Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.vier Mächte -- ist dies vielleicht ein Grund mehr zur Intervention? In Paris steht Ueberschauen wir dies Alles und vergleichen wir die unableugbaren Armeebewcgun- U. Das Leipziger Theater. Vo" einem Berliner. Es ist acht gerade der gewöhnliche Laus der Dinge, daß ein Fremder sich über Grenzbolk". IV. 1847.
vier Mächte — ist dies vielleicht ein Grund mehr zur Intervention? In Paris steht Ueberschauen wir dies Alles und vergleichen wir die unableugbaren Armeebewcgun- U. Das Leipziger Theater. Vo» einem Berliner. Es ist acht gerade der gewöhnliche Laus der Dinge, daß ein Fremder sich über Grenzbolk». IV. 1847.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0541" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185305"/> <p xml:id="ID_1864" prev="#ID_1863"> vier Mächte — ist dies vielleicht ein Grund mehr zur Intervention? In Paris steht<lb/> die Kammcreröffnung vor der Thüre, in allen Departements haben die Reformbankctte<lb/> an der Gewalt des dirigirenden Ministers gerüttelt und niemals vielleicht ist das Po>-<lb/> tcseuille des Herrn Guizot so sehr in Frage gestellt gewesen, als jetzt. Ist dies viel¬<lb/> leicht ein Grund mehr, daß sich Oesterreich an Frankreich schließt? Sind denn die<lb/> Traditionen österreichischer Politik Plötzlich verschwunden, daß es seinen historischen<lb/> Alliirten England der neugebackenen Freundschaft mit Frankreich opfern soll? Ist denn<lb/> dies alte Oesterreich wirklich ein so leichtsinniger Gesell, daß es sich seinem Erbfeind<lb/> wie betrunken in die Arme stürzen wird? Ist Herr Guizot gefcyt? Ist Se. Maj.<lb/> Louis Philipp ein rothwangigcr Jüngling von 24 Jahren? Leben wir denn in den<lb/> Zeiten der Mährchen, daß man das Wunder einer französisch-österreichischen Allianz so<lb/> gläubig hinnimmt, als wären die Zeitungen illustrirte Ausgaben von Tausend und<lb/> eine Nacht? Hat Oesterreich durch 1,7 Jahre deshalb alle möglichen l'an. ->eeanii>Iiü so<lb/> geduldig hingenommen, um jetzt bei einer verhältnißmäßig geringfügigeren Veranlassung<lb/> loszufahren?</p><lb/> <p xml:id="ID_1865"> Ueberschauen wir dies Alles und vergleichen wir die unableugbaren Armeebewcgun-<lb/> gcn und Rüstungen in Oesterreich damit, so fragen wir uns im Stillen, ob denn nicht<lb/> Tirol eben so gut die Grenzen der Schweiz als Italiens dominirt, wir bedenken, daß<lb/> Rom und Florenz keineswegs in der ruhigsten Stimmung sind, wir bedenken, daß die<lb/> Dampfbote von Sicilien mit immer größerer Beunruhigung in Neapel erwartet werden,<lb/> wir bedenken, daß das Ballinafcst in Genua (zur Erinnerung an die Räumung der<lb/> Stadt von den Oesterreichern) im vorigen Jahre nicht gefeiert werden durfte — wäh¬<lb/> rend es dieses Jahr officiell von Charles Albert erlaubt wurde. Wir bedenken dies Alles<lb/> und bedenken zugleich, daß die Lombardei und Venedig die reichsten und ergiebigsten<lb/> Provinzen der österreichischen Monarchie sind, für deren Erhaltung die Politik allerdings<lb/> die Aufwendung aller Mittel des Staatscredits in Anspruch zu nehmen gebietet. Und<lb/> nun glauben wir auch den Donner deS österreichische', Beobachters gegen die Schweiz<lb/> zu verstehen, deren Berge die officiellen Blitzableiter bilden. Der wahre Zug des Ge¬<lb/> witters aber geht ganz anderswo hin. Im Nibelungenliede wird Verona — Bern<lb/><note type="byline"> u....</note> genannt. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> U.<lb/> Das Leipziger Theater.<lb/><note type="byline"> Vo» einem Berliner.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1866"> Es ist acht gerade der gewöhnliche Laus der Dinge, daß ein Fremder sich über<lb/> einen Gegenstand vernehmen läßt, der doch jedem Leipziger geläufig sein muß, und<lb/> noch dazu hier, wo so viele competente Richter sich in allen Gassen zusammendrängen,<lb/> legitime Theaterdichter, junge Literaten, die ein Manuscript in der Tasche, mit schwe¬<lb/> ren Attentaten aus die Ohren und die Geduld ihrer Freunde umhergehen, Kritiker von<lb/> Metier, artistisch-literarische Novellenverse»tigcr und dergl. mehr. Nach dem aber, was<lb/> ich gesehen, kauu ich nur vermuthen, daß sich Recensenten von Bildung nach so<lb/> und so viel Versuchen, uicht mehr gern dazu hergeben mögen, leeres Stroh zu dre¬<lb/> schen. Vielleicht wird es nicht ohne Interesse sein, von einem Unbetheiligten, der ge¬<lb/> gen einzelne Personen weder Liebe noch Haß haben kann, weil er keinen'von ihnen<lb/> kennt, ein unbefangenes Urtheil zu hören. Ein Kritiker kaun freier von der Leber<lb/> wcgreden, wenn er sagen kann: morgen gehe ich weg und komme sobald nicht wieder.