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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Briefe vom ungarischen Reichstage
IV.

Die Ndreßdib"lie. -- SwttlMcr-ir-Mi S-msicb. -- Kossuch und Graf S;,;es^>pi. -- Worin Beide einig
sind. -- Kcssuth'S Rede. -- Eiwühnung der böhmische" Angelegenheit-".

Der Kampf hätte also in allem Ernste begonnen. Die Parteien haben sich
gemessen. Die Richtung, die der Reichstag nehmen wird, wäre nnn gewissermaßen
entschieden und es hängt jetzt von der Magnatcntafel ab, ob die Charte eine Wahr¬
heit werden, ob unsere Constitution keine bloße Illusion bleiben solle, ob die Re-
formbestrebungen dem gewünschten Ziele zugeführt werden. Die Adrcßdebatte hat
sich diese ganze Woche hindurchgezogen. Ihre Bedeutung wurde von allen Seiten
anerkannt, es war Allen gleich klar, daß es sich um Leben und Tod handle. Die
Opposition hat gesiegt, Kossuth'ö Adreßmotion wurde angenommen und unser ge¬
liebter König wird den warmen Dank der Nation empfangen, er wird aber zugleich
ihre ungeheuchelte Stimmung gegen die Regierung, ihre Meinung vom jetzigen
NegiernngSsysteme vollkommen genau kennen lernen. Die conservative Partei trat
zuerst in die Schranken, ihr um.t">" mort"z-c:Je>c,>,ete,<z Stadthaltereirath Somsich
(Schomschitsch) hatte auf den ersten Platz pränumerirt. Er war eine Woche früher
pränvtirt, da er wahrscheinlich dachte "lui ,>um- toi""or"z potior jar" und ein ande¬
res Recht spricht ohnehin kaum für seine Sache. Nachdem er der Regierung einen
Panegyrikus gehalten hatte und den Conservativen eine Lobrede, nachdem er über die
königl. Proportionen, eigentlich über die denselben beigefügten Gesetzvorschläge, ganz
freudetrunken gewesen war, stellte er seinen Antrag dahin, daß man dem Könige für
seine allergnädigste Sanctionirung unserer Nationalität, für die Palatinatbestätigung
des Erzherzog? und für die königlichen Propositionen den Dank der Nation ausspreche
(und zugleich der Regierung für ihre offenbaren in den Gesetzvvrschlägen niederge¬
legten Neformabsichten), und endlich soll Se. Maj. um Abstellung der schon am
letzten Landtage uuterbreiteten Beschwerden unterthänigst ersucht werden. Dies war
der Inhalt seiner ziemlich langen Rede und ich darf es ohne alle Parteilichkeit
aussprechen, daß sie kein Meisterstück war, wie überhaupt die Regierungspartei,



Der Redacteur der Preßburger Zeitung macht in seinem Blatte darauf aufmerksam,
daß die deutsche Presse mit Unrecht das ungarische Parlament "Landtag" nenne, indem Reichs¬
tag der gesetzliche Ausdruck sei.
Briefe vom ungarischen Reichstage
IV.

Die Ndreßdib«lie. — SwttlMcr-ir-Mi S-msicb. — Kossuch und Graf S;,;es^>pi. — Worin Beide einig
sind. — Kcssuth'S Rede. — Eiwühnung der böhmische» Angelegenheit-».

