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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Beamte muß darüber zur Rechenschaft gezogen und nach vollführtem Verfahren
erkannt werden, ob an ihm diese oder jene nachtheilige Eigenschaft hafte.

Die Auszeichnung eines Beamten vor seinen Mitbcamten schließt die Tüch¬
tigkeit dieser Letzter" nicht ans. Die Tüchtigkeit eines Beamten besteht in der
Verwendbarkeit zu seinem Posten und allen höhern Dienstposten, welche ihm eine
nicht überschätzte Zukunft in Aussicht stellt. Die Ansprüche eines Beamten ans
Vorrückung, Gehaltszulagen, Titel, Pension u. s. w. werden nach keiner andern
Richtschnur beurtheilt, als nach seiner Tüchtigkeit und seinem Dienstalter. So
ziehen Auszeichnungen jeder Art eine außerordentliche Vorrückung aus der hier¬
archischen Stufenleiter nicht nach sich. In der That sind außerordentliche Ver¬
dienste eine Sache der Beurtheilung Weniger. Sie werden einseitig, ungerecht,
sie werde" "ach veränderlichen Maßstäben beurtheilt. Aber auch abgesehen hiervon
würde der Staat, indem er besondere Verdienste mit außerordentliche" Vorrückuugen
belohnte, de" Mitbcamtc" des Belohnten genan so viel entziehen, als er diesem
gewährt. Er würde gegebene Zusagen breche", "ach welche" treue Dienste ein
Recht auf Vorrückung geben. Er würde aus fremden: Säckel lohnen, was auf
seine, und nnr auf seine Erkenntlichkeit Anspruch hätte.

Insofern dem Beamten nur bewiesene Umstände nachtheilig sein könne", kann
er über kei" Unrecht klage", wenn er jene Uebel erleidet, welche die ihm zuer¬
kannte" "achtseitige" Eigenschaften gesetzlich oder der Natur der Sache nach mit
sich bringe". Er ka"" sich bemühe" gut zu machen was er übel gemacht. Er
kann trachten in Lagen zu kommen, in welchen eine unablcgbare Eigenschaft ihn
nicht weiter benachtheiligt. Er kann ansuchen, vou einem Kollegium in ein Bu¬
reau übersetzt zu werden, wenn gegen ihn angeführt wird, er sei schwerhörig.
Er kann sich von der Eavallerie zur Jnfantrie übersetzen lassen, falls ihm un¬
geschicktes Reiten nachgewiesen wurde u. s. w.

So hat der Beamte, über welchen keine Conduitenliste geführt wird, eine über
unbestimmte Besorgnisse erhabene Stellung. Kein Jüngerer im Dienste springt
ihm auf der hierarchische" Stufenleiter vor, insofern' nicht bewiesen ist, daß er
selbst für den höher" Posten unfähig sei. Insofern er seine Pflicht redlich erfüllt,
braucht er nicht zu schmeicheln, nicht zu heucheln und nichts zu schenken, um das
zu erreiche", was er vernünftiger Weise erwarten konnte. Er ist ein freier Mann,
weil er Niemand Unterthan ist als dem Gesetze.

Die Coudnitcnlisten aber sind von Unzulänglichkeiten begleitet, welche von
ihnen untrennbar sein dürften.

Die Juristen nennen existent, was erscheint. Sie nennen erschienen, was be¬
wiesen ist____ Entgegen diesen unbestrittenen Rechtsgrundsätzen braucht der In.
halt der Conduitenliste nicht bewiesen zu werde". Wenn der geringste Unterthan
mit einem Tage Arrest oder einen Gulden gestraft werden soll, wenn er nnr mit
einem Verweis gestraft werden soll, genügt eine Angabe nie und nirgend. Wenn


Beamte muß darüber zur Rechenschaft gezogen und nach vollführtem Verfahren
erkannt werden, ob an ihm diese oder jene nachtheilige Eigenschaft hafte.

Die Auszeichnung eines Beamten vor seinen Mitbcamten schließt die Tüch¬
tigkeit dieser Letzter» nicht ans. Die Tüchtigkeit eines Beamten besteht in der
Verwendbarkeit zu seinem Posten und allen höhern Dienstposten, welche ihm eine
nicht überschätzte Zukunft in Aussicht stellt. Die Ansprüche eines Beamten ans
Vorrückung, Gehaltszulagen, Titel, Pension u. s. w. werden nach keiner andern
Richtschnur beurtheilt, als nach seiner Tüchtigkeit und seinem Dienstalter. So
ziehen Auszeichnungen jeder Art eine außerordentliche Vorrückung aus der hier¬
archischen Stufenleiter nicht nach sich. In der That sind außerordentliche Ver¬
dienste eine Sache der Beurtheilung Weniger. Sie werden einseitig, ungerecht,
sie werde» «ach veränderlichen Maßstäben beurtheilt. Aber auch abgesehen hiervon
würde der Staat, indem er besondere Verdienste mit außerordentliche» Vorrückuugen
belohnte, de» Mitbcamtc» des Belohnten genan so viel entziehen, als er diesem
gewährt. Er würde gegebene Zusagen breche», »ach welche» treue Dienste ein
Recht auf Vorrückung geben. Er würde aus fremden: Säckel lohnen, was auf
seine, und nnr auf seine Erkenntlichkeit Anspruch hätte.

