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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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"Herr Pump," fragte der Hauptmann Roberstem, während Alle den Un¬
glückseliger entsetzt anblickten, "warum heben Sie die Hand nicht auf?" --
"Ich bitte um's Wort," versetzte der Angeredete. "Schon oftmals hab' ich
den Stab der Compagnie ersucht, auf meinen Stand Rücksicht zu nehmen und
zu bedenken, daß ein Künstler nicht füglich Gemeiner sein kann. Der verehr¬
liche Stab hat bis jetzt immer noch angestanden, mich zum Offizier zu beför¬
dern. Ich erkläre hiermit feierlichst, daß ich mich gewiß nicht eher uniformiren
werde, ehe man mich nicht zum Offizier ernannt hat. Ja, ich gehe jetzt noch
weiter und drohe der Gesellschaft förmlich an, daß ich, wem: man mir nicht
willfährig ist, dieselbe nächstens als Carricatur aufnehmen und an sämmtliche
deutsche Buchhandlungen verschicken werde. Vorn auf dem Bilde, als Kops
und Kern des Kometen soll der Herr Major in Gestalt eines Oxhoftes mar-
schiren, mit Epauletts und Bandelir, an der Seite den Degen. Dann soll
der Magister kommen in der Gestalt einer Gans und der Hauptmann Ro¬
berstem als Bulldogg neben ihm her stolziren. Dann kommen zwölf Hasen
mit Flinten und das geht auf die Offiziere, und dann die Gemeinen, natür¬
lich ohne mich, mit gesenkten. Köpfen und in Schafsgestalt. Ich bemerke nur
noch, daß die Physiognomien aller Thiere gar nicht zu verkennen sein werden,
da ich sie nach der Natur zeichnen werde. Kaulbach soll's nicht besser können."

Eine solche Bosheit war der Compagnie noch nicht vorgekommen. Alle
saßen wie versteinerte Leichen auf ihren Stühlen, selbst der Hauptmann Ro¬
berstem war blaß wie die Wand.

"Und das wollen Herr Pump an sämmtliche deutsche Buchhandlungen
verschicken?" stammelte abgebrochen der Magister, als wie ans einem Starr¬
krampf erwachend. --- "Sicherlich", erwiederte der Maler, kalt und trium-
phirend. "Ich werde jetzt ein neues Zimmer oben auf dem Rathhause an¬
streichen, und wenn ich bis zur Vollendung dieser Arbeit mein Patent nicht
habe, so mach' ich mich an die Carricatur. Inzwischen mag die Gesellschaft
meinen Vorschlag in Erwägung ziehen."

Hiermit empfahl er sich mit ächtem Künstlerstolze.

Nun hörte alle Subordination auf. Alles stürzte über und durcheinan¬
der, als kaum der Maler die Stube verlassen hatte. Man umdrängte lär¬
mend und schreiend den Major, der auf seinem Lehnstuhle, wie auf dem Ar-
mensündcrstuhle saß, während dicke Schweißtropfen ihm über die Stirne
rannten. Jeder setzte seine Meinung schreiend und tobend auseinander und
wie die Gesellschaft auf ewige Zeiten durch die Carricatur blamirt sein würde.
Endlich donnerte der Hauptmann Roberstem wieder auf den Tisch, daß die
Gläser und Teller klirrend emporhüpften. "Heiliges Kreuz!" rief er, "jetzt


„Herr Pump," fragte der Hauptmann Roberstem, während Alle den Un¬
glückseliger entsetzt anblickten, „warum heben Sie die Hand nicht auf?" —
„Ich bitte um's Wort," versetzte der Angeredete. „Schon oftmals hab' ich
den Stab der Compagnie ersucht, auf meinen Stand Rücksicht zu nehmen und
zu bedenken, daß ein Künstler nicht füglich Gemeiner sein kann. Der verehr¬
liche Stab hat bis jetzt immer noch angestanden, mich zum Offizier zu beför¬
dern. Ich erkläre hiermit feierlichst, daß ich mich gewiß nicht eher uniformiren
werde, ehe man mich nicht zum Offizier ernannt hat. Ja, ich gehe jetzt noch
weiter und drohe der Gesellschaft förmlich an, daß ich, wem: man mir nicht
willfährig ist, dieselbe nächstens als Carricatur aufnehmen und an sämmtliche
deutsche Buchhandlungen verschicken werde. Vorn auf dem Bilde, als Kops
und Kern des Kometen soll der Herr Major in Gestalt eines Oxhoftes mar-
schiren, mit Epauletts und Bandelir, an der Seite den Degen. Dann soll
der Magister kommen in der Gestalt einer Gans und der Hauptmann Ro¬
berstem als Bulldogg neben ihm her stolziren. Dann kommen zwölf Hasen
mit Flinten und das geht auf die Offiziere, und dann die Gemeinen, natür¬
lich ohne mich, mit gesenkten. Köpfen und in Schafsgestalt. Ich bemerke nur
noch, daß die Physiognomien aller Thiere gar nicht zu verkennen sein werden,
da ich sie nach der Natur zeichnen werde. Kaulbach soll's nicht besser können."

