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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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will ich eine Rede halten. Jeder sei still! Wir dürfen den übermüthigen
Maler nicht zum Offizier machen; denn in acht Tagen droht er vielleicht
wieder und will Hauptmann, oder gar Major werden. Malt er die Carri-
catur, so soll mich dieser und der, ich zermalme ihn, wie ich dies Stück
Brod hier zerquetsche!" -- "Aber die Carricatur," wimmerten die zehn Ge¬
meinen und zwölf Offiziere. -- "Mir geht ein Licht auf," sagte plötzlich
der Magister mit freudestrahlendem Gesicht. "Ich bitte mich ruhig anzuhören."
-- "Aber nur keine lange Rede," bat Herr Wangenkern, wehmüthig und mit
Thränen in den Augen, "sonst wird unter der Zeit die Stube auf dem Rath-
Hanse ausgemalt, und dann geht er an die Zeichnung, auf der ich das große
Faß darstelle." -- "Wir thun", fuhr der Magister fort, "als wäre gar keine
Unterbrechung in der Rede eingetreten und gehen ohne Weiteres über zum
dritten Punkte, nämlich auf die Fahnenweihe. Sein Sie unbesorgt, Herr
Hauptmann Roberstein; ich werde das übrige kurz und summarisch zusammen¬
fassen. Nämlich die Gemahlin unseres verehrten Wirths zum goldnen Löwen
hat der Compagnie eine Fahne, welche sie, die Dame, eigenhändig gestickt
hat, verehrt. Das Wappen auf derselben stellt dasselbe dar, was das Wirths¬
hausschild, welches Sie auch hier im Saale abkonterfeiet finden, nämlich ei-
nen Löwen, welcher ein Stück Fleisch zerreißt. Ich hätte gern über diese
sinnreiche Allegorie und ihre Beziehung zu unserem Vereine einige bedeutsame
Worte fallen lassen, indessen non pittitor bellum "morem et ckulcem -n'tom!
Freunde -- die Fahne ist da, Leute, die zu derselben mit bewegten Herzen
schwören ebenfalls, nicht minder ein Prediger, der sie einweihet. Aber das
Affixum, ein Mensch, der dieselbe tragen und von diesem Heiligthum sinn¬
bildlich wieder getragen werden könnte, fehlt. Wie wär' es -- hier wurde
er ordentlich ironisch und anzüglich auf Herrn Pump -- wenn wir die Car¬
ricatur dadurch vermieden, daß wir den Malerpinsel zum Fahnensticle ver¬
längerten?" -- "Bravo, Magister," schrie Herr Roberstein, und lachte, daß
ihm die Thränen in die Augen traten.

Auch die übrigen Mitglieder der Compagnie stimmten unter lauten Freude¬
bezeugungen dem Magister bei und noch bevor die Versammlung spät sich
trennte, wurde beschlossen, den Magister als Abgeordneten an den Maler
abzusenden, um mit demselben zu verhandeln und im Fall seiner Einwilligung
demselben die Insignien seines neuen Amtes zu übergeben.




Ich muß Dir gestehen, wie ein Kind hab' ich mich gefreuet auf all'
den Glanz und die Pracht, welche von sämmtlichen Einwohnern bei der Weihe


will ich eine Rede halten. Jeder sei still! Wir dürfen den übermüthigen
Maler nicht zum Offizier machen; denn in acht Tagen droht er vielleicht
wieder und will Hauptmann, oder gar Major werden. Malt er die Carri-
catur, so soll mich dieser und der, ich zermalme ihn, wie ich dies Stück
Brod hier zerquetsche!" — „Aber die Carricatur," wimmerten die zehn Ge¬
meinen und zwölf Offiziere. — „Mir geht ein Licht auf," sagte plötzlich
der Magister mit freudestrahlendem Gesicht. „Ich bitte mich ruhig anzuhören."
— „Aber nur keine lange Rede," bat Herr Wangenkern, wehmüthig und mit
Thränen in den Augen, „sonst wird unter der Zeit die Stube auf dem Rath-
Hanse ausgemalt, und dann geht er an die Zeichnung, auf der ich das große
Faß darstelle." — „Wir thun", fuhr der Magister fort, „als wäre gar keine
Unterbrechung in der Rede eingetreten und gehen ohne Weiteres über zum
dritten Punkte, nämlich auf die Fahnenweihe. Sein Sie unbesorgt, Herr
Hauptmann Roberstein; ich werde das übrige kurz und summarisch zusammen¬
fassen. Nämlich die Gemahlin unseres verehrten Wirths zum goldnen Löwen
hat der Compagnie eine Fahne, welche sie, die Dame, eigenhändig gestickt
hat, verehrt. Das Wappen auf derselben stellt dasselbe dar, was das Wirths¬
hausschild, welches Sie auch hier im Saale abkonterfeiet finden, nämlich ei-
nen Löwen, welcher ein Stück Fleisch zerreißt. Ich hätte gern über diese
sinnreiche Allegorie und ihre Beziehung zu unserem Vereine einige bedeutsame
Worte fallen lassen, indessen non pittitor bellum »morem et ckulcem -n'tom!
Freunde — die Fahne ist da, Leute, die zu derselben mit bewegten Herzen
schwören ebenfalls, nicht minder ein Prediger, der sie einweihet. Aber das
Affixum, ein Mensch, der dieselbe tragen und von diesem Heiligthum sinn¬
bildlich wieder getragen werden könnte, fehlt. Wie wär' es — hier wurde
er ordentlich ironisch und anzüglich auf Herrn Pump — wenn wir die Car¬
ricatur dadurch vermieden, daß wir den Malerpinsel zum Fahnensticle ver¬
längerten?" — „Bravo, Magister," schrie Herr Roberstein, und lachte, daß
ihm die Thränen in die Augen traten.

