Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.der Herren Deinhardstein und Otto Prechtler die Rede ist. Die Wiener Hofzeitung Betrachten wir ein Mal ruhig und leidenschaftslos die österreichische NcgicrungS- Ganz anders ist es mit der äußern Politik. Hier ist Oesterreich nicht veraltet, Aus diesen sichern Blick in Allem, was die auswärtige Politik betrifft, bauen wir der Herren Deinhardstein und Otto Prechtler die Rede ist. Die Wiener Hofzeitung Betrachten wir ein Mal ruhig und leidenschaftslos die österreichische NcgicrungS- Ganz anders ist es mit der äußern Politik. Hier ist Oesterreich nicht veraltet, Aus diesen sichern Blick in Allem, was die auswärtige Politik betrifft, bauen wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185304"/> <p xml:id="ID_1860" prev="#ID_1859"> der Herren Deinhardstein und Otto Prechtler die Rede ist. Die Wiener Hofzeitung<lb/> repräsentirt in ihren Hauptspalten den Hof, die Dynastie, den Staat — der österrei¬<lb/> chische Beobachter repräsentirt eine Partei, eine mächtige hochgewaltige Partei - aber<lb/> immer doch nur einen Partcistaudpuukt. Wir sagen dies im Interesse der Würde unseres<lb/> Staates — damit mau im Auslande nicht glaube, Oesterreich gebe sich ein Dementi,<lb/> wenn es nicht das Programm des Beobachters einhält. Der Beobachter ist ein Vor¬<lb/> posten, ein Plänkler; aber nicht das Centrum. Die Schlacht ist noch keineswegs<lb/> engagirt, wenn der Beobachter den Säbel flimmern läßt. Im Gegentheil, wir glau¬<lb/> ben der Beobachter führt in diesem Augenblicke ein Scheimnanövcr aus, um die Trup-<lb/> pcnconccntrirung zu decken, die wohl ganz andern Eventualitäten gelten als den schwei¬<lb/> zerischen Angelegenheiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1861"> Betrachten wir ein Mal ruhig und leidenschaftslos die österreichische NcgicrungS-<lb/> position. Wir gehören leider zu Denen, die in Bezug auf Alles, was die Organi¬<lb/> sation des innern Staats betrifft, voll Skepsis sind. Wir suchen vergebens nach den<lb/> Männern und den energischen Ideen, welche die vielfachen innern Reformen, über deren<lb/> Nothwendigkeit wohl Niemand mehr sich eine Täuschung macht, durchsetzen könnten. In<lb/> dem Quietismus einer alten und veralteten Schule erzogen, abgesperrt, abgeneigt den<lb/> bewegenden Ideen, die ringsumher, selbst in den conservativen Staaten des außer¬<lb/> russischen, türkischen und neapolitanischen Europa'S, am Ruder sitzen — zittert man<lb/> vor jeder Neuerung, weil konsequenter Weise eine die andere bedingt, und Niemand<lb/> die Energie sich zutraut, die Organisation dieser neuen Staatsordnung über sich zu<lb/> nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1862"> Ganz anders ist es mit der äußern Politik. Hier ist Oesterreich nicht veraltet,<lb/> auf diesem Gebiete.ist es in fortwährender llebnng geblieben uno man darf vielleicht<lb/> behaupten, daß in der Epoche von >8!!0 bis 184l> Oesterreich mehr diplomatische<lb/> Mcistcrstrciche ausgeführt hat, als in der ganzen napoleonischen Zeit. Gott bewahre<lb/> uns, die moralische Tendenz dieser Politik vertreten zu wollen. Von dieser sprechen wir<lb/> in diesem Augenblicke nicht. Wir haben es hier blos mit der Geschicklichkeit der Diplo¬<lb/> matie zu thun, in so weit sie eine abgeschlossene Kunst oder Wissenschaft ist: die Kunst<lb/> der Täuschung, der Gruppirung von Verhältnissen, der Ausbeute egoistischer Gegensätze,<lb/> die Wissenschaft des Ealcüls, der Vorsicht, die KricgSwisscnschaft ans teppichbedeckten<lb/> Schlachtfeldern. Es ist nur ein Hauptpunkt, den die österreichische Diplomatie nicht<lb/> versteht: die Politik des Handels. Es ist dies allerdings die Hauptpolitik der Neuzeit,<lb/> die Politik, deren Meisterschaft England so groß machte, die Politik, durch deren<lb/> Unkenntnis! Oesterreich den ungeheuren Fehler an den Donaumündnngcn beging. Aber<lb/> in allen übrigen Zweigen der auswärtigen Politik wird Niemand Oesterreich absprechen<lb/> können, daß es genau weiß, was es will, wohin es zielt und wie man das Ziel erreicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1863" next="#ID_1864"> Aus diesen sichern Blick in Allem, was die auswärtige Politik betrifft, bauen wir<lb/> unser Argument, daß die Kriegsrüstungen, die Oesterreich jetzt macht -- keineswegs<lb/> der Schweiz gelten können. Wir haben bereits vor vier Wochen, als der Kampf in<lb/> der Schweiz noch unentschieden war, als eine Intervention zu Gunsten des Sondcr-<lb/> bundes noch Menschenverstand gehabt hätte, nachzuweisen gesucht, daß Oesterreich jedem<lb/> Jntcrventionsvcrsuch, den es gemeinschaftlich mit Frankreich machen müßte, entgegen<lb/> sein muß. Mittlerweile ist der Sonderbund verschwunden, seine Führer sind geflüchtet,<lb/> der Bürgerkrieg ist zu Ende gegangen mit so geringen Excessen, wie die Geschichte<lb/> vielleicht kein zweites Beispiel aufzuweisen hat. Ist dadurch die Wahrscheinlichkeit zu<lb/> einer Intervention gewachsen? England ist zurückgetreten von der Collectivnotc der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
