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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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thos hinausreichende und ihm fremdartige Bildungselemente in sie Hitt¬
eintraten, dem Ernste, mit dem sie sich in den alten Formen und
Vorstellungen bewegten, eine ironische Beimischung. Seit 1840 be¬
gannen die Burschenschafter aus ihrer bisherigen Abgeschlossenheit und
Genügsamkeit herauszutreten, indem sie zunächst die Aristokratien, die
sich innerhalb ihrer gebildet hatten, brachen, den Kreis ihrer Interessen
erweiterten und ihre Verfassung demokratischer einrichteten. Dadurch
aber, daß ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit den Volkszuständen
allseitiger wurde und sie sich dem übrigen Studentenleben zu vermit¬
teln suchten, mußten sie auf die Einseitigkeit ihrer Principien geführt
werden, und der verschiedenartigen Auffassung derselben, wie der Bil¬
dung von Parteien Raum geben. Die Tendenz zur Trennung wurde
dadurch, daß sie mit demokratischen Bewegungen unter den sogenann¬
ten Finken, welchen die Herrschaft der Verbindungen drückend wurde,
zusammentrafen, Tendenz zur Auflösung.

Indem die Burschenschafter ihre Besonderung im Studentenleben
aufgaben, kamen sie zu der Konsequenz, daß das Studentenleben, weil es
außer dem Volksleben keinen Inhalt habe, überhaupt als besonderes
unberechtigt sei und im Volksleben auf- und untergehen müsse. Diese
Consequenz ist jedenfalls eine einseitige, da das Volksleben nicht durch
die bloße Indifferenz der Stände ein einiges wird, sondern dadurch,
daß es sich in bestimmten Formen seines Daseins als ein einiges zu¬
sammenfaßt und darstellt. Die Universität hat als solche die Bestim¬
mung, das gesammte Volksleben wissenschaftlich zu durchdrin¬
gen und zu seiner Idee fortzuführen, und in dieser Bestimmung, die
ihre Einheit ausmacht, liegt die andere, aus und in sich ein einiges
und darum besonderes Leben darzustellen, das die Gegensätze des Volks¬
lebens enthält, ohne daß sie als reell eristirende auseinander gehalten
wären, in dem also diese Gegensätze, weil möglichst unmittelbar aus
der Idee heraus sich gestaltend, frei und lebendig, u,ut nur durch das
aus dem gemeinsamen Bewußtsein hervorgestellte Recht gehalten, zu
Kampf und Vermittlung zusammentreffen. Vor Universitäten, wie die
französischen, die nur im äußerlichen Eompler von Fachschulen sind,
und bei denen folgegemäß auch das Studentenleben auseinandcrsällt
und in dem großstädtischen Treiben verschwindet, möge uns unser gu¬
tes Geschick bewahren. Unsere Universitäten leiden allerdings nach
allen Seiten an Halbheiten und Widersprüchen und sind nicht das
was sie sein können und sollen, aber die Hoffnung, daß sie es wer-


thos hinausreichende und ihm fremdartige Bildungselemente in sie Hitt¬
eintraten, dem Ernste, mit dem sie sich in den alten Formen und
Vorstellungen bewegten, eine ironische Beimischung. Seit 1840 be¬
gannen die Burschenschafter aus ihrer bisherigen Abgeschlossenheit und
Genügsamkeit herauszutreten, indem sie zunächst die Aristokratien, die
sich innerhalb ihrer gebildet hatten, brachen, den Kreis ihrer Interessen
erweiterten und ihre Verfassung demokratischer einrichteten. Dadurch
aber, daß ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit den Volkszuständen
allseitiger wurde und sie sich dem übrigen Studentenleben zu vermit¬
teln suchten, mußten sie auf die Einseitigkeit ihrer Principien geführt
werden, und der verschiedenartigen Auffassung derselben, wie der Bil¬
dung von Parteien Raum geben. Die Tendenz zur Trennung wurde
dadurch, daß sie mit demokratischen Bewegungen unter den sogenann¬
ten Finken, welchen die Herrschaft der Verbindungen drückend wurde,
zusammentrafen, Tendenz zur Auflösung.