Insofern dem Beamten nur bewiesene Umstände nachtheilig sein könne», kann
er über kei» Unrecht klage», wenn er jene Uebel erleidet, welche die ihm zuer¬
kannte» »achtseitige» Eigenschaften gesetzlich oder der Natur der Sache nach mit
sich bringe». Er ka»» sich bemühe» gut zu machen was er übel gemacht. Er
kann trachten in Lagen zu kommen, in welchen eine unablcgbare Eigenschaft ihn
nicht weiter benachtheiligt. Er kann ansuchen, vou einem Kollegium in ein Bu¬
reau übersetzt zu werden, wenn gegen ihn angeführt wird, er sei schwerhörig.
Er kann sich von der Eavallerie zur Jnfantrie übersetzen lassen, falls ihm un¬
geschicktes Reiten nachgewiesen wurde u. s. w.

So hat der Beamte, über welchen keine Conduitenliste geführt wird, eine über
unbestimmte Besorgnisse erhabene Stellung. Kein Jüngerer im Dienste springt
ihm auf der hierarchische» Stufenleiter vor, insofern' nicht bewiesen ist, daß er
selbst für den höher» Posten unfähig sei. Insofern er seine Pflicht redlich erfüllt,
braucht er nicht zu schmeicheln, nicht zu heucheln und nichts zu schenken, um das
zu erreiche», was er vernünftiger Weise erwarten konnte. Er ist ein freier Mann,
weil er Niemand Unterthan ist als dem Gesetze.

Die Coudnitcnlisten aber sind von Unzulänglichkeiten begleitet, welche von
ihnen untrennbar sein dürften.

Die Juristen nennen existent, was erscheint. Sie nennen erschienen, was be¬
wiesen ist____ Entgegen diesen unbestrittenen Rechtsgrundsätzen braucht der In.
halt der Conduitenliste nicht bewiesen zu werde». Wenn der geringste Unterthan
mit einem Tage Arrest oder einen Gulden gestraft werden soll, wenn er nnr mit
einem Verweis gestraft werden soll, genügt eine Angabe nie und nirgend. Wenn


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[0278] Beamte muß darüber zur Rechenschaft gezogen und nach vollführtem Verfahren erkannt werden, ob an ihm diese oder jene nachtheilige Eigenschaft hafte. Die Auszeichnung eines Beamten vor seinen Mitbcamten schließt die Tüch¬ tigkeit dieser Letzter» nicht ans. Die Tüchtigkeit eines Beamten besteht in der Verwendbarkeit zu seinem Posten und allen höhern Dienstposten, welche ihm eine nicht überschätzte Zukunft in Aussicht stellt. Die Ansprüche eines Beamten ans Vorrückung, Gehaltszulagen, Titel, Pension u. s. w. werden nach keiner andern Richtschnur beurtheilt, als nach seiner Tüchtigkeit und seinem Dienstalter. So ziehen Auszeichnungen jeder Art eine außerordentliche Vorrückung aus der hier¬ archischen Stufenleiter nicht nach sich. In der That sind außerordentliche Ver¬ dienste eine Sache der Beurtheilung Weniger. Sie werden einseitig, ungerecht, sie werde» «ach veränderlichen Maßstäben beurtheilt. Aber auch abgesehen hiervon würde der Staat, indem er besondere Verdienste mit außerordentliche» Vorrückuugen belohnte, de» Mitbcamtc» des Belohnten genan so viel entziehen, als er diesem gewährt. Er würde gegebene Zusagen breche», »ach welche» treue Dienste ein Recht auf Vorrückung geben. Er würde aus fremden: Säckel lohnen, was auf seine, und nnr auf seine Erkenntlichkeit Anspruch hätte. Insofern dem Beamten nur bewiesene Umstände nachtheilig sein könne», kann er über kei» Unrecht klage», wenn er jene Uebel erleidet, welche die ihm zuer¬ kannte» »achtseitige» Eigenschaften gesetzlich oder der Natur der Sache nach mit sich bringe». Er ka»» sich bemühe» gut zu machen was er übel gemacht. Er kann trachten in Lagen zu kommen, in welchen eine unablcgbare Eigenschaft ihn nicht weiter benachtheiligt. Er kann ansuchen, vou einem Kollegium in ein Bu¬ reau übersetzt zu werden, wenn gegen ihn angeführt wird, er sei schwerhörig. Er kann sich von der Eavallerie zur Jnfantrie übersetzen lassen, falls ihm un¬ geschicktes Reiten nachgewiesen wurde u. s. w. So hat der Beamte, über welchen keine Conduitenliste geführt wird, eine über unbestimmte Besorgnisse erhabene Stellung. Kein Jüngerer im Dienste springt ihm auf der hierarchische» Stufenleiter vor, insofern' nicht bewiesen ist, daß er selbst für den höher» Posten unfähig sei. Insofern er seine Pflicht redlich erfüllt, braucht er nicht zu schmeicheln, nicht zu heucheln und nichts zu schenken, um das zu erreiche», was er vernünftiger Weise erwarten konnte. Er ist ein freier Mann, weil er Niemand Unterthan ist als dem Gesetze. Die Coudnitcnlisten aber sind von Unzulänglichkeiten begleitet, welche von ihnen untrennbar sein dürften. Die Juristen nennen existent, was erscheint. Sie nennen erschienen, was be¬ wiesen ist____ Entgegen diesen unbestrittenen Rechtsgrundsätzen braucht der In. halt der Conduitenliste nicht bewiesen zu werde». Wenn der geringste Unterthan mit einem Tage Arrest oder einen Gulden gestraft werden soll, wenn er nnr mit einem Verweis gestraft werden soll, genügt eine Angabe nie und nirgend. Wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/278>, abgerufen am 22.07.2024.