Auch die übrigen Mitglieder der Compagnie stimmten unter lauten Freude¬
bezeugungen dem Magister bei und noch bevor die Versammlung spät sich
trennte, wurde beschlossen, den Magister als Abgeordneten an den Maler
abzusenden, um mit demselben zu verhandeln und im Fall seiner Einwilligung
demselben die Insignien seines neuen Amtes zu übergeben.




Ich muß Dir gestehen, wie ein Kind hab' ich mich gefreuet auf all'
den Glanz und die Pracht, welche von sämmtlichen Einwohnern bei der Weihe


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[0115] will ich eine Rede halten. Jeder sei still! Wir dürfen den übermüthigen Maler nicht zum Offizier machen; denn in acht Tagen droht er vielleicht wieder und will Hauptmann, oder gar Major werden. Malt er die Carri- catur, so soll mich dieser und der, ich zermalme ihn, wie ich dies Stück Brod hier zerquetsche!" — „Aber die Carricatur," wimmerten die zehn Ge¬ meinen und zwölf Offiziere. — „Mir geht ein Licht auf," sagte plötzlich der Magister mit freudestrahlendem Gesicht. „Ich bitte mich ruhig anzuhören." — „Aber nur keine lange Rede," bat Herr Wangenkern, wehmüthig und mit Thränen in den Augen, „sonst wird unter der Zeit die Stube auf dem Rath- Hanse ausgemalt, und dann geht er an die Zeichnung, auf der ich das große Faß darstelle." — „Wir thun", fuhr der Magister fort, „als wäre gar keine Unterbrechung in der Rede eingetreten und gehen ohne Weiteres über zum dritten Punkte, nämlich auf die Fahnenweihe. Sein Sie unbesorgt, Herr Hauptmann Roberstein; ich werde das übrige kurz und summarisch zusammen¬ fassen. Nämlich die Gemahlin unseres verehrten Wirths zum goldnen Löwen hat der Compagnie eine Fahne, welche sie, die Dame, eigenhändig gestickt hat, verehrt. Das Wappen auf derselben stellt dasselbe dar, was das Wirths¬ hausschild, welches Sie auch hier im Saale abkonterfeiet finden, nämlich ei- nen Löwen, welcher ein Stück Fleisch zerreißt. Ich hätte gern über diese sinnreiche Allegorie und ihre Beziehung zu unserem Vereine einige bedeutsame Worte fallen lassen, indessen non pittitor bellum »morem et ckulcem -n'tom! Freunde — die Fahne ist da, Leute, die zu derselben mit bewegten Herzen schwören ebenfalls, nicht minder ein Prediger, der sie einweihet. Aber das Affixum, ein Mensch, der dieselbe tragen und von diesem Heiligthum sinn¬ bildlich wieder getragen werden könnte, fehlt. Wie wär' es — hier wurde er ordentlich ironisch und anzüglich auf Herrn Pump — wenn wir die Car¬ ricatur dadurch vermieden, daß wir den Malerpinsel zum Fahnensticle ver¬ längerten?" — „Bravo, Magister," schrie Herr Roberstein, und lachte, daß ihm die Thränen in die Augen traten. Auch die übrigen Mitglieder der Compagnie stimmten unter lauten Freude¬ bezeugungen dem Magister bei und noch bevor die Versammlung spät sich trennte, wurde beschlossen, den Magister als Abgeordneten an den Maler abzusenden, um mit demselben zu verhandeln und im Fall seiner Einwilligung demselben die Insignien seines neuen Amtes zu übergeben. Ich muß Dir gestehen, wie ein Kind hab' ich mich gefreuet auf all' den Glanz und die Pracht, welche von sämmtlichen Einwohnern bei der Weihe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/115>, abgerufen am 22.07.2024.