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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Schattenrisse ans der österreichischen Gerichtspflege.

Ein EerichtSprnsidcnt. -- Die nwhlhalienocn Verbrecher. -- Ständische und städtische Grundtnchsführer. --
Da" AppcllotionSgcricht. -- Beamtengehalte. -- Die Advocarur und die Winkelschreiber.

Wir haben im vorigen Aussatze nicht allzuviel Rühmliches von einigen Zwei¬
gen unseres Civilverfahrens erzählen können, dennoch müssen wir ihm zum Lobe
nachsagen, daß es einen viel besseren Ruf verdient, als die Criminalgerichtspflege;
wenigstens bei uns in Böhmen.

Man begrüßte es in der Hauptstadt unseres Landes schon als eine große
Wohlthat, als vor einiger Zeit zum Vorsitzer unseres Kriminalgerichtes ein
Mann gewählt wurde, von dessen Rechtlichkeit, Energie und Einsicht sich mit
Recht erwarten läßt, daß endlich einmal bei dieser DerichtSstelle, welche all-
mälig das Vertrauen selbst des gemeinen Mannes eingebüßt hatte, wieder ein
sicherer Rechtszustand eintreten werde und daß in Zukunft nicht allein den
Schuldigen die verdiente Strafe treffen, sondern daß dieses auch bald gesche¬
hen und Achtung und Furcht vor dem Strafgesetze, welche bei wohlhaben¬
den Verbrechern ganz verschwunden war, wieder eintreten werde. Wenn man
die Persönlichkeit des früheren Gerichtspräsidenten näher kannte, muß man in
der That staunen, daß die ganze Stelle uicht noch mehr demoralisirt ist, und
daß ein Theil der Räthe ihrer Pflicht immer uoch in ihrem ganzen Umfange auf
das Strengste entsprach, denn unter einem Vorgesetzten dieser Art, dessen unzwei¬
deutiges Nenommve seit fast 20 Jahren landeskundig gewesen ist, Pflegen auch die
Untergebenen keineswegs besser zu werden! --

Im Ganzen genommen sind die Mängel der böhmischen Criminalgerichts¬
pflege zu auffallend, .als daß solche geleugnet werden könnten. Nicht daß zu
befürchten steht, daß ein schuldloser eines Verbrechens schuldig erkannt werden
sollte, wohl aber, daß er ohne allen Grund jahrelang in Untersuchung schweben
kann, und daß der wohlhabende Verbrecher häufig Gelegenheit findet, seiner Ver-
urtheilung vorzubeugen, ohne daß die durch das Gesetz aufgestellte Controle sich
zureichend bewiesen hätte.

Bevor wir fortfahren, halten wir uns vor Allem verpflichtet eines mit der
Justiz in engster Verbindung stehenden Instituts mit dem ihm gebührenden vollen


Schattenrisse ans der österreichischen Gerichtspflege.

Ein EerichtSprnsidcnt. — Die nwhlhalienocn Verbrecher. — Ständische und städtische Grundtnchsführer. —
Da« AppcllotionSgcricht. — Beamtengehalte. — Die Advocarur und die Winkelschreiber.

Wir haben im vorigen Aussatze nicht allzuviel Rühmliches von einigen Zwei¬
gen unseres Civilverfahrens erzählen können, dennoch müssen wir ihm zum Lobe
nachsagen, daß es einen viel besseren Ruf verdient, als die Criminalgerichtspflege;
wenigstens bei uns in Böhmen.

Man begrüßte es in der Hauptstadt unseres Landes schon als eine große
Wohlthat, als vor einiger Zeit zum Vorsitzer unseres Kriminalgerichtes ein
Mann gewählt wurde, von dessen Rechtlichkeit, Energie und Einsicht sich mit
Recht erwarten läßt, daß endlich einmal bei dieser DerichtSstelle, welche all-
mälig das Vertrauen selbst des gemeinen Mannes eingebüßt hatte, wieder ein
sicherer Rechtszustand eintreten werde und daß in Zukunft nicht allein den
Schuldigen die verdiente Strafe treffen, sondern daß dieses auch bald gesche¬
hen und Achtung und Furcht vor dem Strafgesetze, welche bei wohlhaben¬
den Verbrechern ganz verschwunden war, wieder eintreten werde. Wenn man
die Persönlichkeit des früheren Gerichtspräsidenten näher kannte, muß man in
der That staunen, daß die ganze Stelle uicht noch mehr demoralisirt ist, und
daß ein Theil der Räthe ihrer Pflicht immer uoch in ihrem ganzen Umfange auf
das Strengste entsprach, denn unter einem Vorgesetzten dieser Art, dessen unzwei¬
deutiges Nenommve seit fast 20 Jahren landeskundig gewesen ist, Pflegen auch die
Untergebenen keineswegs besser zu werden! —

