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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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jer Jude im schlechtesten Sinne des Wortes hat mich nachher in den Zeitungen
angegriffen, als habe ich ihm zuviel, oder in einem andern Sinne nicht genug
gethan. Er und seines Gleichen sind mir aber zu verächtlich, viele Worte über sie
zu verliere". Ein anderer Jude (Lessing), den später ein unheilvolles Ende überraschte,
und dessen Tod sich beide politische Parteien offen Schuld gaben, trieb sein Hand¬
werk ungestört zwei Jahre lang in der Schweiz verdächtigt von den Einen, ver¬
theidigt von den Andern. Ich selbst hielt ihn für harmlos und war überhaupt
wenig geneigt, Einflüsterungen hinsichtlich vermutheter Spionerei Gehör zu geben,
teilweise, weil ich Alles offen betrieb, und weil man mich selbst eine Zeitlang
zu verdächtigen versucht hatte. Dieser Mensch nun, in dessen später veröffentlichten
Spionenberichten auch ich zu figuriren hatte -- und der Inhalt derselben ist der
Art, daß sich die Regierungen schämen sollten, ein solches Subject verwendet zu
haben -- ist, wie ich später durch eine wunderbare Fügung erfahren habe, derje¬
nige gewesen, auf dessen Anzeigen hin man meine Anklage auf Hochverrath in
Berlin beschlossen hatte. Von dem Unsinn, dessen diese Berichte voll waren, kann
man sich ans folgenden! Pröbchen eine Vorstellung machen. In einem dieser Mit¬
theilungen wird dein "Onkel" versichert, daß ich ans Rücksicht auf "einen bedeu¬
tenden Staatsmann" bei Herausgabe gewisser Aktenstücke bedeutende Auslassungen
stattfinden lassen würde. Denn, heißt es weiter, es ist dem in seiner frü¬
hern Stellung beinahe gelungen, den Grafen Bernsdorff für seine Pläne zu ge¬
winnen. Diese Notiz ist so abgeschmackt, daß sie keines Commentars bedarf. Ein
dritter Jude, der unter dem Namen eines Barons E . .. . eine Zeitlang sich un¬
ter den deutschen Flüchtlingen zu einigem Einfluß zu bringen gewußt hatte, stand
in oft. . , . sehen Diensten. Er wurde später vou den Zürcher Gerichten wegen
Fälschung gewisser Papiere zur Zuchthausstrafe verurtheilt, nachdem man ihn
wegen Verdachts der Theilnahme an der Ermordung Lessing's hatte von der In¬
stanz entbinden müssen. Später ist dieser angebliche Baron E., ursprünglich und
eigentlich jüdischer Brillenhäudlcr Z ... ., spurlos verschwunden. Er war mit
einer Ungarin verheirathet, einem sonderbaren Wesen, die aber vermuthlich der
Klasse der Gesellschaft angehören konnte, mit welcher sie Zusammenhang ansprach.
Auch ein talentvoller Flüchtling, L .. . . mit Namen, wurde in den Garnen der
Verführung gefangen, oder richtiger gesagt, er bot sich dein Grafen B......
geradezu zum Werk-eng an. Mit ihm sind seine ehemaligen Freunde sehr nach¬
sichtig und glimpflich verfahren, indem sie selbst nach Entdeckung seines Verhält¬
nisses ihm auch ferner Glauben schenkten, daß er nur im Interesse der guten
Sache ans diese Beziehungen eingegangen sei, und daß er in Jahr und Tag Alles,
was ihm zu Ohren oder zur Kunde gekommen, der Oeffentlichkeit übergeben werde.
