Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
H i l d e S h e i in.
Eine Reiseskizze.
^^

Hannoverischer Verhältnisse wird in Ihrem Blatte selten Erwähnung gethan.
Es kann das anch nicht anders sein, das Land hat seit mehreren Jahren kaum
ein Zeichen innerer Lebensthätigkeit von sich gegeben. Die Cabinetsordres, welche
der Thronbesteigung des jetzigen Königs folgten, ließen es in einen Starrkrampf
verfallen und bis jetzt ist noch keine Aussicht vorhanden, daß es bald daraus er¬
wachen werde. Die Regierung vermeidet jede allzu unsanfte Berührung, die es
aus seinem Todtenschlaf aufrütteln könnte. Ein Streben nach Ordnung und Ge¬
rechtigkeit in der Verwaltung ist nicht zu verkennen. Ueberall macht es sich gel¬
tend, insoweit das leitende Regierungssystem selbst ein gerechtes ist. Das mate¬
rielle Wohlbefinden deS Staates ist seit ein gesteigertes.

Einer der kostbarsten Steine in der Krone Hannovers ist das Fürstenthum
Hildesheim.

Von Braunschweig her rollten wir ans dem Schienenwege der Hauptstadt die¬
ser Provinz zu. Mein Reisegefährte war ein entschiedener Gegner der Eisenbahnen.
Ihm war die Locomotive ein Feuer und Dampf schnaubender Dämon, der, eine
Ereatur vom bösen Geiste des eisernen Zeitalters, der Welt die letzten süßen Täu¬
schungen raubt, indem er den poetischen Schleier der Ferne zerreißt, und die ro¬
mantische" Situationen des Wanderlebens unmöglich macht. In vorliegendem
Falle konnte jedoch auch er der Schnelligkeit seine Anerkennung uicht versagen,
">it welcher uns der Handlanger des bösen Princips beförderte. Denn rechts
und links dehnten sich öde Haideflächen, die in der Ferne mit dem grauen Wol-
kenhimmel, oder einer traurigen Folge einzelner Weiden abschlossen. Erst in der
Nähe vou Hildesheim eutschwelleu der Ebene fruchtbare Fluren in bewegten Li¬
nien, und mannigfaltige Saaten verleihen der Gegend Farbenschmuck. Bald treten
dann die Thürme des alten Bischofsfitzes klarer aus der nebligen Ferne, noch eine
große Krümmung ist zu durcheilen und man ist am Ziele angelangt.

Die Sonne barg eben ihren Feuerkörper hinter der schönen westlichen Hügel-
reihe, als wir im Bahnhofe ankamen. Zauberisch brachen sich ihre letzten Strad-


H i l d e S h e i in.
Eine Reiseskizze.
^^

Hannoverischer Verhältnisse wird in Ihrem Blatte selten Erwähnung gethan.
Es kann das anch nicht anders sein, das Land hat seit mehreren Jahren kaum
ein Zeichen innerer Lebensthätigkeit von sich gegeben. Die Cabinetsordres, welche
der Thronbesteigung des jetzigen Königs folgten, ließen es in einen Starrkrampf
verfallen und bis jetzt ist noch keine Aussicht vorhanden, daß es bald daraus er¬
wachen werde. Die Regierung vermeidet jede allzu unsanfte Berührung, die es
aus seinem Todtenschlaf aufrütteln könnte. Ein Streben nach Ordnung und Ge¬
rechtigkeit in der Verwaltung ist nicht zu verkennen. Ueberall macht es sich gel¬
tend, insoweit das leitende Regierungssystem selbst ein gerechtes ist. Das mate¬
rielle Wohlbefinden deS Staates ist seit ein gesteigertes.

Einer der kostbarsten Steine in der Krone Hannovers ist das Fürstenthum
Hildesheim.

Von Braunschweig her rollten wir ans dem Schienenwege der Hauptstadt die¬
ser Provinz zu. Mein Reisegefährte war ein entschiedener Gegner der Eisenbahnen.
Ihm war die Locomotive ein Feuer und Dampf schnaubender Dämon, der, eine
Ereatur vom bösen Geiste des eisernen Zeitalters, der Welt die letzten süßen Täu¬
schungen raubt, indem er den poetischen Schleier der Ferne zerreißt, und die ro¬
mantische« Situationen des Wanderlebens unmöglich macht. In vorliegendem
Falle konnte jedoch auch er der Schnelligkeit seine Anerkennung uicht versagen,
»>it welcher uns der Handlanger des bösen Princips beförderte. Denn rechts
und links dehnten sich öde Haideflächen, die in der Ferne mit dem grauen Wol-
kenhimmel, oder einer traurigen Folge einzelner Weiden abschlossen. Erst in der
Nähe vou Hildesheim eutschwelleu der Ebene fruchtbare Fluren in bewegten Li¬
nien, und mannigfaltige Saaten verleihen der Gegend Farbenschmuck. Bald treten
dann die Thürme des alten Bischofsfitzes klarer aus der nebligen Ferne, noch eine
große Krümmung ist zu durcheilen und man ist am Ziele angelangt.

