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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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oder durch den ersten besten Winkelschreiber vor Gericht vertreten lassen kann, und
wo kein Contract, Testament, keine Verlaßabhandlung u. tgi. an die Vermittlung
eines Advokaten oder Notars gebunden ist. --

Weil nun diese Winkelschreiber einen großen Theil der wichtigsten und ein¬
träglichsten Geschäfte besorgen, so hat es allerdings äußerlich den Anschein, als sei
die verhältnißmäßig kleine Zahl von Advokaten ausreichend, so wie auch andrerseits
selbst uuter dieser geringen Zahl befugter Advokaten Manche in ungünstiger Stel¬
lung sind, eben weil den Unbefugter ein so großer Theil zufällt. Auch ist
es nicht zu leugnen, daß diese ungünstige Stellung zu unwürdigem Nebenerwerb
verleitet, als Zubriugerei, Wuchergeschäfte, Verkauf der Firma an Winkelschreiber ze.
Aber dies Alles hat eine und dieselbe Quelle: in dem Mangel eines geordneten
Advokatenwesens.

Fragt man wie es komme, daß die Winkelschreiber so häufig den Advo¬
katen vorgezogen werden, und ob etwa eine bessere oder wohlfeilere Bedie¬
nung die Ursache hiervon sei, so müssen wir Letzteres entschieden verneinen.
Der Winkelschreiber weiß nämlich seinem Clienten häusig das Drei- bis Vier¬
fache von dem, was dieser selbst dem renommirtesten Advokaten bezahlen müßte,
herauszulocken; allein er wird demungeachtet dem Letzteren darum vorgezogen, weil
er sich diesem zugleich auf verschiedene andere Weise angenehm zu machen weiß,
da er mit seinem Clienten so zu sagen lebt und webt, mit ihm die Abende in der
Kneipe zubringt, ihm zugleich seine Haushaltuugs- und Familienangelegenheiten
besorgen hilft und ihn überhaupt, da er in der Regel selbst zu der ungebildeteren
Classe gehört, durch Lügen und Ränke an sich zu fesseln weiß.

Ist aber der Winkelschreiber obendrein zugleich Beamter des Gerichtes selbst,
bei dem die betreffende Rechtssache anhängig ist, was insbesondere bei den Ma¬
gistraten (Stadtgerichten) sehr häufig vorkommt, so stellt sich seine Vertretung für,
den Clienten schon darum als besonders vorteilhaft dar, weil er dann in seinem
Vertreter zugleich seinen Richter in einer und derselben Person findet, was ihm
gewiß -- wenn gleich zum Nachtheile seiner Gegner -- nur willkommen sein kann.

Es läßt sich nun zwar uicht leugnen, daß auch ein Theil der böhmischen Ad¬
vokaten sich uicht immer der honnettesten Mittel bediene, um zu Parteien und An¬
waltschaften zu gelangen, worunter insbesondere Zudringlichkeiten jeder Art, Be¬
nützung der Hintertreppe und dergl. gehören; allein der größere Theil macht doch
immer eine Ausnahme hiervon, während ein solches Benehmen beim Winkelschreiber
eine ausnahmslose Regel bildet, und es läßt sich gewiß nicht leugnen, daß diese
durch ihre derartigen häufig ganz schamlosen Umtriebe den Advokaten um so leich¬
ter den Rang ablaufen, als sie es in der Regel nur mit Personen, welche für
derlei Maneuvres weit empfänglicher sind, zu thun haben.

Diese Persönlichkeit ihrer Clienten insbesondere ist es nun auch, welche diese
zu weit einträglicheren Parteien macht, als dieses in der Regel bei den Gebilde-


oder durch den ersten besten Winkelschreiber vor Gericht vertreten lassen kann, und
wo kein Contract, Testament, keine Verlaßabhandlung u. tgi. an die Vermittlung
eines Advokaten oder Notars gebunden ist. —

Weil nun diese Winkelschreiber einen großen Theil der wichtigsten und ein¬
träglichsten Geschäfte besorgen, so hat es allerdings äußerlich den Anschein, als sei
die verhältnißmäßig kleine Zahl von Advokaten ausreichend, so wie auch andrerseits
selbst uuter dieser geringen Zahl befugter Advokaten Manche in ungünstiger Stel¬
lung sind, eben weil den Unbefugter ein so großer Theil zufällt. Auch ist
es nicht zu leugnen, daß diese ungünstige Stellung zu unwürdigem Nebenerwerb
verleitet, als Zubriugerei, Wuchergeschäfte, Verkauf der Firma an Winkelschreiber ze.
Aber dies Alles hat eine und dieselbe Quelle: in dem Mangel eines geordneten
Advokatenwesens.

Fragt man wie es komme, daß die Winkelschreiber so häufig den Advo¬
katen vorgezogen werden, und ob etwa eine bessere oder wohlfeilere Bedie¬
nung die Ursache hiervon sei, so müssen wir Letzteres entschieden verneinen.
Der Winkelschreiber weiß nämlich seinem Clienten häusig das Drei- bis Vier¬
fache von dem, was dieser selbst dem renommirtesten Advokaten bezahlen müßte,
herauszulocken; allein er wird demungeachtet dem Letzteren darum vorgezogen, weil
er sich diesem zugleich auf verschiedene andere Weise angenehm zu machen weiß,
da er mit seinem Clienten so zu sagen lebt und webt, mit ihm die Abende in der
Kneipe zubringt, ihm zugleich seine Haushaltuugs- und Familienangelegenheiten
besorgen hilft und ihn überhaupt, da er in der Regel selbst zu der ungebildeteren
Classe gehört, durch Lügen und Ränke an sich zu fesseln weiß.

Ist aber der Winkelschreiber obendrein zugleich Beamter des Gerichtes selbst,
bei dem die betreffende Rechtssache anhängig ist, was insbesondere bei den Ma¬
gistraten (Stadtgerichten) sehr häufig vorkommt, so stellt sich seine Vertretung für,
den Clienten schon darum als besonders vorteilhaft dar, weil er dann in seinem
Vertreter zugleich seinen Richter in einer und derselben Person findet, was ihm
gewiß — wenn gleich zum Nachtheile seiner Gegner — nur willkommen sein kann.

Es läßt sich nun zwar uicht leugnen, daß auch ein Theil der böhmischen Ad¬
vokaten sich uicht immer der honnettesten Mittel bediene, um zu Parteien und An¬
waltschaften zu gelangen, worunter insbesondere Zudringlichkeiten jeder Art, Be¬
nützung der Hintertreppe und dergl. gehören; allein der größere Theil macht doch
immer eine Ausnahme hiervon, während ein solches Benehmen beim Winkelschreiber
eine ausnahmslose Regel bildet, und es läßt sich gewiß nicht leugnen, daß diese
durch ihre derartigen häufig ganz schamlosen Umtriebe den Advokaten um so leich¬
ter den Rang ablaufen, als sie es in der Regel nur mit Personen, welche für
derlei Maneuvres weit empfänglicher sind, zu thun haben.

Diese Persönlichkeit ihrer Clienten insbesondere ist es nun auch, welche diese
zu weit einträglicheren Parteien macht, als dieses in der Regel bei den Gebilde-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/476>, abgerufen am 25.08.2024.