Der Kampf hätte also in allem Ernste begonnen. Die Parteien haben sich
gemessen. Die Richtung, die der Reichstag nehmen wird, wäre nnn gewissermaßen
entschieden und es hängt jetzt von der Magnatcntafel ab, ob die Charte eine Wahr¬
heit werden, ob unsere Constitution keine bloße Illusion bleiben solle, ob die Re-
formbestrebungen dem gewünschten Ziele zugeführt werden. Die Adrcßdebatte hat
sich diese ganze Woche hindurchgezogen. Ihre Bedeutung wurde von allen Seiten
anerkannt, es war Allen gleich klar, daß es sich um Leben und Tod handle. Die
Opposition hat gesiegt, Kossuth'ö Adreßmotion wurde angenommen und unser ge¬
liebter König wird den warmen Dank der Nation empfangen, er wird aber zugleich
ihre ungeheuchelte Stimmung gegen die Regierung, ihre Meinung vom jetzigen
NegiernngSsysteme vollkommen genau kennen lernen. Die conservative Partei trat
zuerst in die Schranken, ihr um.t«>» mort«z-c:Je>c,>,ete,<z Stadthaltereirath Somsich
(Schomschitsch) hatte auf den ersten Platz pränumerirt. Er war eine Woche früher
pränvtirt, da er wahrscheinlich dachte «lui ,>um- toi»»or«z potior jar« und ein ande¬
res Recht spricht ohnehin kaum für seine Sache. Nachdem er der Regierung einen
Panegyrikus gehalten hatte und den Conservativen eine Lobrede, nachdem er über die
königl. Proportionen, eigentlich über die denselben beigefügten Gesetzvorschläge, ganz
freudetrunken gewesen war, stellte er seinen Antrag dahin, daß man dem Könige für
seine allergnädigste Sanctionirung unserer Nationalität, für die Palatinatbestätigung
des Erzherzog? und für die königlichen Propositionen den Dank der Nation ausspreche
(und zugleich der Regierung für ihre offenbaren in den Gesetzvvrschlägen niederge¬
legten Neformabsichten), und endlich soll Se. Maj. um Abstellung der schon am
letzten Landtage uuterbreiteten Beschwerden unterthänigst ersucht werden. Dies war
der Inhalt seiner ziemlich langen Rede und ich darf es ohne alle Parteilichkeit
aussprechen, daß sie kein Meisterstück war, wie überhaupt die Regierungspartei,



Der Redacteur der Preßburger Zeitung macht in seinem Blatte darauf aufmerksam,
daß die deutsche Presse mit Unrecht das ungarische Parlament „Landtag" nenne, indem Reichs¬
tag der gesetzliche Ausdruck sei.
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[0426] Briefe vom ungarischen Reichstage IV. Die Ndreßdib«lie. — SwttlMcr-ir-Mi S-msicb. — Kossuch und Graf S;,;es^>pi. — Worin Beide einig sind. — Kcssuth'S Rede. — Eiwühnung der böhmische» Angelegenheit-». Der Kampf hätte also in allem Ernste begonnen. Die Parteien haben sich gemessen. Die Richtung, die der Reichstag nehmen wird, wäre nnn gewissermaßen entschieden und es hängt jetzt von der Magnatcntafel ab, ob die Charte eine Wahr¬ heit werden, ob unsere Constitution keine bloße Illusion bleiben solle, ob die Re- formbestrebungen dem gewünschten Ziele zugeführt werden. Die Adrcßdebatte hat sich diese ganze Woche hindurchgezogen. Ihre Bedeutung wurde von allen Seiten anerkannt, es war Allen gleich klar, daß es sich um Leben und Tod handle. Die Opposition hat gesiegt, Kossuth'ö Adreßmotion wurde angenommen und unser ge¬ liebter König wird den warmen Dank der Nation empfangen, er wird aber zugleich ihre ungeheuchelte Stimmung gegen die Regierung, ihre Meinung vom jetzigen NegiernngSsysteme vollkommen genau kennen lernen. Die conservative Partei trat zuerst in die Schranken, ihr um.t«>» mort«z-c:Je>c,>,ete,<z Stadthaltereirath Somsich (Schomschitsch) hatte auf den ersten Platz pränumerirt. Er war eine Woche früher pränvtirt, da er wahrscheinlich dachte «lui ,>um- toi»»or«z potior jar« und ein ande¬ res Recht spricht ohnehin kaum für seine Sache. Nachdem er der Regierung einen Panegyrikus gehalten hatte und den Conservativen eine Lobrede, nachdem er über die königl. Proportionen, eigentlich über die denselben beigefügten Gesetzvorschläge, ganz freudetrunken gewesen war, stellte er seinen Antrag dahin, daß man dem Könige für seine allergnädigste Sanctionirung unserer Nationalität, für die Palatinatbestätigung des Erzherzog? und für die königlichen Propositionen den Dank der Nation ausspreche (und zugleich der Regierung für ihre offenbaren in den Gesetzvvrschlägen niederge¬ legten Neformabsichten), und endlich soll Se. Maj. um Abstellung der schon am letzten Landtage uuterbreiteten Beschwerden unterthänigst ersucht werden. Dies war der Inhalt seiner ziemlich langen Rede und ich darf es ohne alle Parteilichkeit aussprechen, daß sie kein Meisterstück war, wie überhaupt die Regierungspartei, Der Redacteur der Preßburger Zeitung macht in seinem Blatte darauf aufmerksam, daß die deutsche Presse mit Unrecht das ungarische Parlament „Landtag" nenne, indem Reichs¬ tag der gesetzliche Ausdruck sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/426>, abgerufen am 22.07.2024.