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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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ich eine Erklärung, die aber so wenig in der "Times", wie in dem "National"
abgedruckt werden konnte und endlich ein Rundschreiben an solche, die es interes-
sirte, von welchem 100 Exemplare abgezogen wurden.

Man kann es in der That nnr mit wahrem Mitleid -- denn Entrüstung
muß verstummen, wenn man auch die Folgen ans der andern Seite erwägt --
wenn sich Regierungen des elenden Mittels des Spionenwesens bedienen, um
sich, wie sie meinen, von den staatsgefährlichen Gesinnungen und hochverräteri¬
schen Plänen mißvergnügter Unterthanen in Kenntniß zu erhalten. Wie leicht
könnten sie diese Kenntniß von dem Barometerstande der öffentlichen Meinung
erlangen, wenn sie nur wollten, oder den Muth hätten. Aber in dem Spionen¬
wesen bewahrheitet sich mehr, als irgendwo "ud irgendwie der Satz, daß Uebel
Uebel erzeuge, und die Saat des Bösen uur in Schlechtigkeit und Verbrechen aus--
gehe und Früchte trage in Hinterlist, Verrath und Unglück.

Ein Spion, um sich thätig zu zeigen und unentbehrlich zu scheinen, muß
immer etwas zu berichten habe". Da es natürlicher Weise nicht immer etwas
zu berichten gibt, so muß er erfinden. Wenn wirklich klug, gewandt und pfiffig,
so werden seine Erfindungen oft tauschend den Stempel der Wahrheit tragen, aber
auch wenn ganz erlogen, werden sie einen Theil Glauben finden. Denn obwohl
diejenigen, weiche Spione verwenden, sich über ihren Charakter nicht täuschen
können, und obgleich sie vieles von dem, was ihnen berichtet wird, nnr als
Schreckmittel für höher Stehende brauchen, um gewisse Zwecke zu erreichen, so
liegt doch in der Schwäche der menschlichen Natur, daß sie zuletzt ansaugen, sich
vor den Gespenstern zu fürchten, welche sie selber bestellt und zu allen Zwecken
in der I^ternir ZVIl"xica politischer Intriguen vorräthig haben. Von allen Seiten
hören sie, daß es spukt, Dieser und Jener schwört, daß er den bösen Geist leib¬
haftig gesehen, ein anderer hat keine ruhige Nacht mehr, und zuletzt sängt auch
dem Zauberer an unheimlich zu werden, der vorher stets sich in's Fäustchen gelacht.
Es stellt sich ganz dasselbe ein, wie bei dem Erzählen von Gespenstergeschichten
an einem schaurigen Winterabend: auch den Muntersten und Beherztesten wird
es sonderbar zu Muthe, wenn er einen Ton, ein Geräusch hört, das uner¬
wartet ist, das er sich nicht sogleich zu erklären vermag.

Der Fluch, den das Spivnenwesen über Nationen, namentlich über Deutsch¬
land gebracht, ist noch lange nicht genug ermessen und gewürdigt. Von der
Wahrheit dessen, was ich so eben bemerkt, wird sich Jeder eine hinlängliche Vor¬
stellung machen können, der an die Zeiten denkt, in welchen der Demagogen-
Großinquisitor K..... in einem großen deutschen Staate sein furchtbares Wesen
trieb, der noch aus dem Grabe seiner politischen Wirksamkeit heraus die Leute
mit Popanzen schrecken will, an deren'Wirklichkeit er doch schwerlich selbst hat
glauben können. Ich erinnere hier an das, was noch vor kurzem einem würdi¬
gen deutschen Manne von jener Seite her vorgeworfen worden ist, worauf denn


ich eine Erklärung, die aber so wenig in der „Times", wie in dem „National"
abgedruckt werden konnte und endlich ein Rundschreiben an solche, die es interes-
sirte, von welchem 100 Exemplare abgezogen wurden.

Man kann es in der That nnr mit wahrem Mitleid — denn Entrüstung
muß verstummen, wenn man auch die Folgen ans der andern Seite erwägt —
wenn sich Regierungen des elenden Mittels des Spionenwesens bedienen, um
sich, wie sie meinen, von den staatsgefährlichen Gesinnungen und hochverräteri¬
schen Plänen mißvergnügter Unterthanen in Kenntniß zu erhalten. Wie leicht
könnten sie diese Kenntniß von dem Barometerstande der öffentlichen Meinung
erlangen, wenn sie nur wollten, oder den Muth hätten. Aber in dem Spionen¬
wesen bewahrheitet sich mehr, als irgendwo »ud irgendwie der Satz, daß Uebel
Uebel erzeuge, und die Saat des Bösen uur in Schlechtigkeit und Verbrechen aus--
gehe und Früchte trage in Hinterlist, Verrath und Unglück.

Ein Spion, um sich thätig zu zeigen und unentbehrlich zu scheinen, muß
immer etwas zu berichten habe». Da es natürlicher Weise nicht immer etwas
zu berichten gibt, so muß er erfinden. Wenn wirklich klug, gewandt und pfiffig,
so werden seine Erfindungen oft tauschend den Stempel der Wahrheit tragen, aber
auch wenn ganz erlogen, werden sie einen Theil Glauben finden. Denn obwohl
diejenigen, weiche Spione verwenden, sich über ihren Charakter nicht täuschen
können, und obgleich sie vieles von dem, was ihnen berichtet wird, nnr als
Schreckmittel für höher Stehende brauchen, um gewisse Zwecke zu erreichen, so
liegt doch in der Schwäche der menschlichen Natur, daß sie zuletzt ansaugen, sich
vor den Gespenstern zu fürchten, welche sie selber bestellt und zu allen Zwecken
in der I^ternir ZVIl»xica politischer Intriguen vorräthig haben. Von allen Seiten
hören sie, daß es spukt, Dieser und Jener schwört, daß er den bösen Geist leib¬
haftig gesehen, ein anderer hat keine ruhige Nacht mehr, und zuletzt sängt auch
dem Zauberer an unheimlich zu werden, der vorher stets sich in's Fäustchen gelacht.
Es stellt sich ganz dasselbe ein, wie bei dem Erzählen von Gespenstergeschichten
an einem schaurigen Winterabend: auch den Muntersten und Beherztesten wird
es sonderbar zu Muthe, wenn er einen Ton, ein Geräusch hört, das uner¬
wartet ist, das er sich nicht sogleich zu erklären vermag.

Der Fluch, den das Spivnenwesen über Nationen, namentlich über Deutsch¬
land gebracht, ist noch lange nicht genug ermessen und gewürdigt. Von der
Wahrheit dessen, was ich so eben bemerkt, wird sich Jeder eine hinlängliche Vor¬
stellung machen können, der an die Zeiten denkt, in welchen der Demagogen-
Großinquisitor K..... in einem großen deutschen Staate sein furchtbares Wesen
trieb, der noch aus dem Grabe seiner politischen Wirksamkeit heraus die Leute
mit Popanzen schrecken will, an deren'Wirklichkeit er doch schwerlich selbst hat
glauben können. Ich erinnere hier an das, was noch vor kurzem einem würdi¬
gen deutschen Manne von jener Seite her vorgeworfen worden ist, worauf denn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/243>, abgerufen am 22.07.2024.