Im Ganzen genommen sind die Mängel der böhmischen Criminalgerichts¬
pflege zu auffallend, .als daß solche geleugnet werden könnten. Nicht daß zu
befürchten steht, daß ein schuldloser eines Verbrechens schuldig erkannt werden
sollte, wohl aber, daß er ohne allen Grund jahrelang in Untersuchung schweben
kann, und daß der wohlhabende Verbrecher häufig Gelegenheit findet, seiner Ver-
urtheilung vorzubeugen, ohne daß die durch das Gesetz aufgestellte Controle sich
zureichend bewiesen hätte.

Bevor wir fortfahren, halten wir uns vor Allem verpflichtet eines mit der
Justiz in engster Verbindung stehenden Instituts mit dem ihm gebührenden vollen


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[0472] Schattenrisse ans der österreichischen Gerichtspflege. Ein EerichtSprnsidcnt. — Die nwhlhalienocn Verbrecher. — Ständische und städtische Grundtnchsführer. — Da« AppcllotionSgcricht. — Beamtengehalte. — Die Advocarur und die Winkelschreiber. Wir haben im vorigen Aussatze nicht allzuviel Rühmliches von einigen Zwei¬ gen unseres Civilverfahrens erzählen können, dennoch müssen wir ihm zum Lobe nachsagen, daß es einen viel besseren Ruf verdient, als die Criminalgerichtspflege; wenigstens bei uns in Böhmen. Man begrüßte es in der Hauptstadt unseres Landes schon als eine große Wohlthat, als vor einiger Zeit zum Vorsitzer unseres Kriminalgerichtes ein Mann gewählt wurde, von dessen Rechtlichkeit, Energie und Einsicht sich mit Recht erwarten läßt, daß endlich einmal bei dieser DerichtSstelle, welche all- mälig das Vertrauen selbst des gemeinen Mannes eingebüßt hatte, wieder ein sicherer Rechtszustand eintreten werde und daß in Zukunft nicht allein den Schuldigen die verdiente Strafe treffen, sondern daß dieses auch bald gesche¬ hen und Achtung und Furcht vor dem Strafgesetze, welche bei wohlhaben¬ den Verbrechern ganz verschwunden war, wieder eintreten werde. Wenn man die Persönlichkeit des früheren Gerichtspräsidenten näher kannte, muß man in der That staunen, daß die ganze Stelle uicht noch mehr demoralisirt ist, und daß ein Theil der Räthe ihrer Pflicht immer uoch in ihrem ganzen Umfange auf das Strengste entsprach, denn unter einem Vorgesetzten dieser Art, dessen unzwei¬ deutiges Nenommve seit fast 20 Jahren landeskundig gewesen ist, Pflegen auch die Untergebenen keineswegs besser zu werden! — Im Ganzen genommen sind die Mängel der böhmischen Criminalgerichts¬ pflege zu auffallend, .als daß solche geleugnet werden könnten. Nicht daß zu befürchten steht, daß ein schuldloser eines Verbrechens schuldig erkannt werden sollte, wohl aber, daß er ohne allen Grund jahrelang in Untersuchung schweben kann, und daß der wohlhabende Verbrecher häufig Gelegenheit findet, seiner Ver- urtheilung vorzubeugen, ohne daß die durch das Gesetz aufgestellte Controle sich zureichend bewiesen hätte. Bevor wir fortfahren, halten wir uns vor Allem verpflichtet eines mit der Justiz in engster Verbindung stehenden Instituts mit dem ihm gebührenden vollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/472>, abgerufen am 22.07.2024.