Die Sonne barg eben ihren Feuerkörper hinter der schönen westlichen Hügel-
reihe, als wir im Bahnhofe ankamen. Zauberisch brachen sich ihre letzten Strad-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185185"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> H i l d e S h e i in.<lb/>
Eine Reiseskizze.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> ^^</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1364"> Hannoverischer Verhältnisse wird in Ihrem Blatte selten Erwähnung gethan.<lb/>
Es kann das anch nicht anders sein, das Land hat seit mehreren Jahren kaum<lb/>
ein Zeichen innerer Lebensthätigkeit von sich gegeben. Die Cabinetsordres, welche<lb/>
der Thronbesteigung des jetzigen Königs folgten, ließen es in einen Starrkrampf<lb/>
verfallen und bis jetzt ist noch keine Aussicht vorhanden, daß es bald daraus er¬<lb/>
wachen werde. Die Regierung vermeidet jede allzu unsanfte Berührung, die es<lb/>
aus seinem Todtenschlaf aufrütteln könnte. Ein Streben nach Ordnung und Ge¬<lb/>
rechtigkeit in der Verwaltung ist nicht zu verkennen. Ueberall macht es sich gel¬<lb/>
tend, insoweit das leitende Regierungssystem selbst ein gerechtes ist. Das mate¬<lb/>
rielle Wohlbefinden deS Staates ist seit    ein gesteigertes.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1365"> Einer der kostbarsten Steine in der Krone Hannovers ist das Fürstenthum<lb/>
Hildesheim.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1366"> Von Braunschweig her rollten wir ans dem Schienenwege der Hauptstadt die¬<lb/>
ser Provinz zu. Mein Reisegefährte war ein entschiedener Gegner der Eisenbahnen.<lb/>
Ihm war die Locomotive ein Feuer und Dampf schnaubender Dämon, der, eine<lb/>
Ereatur vom bösen Geiste des eisernen Zeitalters, der Welt die letzten süßen Täu¬<lb/>
schungen raubt, indem er den poetischen Schleier der Ferne zerreißt, und die ro¬<lb/>
mantische« Situationen des Wanderlebens unmöglich macht. In vorliegendem<lb/>
Falle konnte jedoch auch er der Schnelligkeit seine Anerkennung uicht versagen,<lb/>
»&gt;it welcher uns der Handlanger des bösen Princips beförderte. Denn rechts<lb/>
und links dehnten sich öde Haideflächen, die in der Ferne mit dem grauen Wol-<lb/>
kenhimmel, oder einer traurigen Folge einzelner Weiden abschlossen. Erst in der<lb/>
Nähe vou Hildesheim eutschwelleu der Ebene fruchtbare Fluren in bewegten Li¬<lb/>
nien, und mannigfaltige Saaten verleihen der Gegend Farbenschmuck. Bald treten<lb/>
dann die Thürme des alten Bischofsfitzes klarer aus der nebligen Ferne, noch eine<lb/>
große Krümmung ist zu durcheilen und man ist am Ziele angelangt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1367" next="#ID_1368"> Die Sonne barg eben ihren Feuerkörper hinter der schönen westlichen Hügel-<lb/>
reihe, als wir im Bahnhofe ankamen. Zauberisch brachen sich ihre letzten Strad-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0421] H i l d e S h e i in. Eine Reiseskizze. ^^ Hannoverischer Verhältnisse wird in Ihrem Blatte selten Erwähnung gethan. Es kann das anch nicht anders sein, das Land hat seit mehreren Jahren kaum ein Zeichen innerer Lebensthätigkeit von sich gegeben. Die Cabinetsordres, welche der Thronbesteigung des jetzigen Königs folgten, ließen es in einen Starrkrampf verfallen und bis jetzt ist noch keine Aussicht vorhanden, daß es bald daraus er¬ wachen werde. Die Regierung vermeidet jede allzu unsanfte Berührung, die es aus seinem Todtenschlaf aufrütteln könnte. Ein Streben nach Ordnung und Ge¬ rechtigkeit in der Verwaltung ist nicht zu verkennen. Ueberall macht es sich gel¬ tend, insoweit das leitende Regierungssystem selbst ein gerechtes ist. Das mate¬ rielle Wohlbefinden deS Staates ist seit ein gesteigertes. Einer der kostbarsten Steine in der Krone Hannovers ist das Fürstenthum Hildesheim. Von Braunschweig her rollten wir ans dem Schienenwege der Hauptstadt die¬ ser Provinz zu. Mein Reisegefährte war ein entschiedener Gegner der Eisenbahnen. Ihm war die Locomotive ein Feuer und Dampf schnaubender Dämon, der, eine Ereatur vom bösen Geiste des eisernen Zeitalters, der Welt die letzten süßen Täu¬ schungen raubt, indem er den poetischen Schleier der Ferne zerreißt, und die ro¬ mantische« Situationen des Wanderlebens unmöglich macht. In vorliegendem Falle konnte jedoch auch er der Schnelligkeit seine Anerkennung uicht versagen, »>it welcher uns der Handlanger des bösen Princips beförderte. Denn rechts und links dehnten sich öde Haideflächen, die in der Ferne mit dem grauen Wol- kenhimmel, oder einer traurigen Folge einzelner Weiden abschlossen. Erst in der Nähe vou Hildesheim eutschwelleu der Ebene fruchtbare Fluren in bewegten Li¬ nien, und mannigfaltige Saaten verleihen der Gegend Farbenschmuck. Bald treten dann die Thürme des alten Bischofsfitzes klarer aus der nebligen Ferne, noch eine große Krümmung ist zu durcheilen und man ist am Ziele angelangt. Die Sonne barg eben ihren Feuerkörper hinter der schönen westlichen Hügel- reihe, als wir im Bahnhofe ankamen. Zauberisch brachen sich ihre letzten Strad-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/421
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/421>, abgerufen am 22.07.2024.