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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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wenn sie keine andere Hülfsquellen hätte, durch ihr Talent allein der Opposition
nicht viel zu schaffen gäbe. Unmittelbar nach Somsich sprach Kossuth, Führer gegen
Führer. Es war die alte Geschichte von David und Goliath.

Auch Kossuth will den heißen Dank, die aufrichtigste Huldigung dem Könige
dargebracht wissen, anch er wünscht würdigende Anerkennung für die beste Absicht des
Monarchen in der Adresse ausgesprochen zu sehen und doch ist der Geist seiner
Adresse dem der Conservativen ganz entgegengesetzt. Er will nämlich die Gesin¬
nung der Nation nicht verleugnen, unser geliebter König soll es erfahren, daß un¬
sere Konstitution, wie sie gehandhabt wird, eine Chimäre ist, da die Tendenz der
jetzigen Negierung eine absolute und nicht im mindesten constitutionell ist. Der
X. Gesetz-Art. v. 1790, welcher die Unabhängigkeit des ungarischen Gouvernements
vom österreichischen garantirt, wurde thatsächlich unberücksichtigt gelassen. DieGewalt-
strciche der Regierung seit dem letzten Landtage sprachen laut genug, sie müssen
daher vor dem Throne angeklagt werden. Endlich solle Se. Maj. gebeten wer¬
den, den Vertretern der Nation die schwere Aufgabe der so dringlichen Reformen
zu erleichtern durch Gestattung eines jährlichen Reichstages und dnrch Verlegung
desselben nach der Hauptstadt. -- Zwischen den beiden Anträgen herrscht natürlich
ein himmelhoher Unterschied. Denn wird im ersten Antrage die Adresse zu einer rei¬
nen Dankadresse, zu einer Canonisirnng der Uebergriffe der Bureaukratie (die schon
eingeklagten Beschwerden vom vergangenen Landtage fallen nicht mehr unserer jetzigen
Regierung, dem Kanzler Apponyi zur Last, abgesehen davon, daß die Verhandlung
der ältern Beschwerden die neuern verdrängen und überhaupt die Neformfragen verzö¬
gern würde) so spricht sich im zweiten Antrage die Richtung aus, in welcher die
Nation fortschreiten wolle. Es handelt sich um den constitutionellen Fortschritt und
nicht um die Concessionen der Regierung. Es handelt sich um die Bürgschaft der Ver¬
antwortlichkeit. Es sollen die bisherigen Beschwerden nicht blos abgestellt werden,
es muß auch ein Damm für deren Wiederkehr gesetzt werden. Es muß Einklang
gebracht werden zwischen Gesetzgebung und Verwaltung. Die Gesetze müssen auch
vollzogen werden und nicht blos gebracht. Unsere Constitution soll nicht blos alle
drei Jahre bemerkbar sein, souderu immer. -- -- Um diese beiden Hauptkämpfer
schaarten sich die andern nud sprachen dafür und dawider. Gras Szoch^nyi
beobachtete ein eigenthümliches Verfahren. Zuerst sprach er mehr für Kossuth nud
hob den Werth eines jährlichen Landtags hervor. Doch war dies nicht ganz
deutlich. Er entschuldigte die Regierung mit den anßeruugarischen Verhältnissen.
Der Teufel, sagte er, ist nicht so schwarz, der Engel nicht so weiß, als wofür man sie
hält, vielmehr ist jener höchstens brünett, dieser blond. Er scheint es sich überhaupt
Zur Aufgabe gemacht zu haben, der Humorist des Reichstages zu werden. Als sich
aber im Laufe der Discussion ergab, daß man meinte, der Graf habe für Kossuth's
Antrag gesprochen, nahm er zum zweiten Male das Wort und stellte selbst einen
dritten Antrag, dnrch welchen der von Somsich aufgehoben und von diesem endlich selbst


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wenn sie keine andere Hülfsquellen hätte, durch ihr Talent allein der Opposition
nicht viel zu schaffen gäbe. Unmittelbar nach Somsich sprach Kossuth, Führer gegen
Führer. Es war die alte Geschichte von David und Goliath.

Auch Kossuth will den heißen Dank, die aufrichtigste Huldigung dem Könige
dargebracht wissen, anch er wünscht würdigende Anerkennung für die beste Absicht des
Monarchen in der Adresse ausgesprochen zu sehen und doch ist der Geist seiner
Adresse dem der Conservativen ganz entgegengesetzt. Er will nämlich die Gesin¬
nung der Nation nicht verleugnen, unser geliebter König soll es erfahren, daß un¬
sere Konstitution, wie sie gehandhabt wird, eine Chimäre ist, da die Tendenz der
jetzigen Negierung eine absolute und nicht im mindesten constitutionell ist. Der
X. Gesetz-Art. v. 1790, welcher die Unabhängigkeit des ungarischen Gouvernements
vom österreichischen garantirt, wurde thatsächlich unberücksichtigt gelassen. DieGewalt-
strciche der Regierung seit dem letzten Landtage sprachen laut genug, sie müssen
daher vor dem Throne angeklagt werden. Endlich solle Se. Maj. gebeten wer¬
den, den Vertretern der Nation die schwere Aufgabe der so dringlichen Reformen
zu erleichtern durch Gestattung eines jährlichen Reichstages und dnrch Verlegung
desselben nach der Hauptstadt. — Zwischen den beiden Anträgen herrscht natürlich
ein himmelhoher Unterschied. Denn wird im ersten Antrage die Adresse zu einer rei¬
nen Dankadresse, zu einer Canonisirnng der Uebergriffe der Bureaukratie (die schon
eingeklagten Beschwerden vom vergangenen Landtage fallen nicht mehr unserer jetzigen
Regierung, dem Kanzler Apponyi zur Last, abgesehen davon, daß die Verhandlung
der ältern Beschwerden die neuern verdrängen und überhaupt die Neformfragen verzö¬
gern würde) so spricht sich im zweiten Antrage die Richtung aus, in welcher die
Nation fortschreiten wolle. Es handelt sich um den constitutionellen Fortschritt und
nicht um die Concessionen der Regierung. Es handelt sich um die Bürgschaft der Ver¬
antwortlichkeit. Es sollen die bisherigen Beschwerden nicht blos abgestellt werden,
es muß auch ein Damm für deren Wiederkehr gesetzt werden. Es muß Einklang
gebracht werden zwischen Gesetzgebung und Verwaltung. Die Gesetze müssen auch
vollzogen werden und nicht blos gebracht. Unsere Constitution soll nicht blos alle
drei Jahre bemerkbar sein, souderu immer. — — Um diese beiden Hauptkämpfer
schaarten sich die andern nud sprachen dafür und dawider. Gras Szoch^nyi
beobachtete ein eigenthümliches Verfahren. Zuerst sprach er mehr für Kossuth nud
hob den Werth eines jährlichen Landtags hervor. Doch war dies nicht ganz
deutlich. Er entschuldigte die Regierung mit den anßeruugarischen Verhältnissen.
Der Teufel, sagte er, ist nicht so schwarz, der Engel nicht so weiß, als wofür man sie
hält, vielmehr ist jener höchstens brünett, dieser blond. Er scheint es sich überhaupt
Zur Aufgabe gemacht zu haben, der Humorist des Reichstages zu werden. Als sich
aber im Laufe der Discussion ergab, daß man meinte, der Graf habe für Kossuth's
Antrag gesprochen, nahm er zum zweiten Male das Wort und stellte selbst einen
dritten Antrag, dnrch welchen der von Somsich aufgehoben und von diesem endlich selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/427>, abgerufen am 24.08.2024.