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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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laßte und geleitete Steinhölzlifest bereitet. Die aus waldigen Mächte waren gerade
mit ihrer völkerrechtswidrigen Theorie von " der indirecten Ruhestörung der Nach¬
barstaaten " hervorgetreten. Mail drohte mit einem Heere. Die Schweizer waren
mit den Berliner Redensarten "Bange machen gilt nicht" und "nur uicht ängst¬
lich" zu wenig bekannt. Die große Masse der Liberalen stieß daher in's Noth¬
horn, und die wenigen entschiedener Gesinnten konnten gegen sie nicht aufkommen.
Damals erwarb sich Bürgermeister Hirzel schmähliche Lorbeer" für seiue Friedens-
geflnnung. Ich that was ich konnte, in der Neuen Züricher Zeitung deu Muth
der Liberalen aufrecht zu erhalten, und mußte abdanken, anch in dem mir bald
darauf übertragenen Schweizerischen Republikaner sprach ich in diesen Angelegen¬
heiten nicht die Ansicht der Mehrzahl des liberalen Züricher Volkes aus. Volks-
versammlungen wurden berufen, und von den Leitern der radicalen Partei Zusam¬
menkünfte gehalten, um sich zu berathen, was zu thun sei; alles ohne Erfolg.
Die Schweiz gab nach. Und der Berner Bär, der damals noch gewaltig brummte,
bekam bald genug mit der Diplomatie Händel in seinein eigenen Canton (die
Steinhölzligeschichte), in Folge dessen er demüthig zu Loche kroch. Meine thätigste
Periode als Publicist fällt in diese Zeit. Damit anch Diejenigen, welche von
der Steinholzligeschichte nie gehört, oder was es eigentlich für eine Bewandtniß
damit, vergessen haben, will ich dieses in seiner Art höchst unbedeutenden Anlas¬
ses zur Einmischung der fremden Mächte mit einfachen Worten erwähnen. Es
war, glaube ich, im Juni 1834, als eine Anzahl deutscher Handwerker, denen
sich einige deutsche Flüchtlinge unter Leitung von Lessing, einem preußischen
Spion, angeschlossen hatten, eine Feier in einem kleinen Wäldchen bei Bern,
das Steinhölzli genannt, veranstalteten. Bei dieser Zusammenkunft, in wel¬
cher man einige Lieder revolutionairer Art gesungen, ward ein">, kleine Fahne
mit den Wappenfnrben der 38 deutschen Staaten zu Boden geworfen, und
statt ihrer eine größere schwarz-roth-goldene aufgesteckt. Das war das ganze
Politische Verbrechen, welches man als Vorwand brauchte, um der Schweizer De-
mocratie und Demagogie zu Leibe zu gehen. Damals nahm die französische Re¬
gierung noch den Schein an, als wolle sie im Ernste die Freiheit der Schweizer
respectirt wissen, und namentlich das radicale Regiment der Burgdorfcr Schnelle in
seinen Schutz nehmen. Ans dieses Krähen des gallischen Hahnes hin hatte denn
auch der Berner Bär tapfer gebrummt. Jetzt aber fiel es dem streitlustigen Vo¬
gel noch einmal ein, seine Flügel ruhig zusammenzulegen und mit bescheidener
Miene umherzugehen. Große Bestürzung in Bern. Und je größer früher die
Plumpheit gewesen war, mit der Bruder Pätz zugeschlagen hatte, wenn ihm di¬
plomatische Noten präsentirt wurden, je mehr hatte er sich jetzt zu demüthigen.
Mir sagte damals der Bürgermeister Heß von Zürich, da ich ihm eines Morgens
eine Art politischen Besuches in diesen Angelegenheiten machte: "Ehe ich diese
Note unterschrieben, hätte ich mir lieber die rechte Hand abhauen lassen." Alles


laßte und geleitete Steinhölzlifest bereitet. Die aus waldigen Mächte waren gerade
mit ihrer völkerrechtswidrigen Theorie von „ der indirecten Ruhestörung der Nach¬
barstaaten " hervorgetreten. Mail drohte mit einem Heere. Die Schweizer waren
mit den Berliner Redensarten „Bange machen gilt nicht" und „nur uicht ängst¬
lich" zu wenig bekannt. Die große Masse der Liberalen stieß daher in's Noth¬
horn, und die wenigen entschiedener Gesinnten konnten gegen sie nicht aufkommen.
Damals erwarb sich Bürgermeister Hirzel schmähliche Lorbeer» für seiue Friedens-
geflnnung. Ich that was ich konnte, in der Neuen Züricher Zeitung deu Muth
der Liberalen aufrecht zu erhalten, und mußte abdanken, anch in dem mir bald
darauf übertragenen Schweizerischen Republikaner sprach ich in diesen Angelegen¬
heiten nicht die Ansicht der Mehrzahl des liberalen Züricher Volkes aus. Volks-
versammlungen wurden berufen, und von den Leitern der radicalen Partei Zusam¬
menkünfte gehalten, um sich zu berathen, was zu thun sei; alles ohne Erfolg.
Die Schweiz gab nach. Und der Berner Bär, der damals noch gewaltig brummte,
bekam bald genug mit der Diplomatie Händel in seinein eigenen Canton (die
Steinhölzligeschichte), in Folge dessen er demüthig zu Loche kroch. Meine thätigste
Periode als Publicist fällt in diese Zeit. Damit anch Diejenigen, welche von
der Steinholzligeschichte nie gehört, oder was es eigentlich für eine Bewandtniß
damit, vergessen haben, will ich dieses in seiner Art höchst unbedeutenden Anlas¬
ses zur Einmischung der fremden Mächte mit einfachen Worten erwähnen. Es
war, glaube ich, im Juni 1834, als eine Anzahl deutscher Handwerker, denen
sich einige deutsche Flüchtlinge unter Leitung von Lessing, einem preußischen
Spion, angeschlossen hatten, eine Feier in einem kleinen Wäldchen bei Bern,
das Steinhölzli genannt, veranstalteten. Bei dieser Zusammenkunft, in wel¬
cher man einige Lieder revolutionairer Art gesungen, ward ein«>, kleine Fahne
mit den Wappenfnrben der 38 deutschen Staaten zu Boden geworfen, und
statt ihrer eine größere schwarz-roth-goldene aufgesteckt. Das war das ganze
Politische Verbrechen, welches man als Vorwand brauchte, um der Schweizer De-
mocratie und Demagogie zu Leibe zu gehen. Damals nahm die französische Re¬
gierung noch den Schein an, als wolle sie im Ernste die Freiheit der Schweizer
respectirt wissen, und namentlich das radicale Regiment der Burgdorfcr Schnelle in
seinen Schutz nehmen. Ans dieses Krähen des gallischen Hahnes hin hatte denn
auch der Berner Bär tapfer gebrummt. Jetzt aber fiel es dem streitlustigen Vo¬
gel noch einmal ein, seine Flügel ruhig zusammenzulegen und mit bescheidener
Miene umherzugehen. Große Bestürzung in Bern. Und je größer früher die
Plumpheit gewesen war, mit der Bruder Pätz zugeschlagen hatte, wenn ihm di¬
plomatische Noten präsentirt wurden, je mehr hatte er sich jetzt zu demüthigen.
Mir sagte damals der Bürgermeister Heß von Zürich, da ich ihm eines Morgens
eine Art politischen Besuches in diesen Angelegenheiten machte: „Ehe ich diese
Note unterschrieben, hätte ich mir lieber die rechte Hand abhauen lassen." Alles


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/349>, abgerufen am 22.07.2024.