Eine solche Bosheit war der Compagnie noch nicht vorgekommen. Alle
saßen wie versteinerte Leichen auf ihren Stühlen, selbst der Hauptmann Ro¬
berstem war blaß wie die Wand.

„Und das wollen Herr Pump an sämmtliche deutsche Buchhandlungen
verschicken?" stammelte abgebrochen der Magister, als wie ans einem Starr¬
krampf erwachend. —- „Sicherlich", erwiederte der Maler, kalt und trium-
phirend. „Ich werde jetzt ein neues Zimmer oben auf dem Rathhause an¬
streichen, und wenn ich bis zur Vollendung dieser Arbeit mein Patent nicht
habe, so mach' ich mich an die Carricatur. Inzwischen mag die Gesellschaft
meinen Vorschlag in Erwägung ziehen."

Hiermit empfahl er sich mit ächtem Künstlerstolze.

Nun hörte alle Subordination auf. Alles stürzte über und durcheinan¬
der, als kaum der Maler die Stube verlassen hatte. Man umdrängte lär¬
mend und schreiend den Major, der auf seinem Lehnstuhle, wie auf dem Ar-
mensündcrstuhle saß, während dicke Schweißtropfen ihm über die Stirne
rannten. Jeder setzte seine Meinung schreiend und tobend auseinander und
wie die Gesellschaft auf ewige Zeiten durch die Carricatur blamirt sein würde.
Endlich donnerte der Hauptmann Roberstem wieder auf den Tisch, daß die
Gläser und Teller klirrend emporhüpften. „Heiliges Kreuz!" rief er, „jetzt


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[0114] „Herr Pump," fragte der Hauptmann Roberstem, während Alle den Un¬ glückseliger entsetzt anblickten, „warum heben Sie die Hand nicht auf?" — „Ich bitte um's Wort," versetzte der Angeredete. „Schon oftmals hab' ich den Stab der Compagnie ersucht, auf meinen Stand Rücksicht zu nehmen und zu bedenken, daß ein Künstler nicht füglich Gemeiner sein kann. Der verehr¬ liche Stab hat bis jetzt immer noch angestanden, mich zum Offizier zu beför¬ dern. Ich erkläre hiermit feierlichst, daß ich mich gewiß nicht eher uniformiren werde, ehe man mich nicht zum Offizier ernannt hat. Ja, ich gehe jetzt noch weiter und drohe der Gesellschaft förmlich an, daß ich, wem: man mir nicht willfährig ist, dieselbe nächstens als Carricatur aufnehmen und an sämmtliche deutsche Buchhandlungen verschicken werde. Vorn auf dem Bilde, als Kops und Kern des Kometen soll der Herr Major in Gestalt eines Oxhoftes mar- schiren, mit Epauletts und Bandelir, an der Seite den Degen. Dann soll der Magister kommen in der Gestalt einer Gans und der Hauptmann Ro¬ berstem als Bulldogg neben ihm her stolziren. Dann kommen zwölf Hasen mit Flinten und das geht auf die Offiziere, und dann die Gemeinen, natür¬ lich ohne mich, mit gesenkten. Köpfen und in Schafsgestalt. Ich bemerke nur noch, daß die Physiognomien aller Thiere gar nicht zu verkennen sein werden, da ich sie nach der Natur zeichnen werde. Kaulbach soll's nicht besser können." Eine solche Bosheit war der Compagnie noch nicht vorgekommen. Alle saßen wie versteinerte Leichen auf ihren Stühlen, selbst der Hauptmann Ro¬ berstem war blaß wie die Wand. „Und das wollen Herr Pump an sämmtliche deutsche Buchhandlungen verschicken?" stammelte abgebrochen der Magister, als wie ans einem Starr¬ krampf erwachend. —- „Sicherlich", erwiederte der Maler, kalt und trium- phirend. „Ich werde jetzt ein neues Zimmer oben auf dem Rathhause an¬ streichen, und wenn ich bis zur Vollendung dieser Arbeit mein Patent nicht habe, so mach' ich mich an die Carricatur. Inzwischen mag die Gesellschaft meinen Vorschlag in Erwägung ziehen." Hiermit empfahl er sich mit ächtem Künstlerstolze. Nun hörte alle Subordination auf. Alles stürzte über und durcheinan¬ der, als kaum der Maler die Stube verlassen hatte. Man umdrängte lär¬ mend und schreiend den Major, der auf seinem Lehnstuhle, wie auf dem Ar- mensündcrstuhle saß, während dicke Schweißtropfen ihm über die Stirne rannten. Jeder setzte seine Meinung schreiend und tobend auseinander und wie die Gesellschaft auf ewige Zeiten durch die Carricatur blamirt sein würde. Endlich donnerte der Hauptmann Roberstem wieder auf den Tisch, daß die Gläser und Teller klirrend emporhüpften. „Heiliges Kreuz!" rief er, „jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/114>, abgerufen am 22.07.2024.