der Herren Deinhardstein und Otto Prechtler die Rede ist. Die Wiener Hofzeitung
repräsentirt in ihren Hauptspalten den Hof, die Dynastie, den Staat — der österrei¬
chische Beobachter repräsentirt eine Partei, eine mächtige hochgewaltige Partei - aber
immer doch nur einen Partcistaudpuukt. Wir sagen dies im Interesse der Würde unseres
Staates — damit mau im Auslande nicht glaube, Oesterreich gebe sich ein Dementi,
wenn es nicht das Programm des Beobachters einhält. Der Beobachter ist ein Vor¬
posten, ein Plänkler; aber nicht das Centrum. Die Schlacht ist noch keineswegs
engagirt, wenn der Beobachter den Säbel flimmern läßt. Im Gegentheil, wir glau¬
ben der Beobachter führt in diesem Augenblicke ein Scheimnanövcr aus, um die Trup-
pcnconccntrirung zu decken, die wohl ganz andern Eventualitäten gelten als den schwei¬
zerischen Angelegenheiten.
Betrachten wir ein Mal ruhig und leidenschaftslos die österreichische NcgicrungS-
position. Wir gehören leider zu Denen, die in Bezug auf Alles, was die Organi¬
sation des innern Staats betrifft, voll Skepsis sind. Wir suchen vergebens nach den
Männern und den energischen Ideen, welche die vielfachen innern Reformen, über deren
Nothwendigkeit wohl Niemand mehr sich eine Täuschung macht, durchsetzen könnten. In
dem Quietismus einer alten und veralteten Schule erzogen, abgesperrt, abgeneigt den
bewegenden Ideen, die ringsumher, selbst in den conservativen Staaten des außer¬
russischen, türkischen und neapolitanischen Europa'S, am Ruder sitzen — zittert man
vor jeder Neuerung, weil konsequenter Weise eine die andere bedingt, und Niemand
die Energie sich zutraut, die Organisation dieser neuen Staatsordnung über sich zu
nehmen.
Ganz anders ist es mit der äußern Politik. Hier ist Oesterreich nicht veraltet,
auf diesem Gebiete.ist es in fortwährender llebnng geblieben uno man darf vielleicht
behaupten, daß in der Epoche von >8!!0 bis 184l> Oesterreich mehr diplomatische
Mcistcrstrciche ausgeführt hat, als in der ganzen napoleonischen Zeit. Gott bewahre
uns, die moralische Tendenz dieser Politik vertreten zu wollen. Von dieser sprechen wir
in diesem Augenblicke nicht. Wir haben es hier blos mit der Geschicklichkeit der Diplo¬
matie zu thun, in so weit sie eine abgeschlossene Kunst oder Wissenschaft ist: die Kunst
der Täuschung, der Gruppirung von Verhältnissen, der Ausbeute egoistischer Gegensätze,
die Wissenschaft des Ealcüls, der Vorsicht, die KricgSwisscnschaft ans teppichbedeckten
Schlachtfeldern. Es ist nur ein Hauptpunkt, den die österreichische Diplomatie nicht
versteht: die Politik des Handels. Es ist dies allerdings die Hauptpolitik der Neuzeit,
die Politik, deren Meisterschaft England so groß machte, die Politik, durch deren
Unkenntnis! Oesterreich den ungeheuren Fehler an den Donaumündnngcn beging. Aber
in allen übrigen Zweigen der auswärtigen Politik wird Niemand Oesterreich absprechen
können, daß es genau weiß, was es will, wohin es zielt und wie man das Ziel erreicht.
Aus diesen sichern Blick in Allem, was die auswärtige Politik betrifft, bauen wir
unser Argument, daß die Kriegsrüstungen, die Oesterreich jetzt macht -- keineswegs
der Schweiz gelten können. Wir haben bereits vor vier Wochen, als der Kampf in
der Schweiz noch unentschieden war, als eine Intervention zu Gunsten des Sondcr-
bundes noch Menschenverstand gehabt hätte, nachzuweisen gesucht, daß Oesterreich jedem
Jntcrventionsvcrsuch, den es gemeinschaftlich mit Frankreich machen müßte, entgegen
sein muß. Mittlerweile ist der Sonderbund verschwunden, seine Führer sind geflüchtet,
der Bürgerkrieg ist zu Ende gegangen mit so geringen Excessen, wie die Geschichte
vielleicht kein zweites Beispiel aufzuweisen hat. Ist dadurch die Wahrscheinlichkeit zu
einer Intervention gewachsen? England ist zurückgetreten von der Collectivnotc der
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