Mir war durch zufällige Umstände die lästige Pflicht oder der Auftrag geworden,
diesen Spion zu entlarven. Natürlich hörte weder ich noch sonst Jemand etwas
von ihm nach Ablauf der ihm zur Rechtfertigung gewährten Frist. Darauf erkiest


jer Jude im schlechtesten Sinne des Wortes hat mich nachher in den Zeitungen
angegriffen, als habe ich ihm zuviel, oder in einem andern Sinne nicht genug
gethan. Er und seines Gleichen sind mir aber zu verächtlich, viele Worte über sie
zu verliere». Ein anderer Jude (Lessing), den später ein unheilvolles Ende überraschte,
und dessen Tod sich beide politische Parteien offen Schuld gaben, trieb sein Hand¬
werk ungestört zwei Jahre lang in der Schweiz verdächtigt von den Einen, ver¬
theidigt von den Andern. Ich selbst hielt ihn für harmlos und war überhaupt
wenig geneigt, Einflüsterungen hinsichtlich vermutheter Spionerei Gehör zu geben,
teilweise, weil ich Alles offen betrieb, und weil man mich selbst eine Zeitlang
zu verdächtigen versucht hatte. Dieser Mensch nun, in dessen später veröffentlichten
Spionenberichten auch ich zu figuriren hatte — und der Inhalt derselben ist der
Art, daß sich die Regierungen schämen sollten, ein solches Subject verwendet zu
haben — ist, wie ich später durch eine wunderbare Fügung erfahren habe, derje¬
nige gewesen, auf dessen Anzeigen hin man meine Anklage auf Hochverrath in
Berlin beschlossen hatte. Von dem Unsinn, dessen diese Berichte voll waren, kann
man sich ans folgenden! Pröbchen eine Vorstellung machen. In einem dieser Mit¬
theilungen wird dein „Onkel" versichert, daß ich ans Rücksicht auf „einen bedeu¬
tenden Staatsmann" bei Herausgabe gewisser Aktenstücke bedeutende Auslassungen
stattfinden lassen würde. Denn, heißt es weiter, es ist dem in seiner frü¬
hern Stellung beinahe gelungen, den Grafen Bernsdorff für seine Pläne zu ge¬
winnen. Diese Notiz ist so abgeschmackt, daß sie keines Commentars bedarf. Ein
dritter Jude, der unter dem Namen eines Barons E . .. . eine Zeitlang sich un¬
ter den deutschen Flüchtlingen zu einigem Einfluß zu bringen gewußt hatte, stand
in oft. . , . sehen Diensten. Er wurde später vou den Zürcher Gerichten wegen
Fälschung gewisser Papiere zur Zuchthausstrafe verurtheilt, nachdem man ihn
wegen Verdachts der Theilnahme an der Ermordung Lessing's hatte von der In¬
stanz entbinden müssen. Später ist dieser angebliche Baron E., ursprünglich und
eigentlich jüdischer Brillenhäudlcr Z ... ., spurlos verschwunden. Er war mit
einer Ungarin verheirathet, einem sonderbaren Wesen, die aber vermuthlich der
Klasse der Gesellschaft angehören konnte, mit welcher sie Zusammenhang ansprach.
Auch ein talentvoller Flüchtling, L .. . . mit Namen, wurde in den Garnen der
Verführung gefangen, oder richtiger gesagt, er bot sich dein Grafen B......
geradezu zum Werk-eng an. Mit ihm sind seine ehemaligen Freunde sehr nach¬
sichtig und glimpflich verfahren, indem sie selbst nach Entdeckung seines Verhält¬
nisses ihm auch ferner Glauben schenkten, daß er nur im Interesse der guten
Sache ans diese Beziehungen eingegangen sei, und daß er in Jahr und Tag Alles,
was ihm zu Ohren oder zur Kunde gekommen, der Oeffentlichkeit übergeben werde.
Mir war durch zufällige Umstände die lästige Pflicht oder der Auftrag geworden,
diesen Spion zu entlarven. Natürlich hörte weder ich noch sonst Jemand etwas
von ihm nach Ablauf der ihm zur Rechtfertigung gewährten Frist. Darauf erkiest


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/242>, abgerufen am 11.12.2024.