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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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die Normannen wird anerkannt, aber weltgeschichtlich ganz verschieden von diesem
isolirten, folgenlosen Ereigniß ist die Auffindung des tropischen Amerika, wenn¬
gleich Columbus, nur einen kürzern Weg nach Ostasien suchend, weder je die
Absicht hatte, einen neuen Welttheil aufzufinden, noch bis zu seinem Tode glaubte,
audere als ostasiatische Küsten berührt zu haben. "Der Einfluß, den die nauti¬
schen Entdeckungen am Ende des 15. und im Anfang des 1<>. Jahrhunderts ans
die Bereicherung der Ideenwelt ausgeübt haben, wird erst verständlich, wenn
man eiuen Blick auf diejenigen Jahrhunderte wirft, welche Columbus von der
Blüthe wissenschaftlicher Cultur unter den Arabern trennen." "Was der Rara
des Kolumbus ihren eigenthümlichen Charakter gab, den eines ununterbrochenen
Strebens nach erweiterter Erdkenntniß, war das Auftreten einer kleinen Zahl kühner
Männer, die zum freien Selbstdenken anregten, die erneuerte Bekanntschaft mit den
Werken der griechischen Literatur, die Erfindung der Buchdruckerkunst, die mer-
kantilischen Reisen nach Ostasien und Südindien, und der Gebrauch des Seecom-
passes." --> Zunächst war der Character der neuerworbenen Kenntniß mehr be¬
schaulich als wissenschaftlich, mehr anregend als erschöpfend. -- " Die Entdeckung
von Amerika trifft zusammen mit der höchsten Blüthe der Kunst, mit dem Errin¬
gen eines Theiles der geistigen Freiheit durch die religiöse Reform, alö Vorspiel
großer politischer Umwälzungen. Die Kühnheit des genuesischen Seefahrers ist
das erste Glied in der unermeßlichen Kette verhängnißvoller Begebenheiten." --
Wissenschaftlich gezeitigt werden diese irdischen Entdeckungen durch die Einsicht in
den Himmel, dessen Tiefen das Fernrohr dem irdischen Blick öffnete. -- "Für
die Schicksale der Astronomie und ihre Begründung bezeichnet die Entdeckung der
kleinen Jupiterswelt eine denkwürdige Epoche. Die Jupitersmonde veranlassen
die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts, und die Erkenntniß dieser Ge¬
schwindigkeit führt zur Erklärung der Aberrations-Ellipse der Fixsterne, d. h. zu
dem sinnlichen Beweise von der translatorischen Bewegung der Erde." "Wenn
mich das 17. Jahrhundert in seinem Anfang der plötzlichen Erweiterung der
Kenntnisse der Himmelsräume durch Galilei und Kepler, an seinem Ende den Fort¬
schritten des reinen mathematischen Wissens durch Newton und Leibnitz seinen Haupt-
glanz verdankt, so hat doch auch in dieser großen Zeit der wichtigste Theil der
physikalischen Probleme in den Processen des Lichts, der Wärme und des Mag¬
netismus eine befruchtende Pflege erfahren." "In der größten aller geognosti-
schen Erscheinungen, in der mathematischen Gestalt der Erde, spiegeln sich erkenn¬
bar die Zustände der Urzeit ab, d. h. die primitive Flüssigkeit der rotirenden
Masse und ihre Erhärtung als Erdsphäroid." " Die Erdgestaltung wird von New¬
ton aus theoretischen Gründen erkannt, und so die Kraft aufgefunden, von deren
Wirkung die Kepler'schen Gesetze die nothwendige Folge sind. Die Auffindung
einer solchen Kraft, deren Dasein in Newton's unsterblichem Werk der Principien
entwickelt wird, ist fast gleichzeitig mit den durch ti? Infinitesimalrechnung eröff-


die Normannen wird anerkannt, aber weltgeschichtlich ganz verschieden von diesem
isolirten, folgenlosen Ereigniß ist die Auffindung des tropischen Amerika, wenn¬
gleich Columbus, nur einen kürzern Weg nach Ostasien suchend, weder je die
Absicht hatte, einen neuen Welttheil aufzufinden, noch bis zu seinem Tode glaubte,
audere als ostasiatische Küsten berührt zu haben. „Der Einfluß, den die nauti¬
schen Entdeckungen am Ende des 15. und im Anfang des 1<>. Jahrhunderts ans
die Bereicherung der Ideenwelt ausgeübt haben, wird erst verständlich, wenn
man eiuen Blick auf diejenigen Jahrhunderte wirft, welche Columbus von der
Blüthe wissenschaftlicher Cultur unter den Arabern trennen." „Was der Rara
des Kolumbus ihren eigenthümlichen Charakter gab, den eines ununterbrochenen
Strebens nach erweiterter Erdkenntniß, war das Auftreten einer kleinen Zahl kühner
Männer, die zum freien Selbstdenken anregten, die erneuerte Bekanntschaft mit den
Werken der griechischen Literatur, die Erfindung der Buchdruckerkunst, die mer-
kantilischen Reisen nach Ostasien und Südindien, und der Gebrauch des Seecom-
passes." —> Zunächst war der Character der neuerworbenen Kenntniß mehr be¬
schaulich als wissenschaftlich, mehr anregend als erschöpfend. — „ Die Entdeckung
von Amerika trifft zusammen mit der höchsten Blüthe der Kunst, mit dem Errin¬
gen eines Theiles der geistigen Freiheit durch die religiöse Reform, alö Vorspiel
großer politischer Umwälzungen. Die Kühnheit des genuesischen Seefahrers ist
das erste Glied in der unermeßlichen Kette verhängnißvoller Begebenheiten." —
Wissenschaftlich gezeitigt werden diese irdischen Entdeckungen durch die Einsicht in
den Himmel, dessen Tiefen das Fernrohr dem irdischen Blick öffnete. — „Für
die Schicksale der Astronomie und ihre Begründung bezeichnet die Entdeckung der
kleinen Jupiterswelt eine denkwürdige Epoche. Die Jupitersmonde veranlassen
die Entdeckung der Geschwindigkeit des Lichts, und die Erkenntniß dieser Ge¬
schwindigkeit führt zur Erklärung der Aberrations-Ellipse der Fixsterne, d. h. zu
dem sinnlichen Beweise von der translatorischen Bewegung der Erde." „Wenn
mich das 17. Jahrhundert in seinem Anfang der plötzlichen Erweiterung der
Kenntnisse der Himmelsräume durch Galilei und Kepler, an seinem Ende den Fort¬
schritten des reinen mathematischen Wissens durch Newton und Leibnitz seinen Haupt-
glanz verdankt, so hat doch auch in dieser großen Zeit der wichtigste Theil der
physikalischen Probleme in den Processen des Lichts, der Wärme und des Mag¬
netismus eine befruchtende Pflege erfahren." „In der größten aller geognosti-
schen Erscheinungen, in der mathematischen Gestalt der Erde, spiegeln sich erkenn¬
bar die Zustände der Urzeit ab, d. h. die primitive Flüssigkeit der rotirenden
Masse und ihre Erhärtung als Erdsphäroid." „ Die Erdgestaltung wird von New¬
ton aus theoretischen Gründen erkannt, und so die Kraft aufgefunden, von deren
Wirkung die Kepler'schen Gesetze die nothwendige Folge sind. Die Auffindung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/330>, abgerufen am 22.07.2024.