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbolk». IV. 1847.</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0541]
vier Mächte — ist dies vielleicht ein Grund mehr zur Intervention? In Paris steht
die Kammcreröffnung vor der Thüre, in allen Departements haben die Reformbankctte
an der Gewalt des dirigirenden Ministers gerüttelt und niemals vielleicht ist das Po>-
tcseuille des Herrn Guizot so sehr in Frage gestellt gewesen, als jetzt. Ist dies viel¬
leicht ein Grund mehr, daß sich Oesterreich an Frankreich schließt? Sind denn die
Traditionen österreichischer Politik Plötzlich verschwunden, daß es seinen historischen
Alliirten England der neugebackenen Freundschaft mit Frankreich opfern soll? Ist denn
dies alte Oesterreich wirklich ein so leichtsinniger Gesell, daß es sich seinem Erbfeind
wie betrunken in die Arme stürzen wird? Ist Herr Guizot gefcyt? Ist Se. Maj.
Louis Philipp ein rothwangigcr Jüngling von 24 Jahren? Leben wir denn in den
Zeiten der Mährchen, daß man das Wunder einer französisch-österreichischen Allianz so
gläubig hinnimmt, als wären die Zeitungen illustrirte Ausgaben von Tausend und
eine Nacht? Hat Oesterreich durch 1,7 Jahre deshalb alle möglichen l'an. ->eeanii>Iiü so
geduldig hingenommen, um jetzt bei einer verhältnißmäßig geringfügigeren Veranlassung
loszufahren?
Ueberschauen wir dies Alles und vergleichen wir die unableugbaren Armeebewcgun-
gcn und Rüstungen in Oesterreich damit, so fragen wir uns im Stillen, ob denn nicht
Tirol eben so gut die Grenzen der Schweiz als Italiens dominirt, wir bedenken, daß
Rom und Florenz keineswegs in der ruhigsten Stimmung sind, wir bedenken, daß die
Dampfbote von Sicilien mit immer größerer Beunruhigung in Neapel erwartet werden,
wir bedenken, daß das Ballinafcst in Genua (zur Erinnerung an die Räumung der
Stadt von den Oesterreichern) im vorigen Jahre nicht gefeiert werden durfte — wäh¬
rend es dieses Jahr officiell von Charles Albert erlaubt wurde. Wir bedenken dies Alles
und bedenken zugleich, daß die Lombardei und Venedig die reichsten und ergiebigsten
Provinzen der österreichischen Monarchie sind, für deren Erhaltung die Politik allerdings
die Aufwendung aller Mittel des Staatscredits in Anspruch zu nehmen gebietet. Und
nun glauben wir auch den Donner deS österreichische', Beobachters gegen die Schweiz
zu verstehen, deren Berge die officiellen Blitzableiter bilden. Der wahre Zug des Ge¬
witters aber geht ganz anderswo hin. Im Nibelungenliede wird Verona — Bern
u.... genannt.
U.
Das Leipziger Theater.
Vo» einem Berliner.
Es ist acht gerade der gewöhnliche Laus der Dinge, daß ein Fremder sich über
einen Gegenstand vernehmen läßt, der doch jedem Leipziger geläufig sein muß, und
noch dazu hier, wo so viele competente Richter sich in allen Gassen zusammendrängen,
legitime Theaterdichter, junge Literaten, die ein Manuscript in der Tasche, mit schwe¬
ren Attentaten aus die Ohren und die Geduld ihrer Freunde umhergehen, Kritiker von
Metier, artistisch-literarische Novellenverse»tigcr und dergl. mehr. Nach dem aber, was
ich gesehen, kauu ich nur vermuthen, daß sich Recensenten von Bildung nach so
und so viel Versuchen, uicht mehr gern dazu hergeben mögen, leeres Stroh zu dre¬
schen. Vielleicht wird es nicht ohne Interesse sein, von einem Unbetheiligten, der ge¬
gen einzelne Personen weder Liebe noch Haß haben kann, weil er keinen'von ihnen
kennt, ein unbefangenes Urtheil zu hören. Ein Kritiker kaun freier von der Leber
wcgreden, wenn er sagen kann: morgen gehe ich weg und komme sobald nicht wieder.
Grenzbolk». IV. 1847.
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