baronin,
spielt mit diesem Ungethüm, und während der allgemeinen Heiterkeit klopft
ein junger Mann bescheiden an, aber ohne gehört zu werden. Jetzt reißt
sich der Pintscher aus deu Armen Jaromir'ebens los und fährt bellend' ge¬
gen die leise geöffnete Thür, und der braungefleckte Wachtelhund, der auf
der Fußdocke schlief, folgt erwachend seinein Beispiele. Der junge Mann
traut sich nicht recht einzutreten, bis die Baronin zu schelten anfängt und
die Hunde knurrend sich zurückziehen. Es ist gewiß der erwartete Hofmei¬
ster — diese profunde Bescheidenheit wäre sonst bei Niemand Anderm zu
entschuldigen. Der junge Mann ist recht hübsch und gut gewachsen, ,seine
Handschuhe sind neu, aber sein Hut ist alt, seine Stiefel, obwohl sehr blank


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[0016] eine Weile nachgesehen, aus seine Stube zurück. Im Hose rnschelte und mur¬ melte es, unter dem Federvieh wie' unter deu Dienstboten; Vincenz, der Gärtner, lachte höhnisch nud trat zu Anne, die einer Ente den Hals ab¬ schnitt, und Karl, der Jäger, besann sich, daß die Bauer im Dorfe eine hübsche Tochter habe, die ganz geeignet sei, ihn über Betel's Abwesenheit z» trösten. Der Candidat. Bei ihrer Schwester, die an den Grasen Horonski verheirathet war, hatte, die Baronin ihr Absteigequartier und nun, da sie den Capuchon abge- legt und statt dessen eine stattliche Haube aus dem Atelier der Madame Caspar auf die etwas rostigen Haare gesetzt hat, wollen wir sie naher be¬ schreiben. Die würdige Dame ist an die vierzig Jahre alt, ziemlich beleibt und hat draußen aus dem Lande weniger auf ihren Teint und ihre Hände geachtet, als es eine Dame von Stande thun soll. Daher ist ersterer etwas braun, letztere sind etwas hart und breit geworden, was ihr beim Anziehen der Handschuhe hinderlich wird. Aber sie ist erträglich conservirt, hat alle Haare behalten und keine Zahnlücken; wenn sie aufgeputzt ist, kann sie ge¬ trost für eine hübsche Frau passiren. Sie sitzt sehr bequem in die blau über¬ zogene Causeuse zurückgelehnt, hat aber das Unglück, ein tirschrothcs Kleid zu tragen, was dem Effekt sehr hinderlich ist, den dieses und ihre schwarzen Locken hervorbringen sollen. Neben ihr sitzt die zwölfjährige Caroline, die nächster Tage in ein Kloster gehen soll, um dort „für die Welt" erzogen zu werden, und ergötzt sich an einem ruppiger Papagei, der im Salon der Tante im Berein mit einem Pintscher- und einem Wachtelhunde die Eintretenden immer früher empfangt, als es die Hausfrau thun kann. Bekannte traten daher bei der Gräfin nie ohne Stock in den Salon, namentlich wenn man durch die Glasthüre den schwarzen Pintscher darin erblickt. Jaromir, das Söhnchen der Baronin, spielt mit diesem Ungethüm, und während der allgemeinen Heiterkeit klopft ein junger Mann bescheiden an, aber ohne gehört zu werden. Jetzt reißt sich der Pintscher aus deu Armen Jaromir'ebens los und fährt bellend' ge¬ gen die leise geöffnete Thür, und der braungefleckte Wachtelhund, der auf der Fußdocke schlief, folgt erwachend seinein Beispiele. Der junge Mann traut sich nicht recht einzutreten, bis die Baronin zu schelten anfängt und die Hunde knurrend sich zurückziehen. Es ist gewiß der erwartete Hofmei¬ ster — diese profunde Bescheidenheit wäre sonst bei Niemand Anderm zu entschuldigen. Der junge Mann ist recht hübsch und gut gewachsen, ,seine Handschuhe sind neu, aber sein Hut ist alt, seine Stiefel, obwohl sehr blank

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/16>, abgerufen am 22.07.2024.