Indem die Burschenschafter ihre Besonderung im Studentenleben
aufgaben, kamen sie zu der Konsequenz, daß das Studentenleben, weil es
außer dem Volksleben keinen Inhalt habe, überhaupt als besonderes
unberechtigt sei und im Volksleben auf- und untergehen müsse. Diese
Consequenz ist jedenfalls eine einseitige, da das Volksleben nicht durch
die bloße Indifferenz der Stände ein einiges wird, sondern dadurch,
daß es sich in bestimmten Formen seines Daseins als ein einiges zu¬
sammenfaßt und darstellt. Die Universität hat als solche die Bestim¬
mung, das gesammte Volksleben wissenschaftlich zu durchdrin¬
gen und zu seiner Idee fortzuführen, und in dieser Bestimmung, die
ihre Einheit ausmacht, liegt die andere, aus und in sich ein einiges
und darum besonderes Leben darzustellen, das die Gegensätze des Volks¬
lebens enthält, ohne daß sie als reell eristirende auseinander gehalten
wären, in dem also diese Gegensätze, weil möglichst unmittelbar aus
der Idee heraus sich gestaltend, frei und lebendig, u,ut nur durch das
aus dem gemeinsamen Bewußtsein hervorgestellte Recht gehalten, zu
Kampf und Vermittlung zusammentreffen. Vor Universitäten, wie die
französischen, die nur im äußerlichen Eompler von Fachschulen sind,
und bei denen folgegemäß auch das Studentenleben auseinandcrsällt
und in dem großstädtischen Treiben verschwindet, möge uns unser gu¬
tes Geschick bewahren. Unsere Universitäten leiden allerdings nach
allen Seiten an Halbheiten und Widersprüchen und sind nicht das
was sie sein können und sollen, aber die Hoffnung, daß sie es wer-


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[0543] thos hinausreichende und ihm fremdartige Bildungselemente in sie Hitt¬ eintraten, dem Ernste, mit dem sie sich in den alten Formen und Vorstellungen bewegten, eine ironische Beimischung. Seit 1840 be¬ gannen die Burschenschafter aus ihrer bisherigen Abgeschlossenheit und Genügsamkeit herauszutreten, indem sie zunächst die Aristokratien, die sich innerhalb ihrer gebildet hatten, brachen, den Kreis ihrer Interessen erweiterten und ihre Verfassung demokratischer einrichteten. Dadurch aber, daß ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit den Volkszuständen allseitiger wurde und sie sich dem übrigen Studentenleben zu vermit¬ teln suchten, mußten sie auf die Einseitigkeit ihrer Principien geführt werden, und der verschiedenartigen Auffassung derselben, wie der Bil¬ dung von Parteien Raum geben. Die Tendenz zur Trennung wurde dadurch, daß sie mit demokratischen Bewegungen unter den sogenann¬ ten Finken, welchen die Herrschaft der Verbindungen drückend wurde, zusammentrafen, Tendenz zur Auflösung. Indem die Burschenschafter ihre Besonderung im Studentenleben aufgaben, kamen sie zu der Konsequenz, daß das Studentenleben, weil es außer dem Volksleben keinen Inhalt habe, überhaupt als besonderes unberechtigt sei und im Volksleben auf- und untergehen müsse. Diese Consequenz ist jedenfalls eine einseitige, da das Volksleben nicht durch die bloße Indifferenz der Stände ein einiges wird, sondern dadurch, daß es sich in bestimmten Formen seines Daseins als ein einiges zu¬ sammenfaßt und darstellt. Die Universität hat als solche die Bestim¬ mung, das gesammte Volksleben wissenschaftlich zu durchdrin¬ gen und zu seiner Idee fortzuführen, und in dieser Bestimmung, die ihre Einheit ausmacht, liegt die andere, aus und in sich ein einiges und darum besonderes Leben darzustellen, das die Gegensätze des Volks¬ lebens enthält, ohne daß sie als reell eristirende auseinander gehalten wären, in dem also diese Gegensätze, weil möglichst unmittelbar aus der Idee heraus sich gestaltend, frei und lebendig, u,ut nur durch das aus dem gemeinsamen Bewußtsein hervorgestellte Recht gehalten, zu Kampf und Vermittlung zusammentreffen. Vor Universitäten, wie die französischen, die nur im äußerlichen Eompler von Fachschulen sind, und bei denen folgegemäß auch das Studentenleben auseinandcrsällt und in dem großstädtischen Treiben verschwindet, möge uns unser gu¬ tes Geschick bewahren. Unsere Universitäten leiden allerdings nach allen Seiten an Halbheiten und Widersprüchen und sind nicht das was sie sein können und sollen, aber die Hoffnung, daß sie es wer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/543>, abgerufen am 23.07.2024.