Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.die Sachen! Vorerst aber hat sie tiefe Trauer ergriffen, und freiwillig Einiges verdient noch über das Aeußere und den Sitzungs¬ Der zweiten Kammer fehlt es nicht an guten Rednern. Von die Sachen! Vorerst aber hat sie tiefe Trauer ergriffen, und freiwillig Einiges verdient noch über das Aeußere und den Sitzungs¬ Der zweiten Kammer fehlt es nicht an guten Rednern. Von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184086"/> <p xml:id="ID_1420" prev="#ID_1419"> die Sachen! Vorerst aber hat sie tiefe Trauer ergriffen, und freiwillig<lb/> hat das lebenslustige Volk auf die sonst so enthusiastisch begrüßten<lb/> Freuden seines Carncvals verzichtet. O es liegt mehr Gefühl und<lb/> Gemüth und Urtheil in den Herzen des Volkes verborgen, als man¬<lb/> cher pedantische Gesetzgeber sich träumen läßt!</p><lb/> <p xml:id="ID_1421"> Einiges verdient noch über das Aeußere und den Sitzungs¬<lb/> charakter der zweiten dess.-darmstädtischen Kammer, resp, ihrer Mit¬<lb/> glieder, gesagt zu werden. Die Kammer versammelt sich in dem scho¬<lb/> nen, geräumigen Saale des Ständehauses. Die Deputirten sitzen in<lb/> drei concentrischen Kreisen. Dem Präsidenten, in der Peripheriemitte,<lb/> gegenüber ist der Ministerialtisch, daneben die Tribüne. Die Plätze<lb/> werden unter die Mitglieder verlooft, daher auch schon solchergestalt<lb/> nicht von Linker, Rechter oder Centrum die Rede sein kann. Die<lb/> Sitzungen dauern gewöhnlich von 9—2 Uhr. Eine geräumige Gallerte<lb/> in zwei Theilen, einer in aristokratischer Abgeschlossenheit für Standes¬<lb/> herren und Lieutenants, der andere für das übrige Volk bestimmt, ist<lb/> stets von einer aufmerksamen, mäuschenstillen Zuhörerschaft besetzt.<lb/> Dieselbe besteht, zum großen Verdrusse der schönen Darmstädterinnen,<lb/> welche ebenfalls gern die lebendige Discusston über Wohl und Wehe<lb/> ihres Vaterlandes hören möchten, der Verordnung nach blos aus<lb/> Männern; letzteres Wort darf aber nicht strict genommen werden, denn<lb/> oft sind Knaben die Mehrzahl. (In neuester Zeit sollen dieselben<lb/> theilweise vom Besuch der Gallerie ausgeschlossen sein.) Die Debatten<lb/> sind nie sehr lebhaft, stets in den Schranken der abgezirkeltsten Con-<lb/> venienz sich haltend. Nur bei der Civileheberathung sind sie etwas<lb/> lebendiger geworden. Selten wird eine Rede von Einwänden unter¬<lb/> brochen, trotzdem, daß manche Stunden lang dauert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1422" next="#ID_1423"> Der zweiten Kammer fehlt es nicht an guten Rednern. Von<lb/> denen, welche für die Civilehe stimmten, sind als solche zu nennen:<lb/> Unit, zweiter Präsident, Abgeordneter der Stadt Mainz, dessen Vor¬<lb/> trag elegant, aber oft zu gedehnt ist; Kilian, Abgeordneter von<lb/> Niederolm, Ausschußmitglied, welcher Schärfe des Urtheils, umfassen¬<lb/> des Wissen mit Eindringlichkeit und überzeugender Kraft zu paaren<lb/> weiß; Otto, von Offenbach, dessen Ehrenfestigkeit und Rechtssinn<lb/> durchaus anerkannt werden müssen; Glaubrech von Pfeddersheim,<lb/> Präses der weiland projectirten, aber verbotenen Advocatenversamm-<lb/> l"»g, der mit glänzender Dialektik <>vo deducirt und kritisirt; ferner<lb/> Brunck von Wöllstein, der freisinnigste, konsequenteste aller Deputir¬<lb/> ten, seit Jahren Ständemitglied, und endlich Zulauf von Endorf,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
die Sachen! Vorerst aber hat sie tiefe Trauer ergriffen, und freiwillig
hat das lebenslustige Volk auf die sonst so enthusiastisch begrüßten
Freuden seines Carncvals verzichtet. O es liegt mehr Gefühl und
Gemüth und Urtheil in den Herzen des Volkes verborgen, als man¬
cher pedantische Gesetzgeber sich träumen läßt!
Einiges verdient noch über das Aeußere und den Sitzungs¬
charakter der zweiten dess.-darmstädtischen Kammer, resp, ihrer Mit¬
glieder, gesagt zu werden. Die Kammer versammelt sich in dem scho¬
nen, geräumigen Saale des Ständehauses. Die Deputirten sitzen in
drei concentrischen Kreisen. Dem Präsidenten, in der Peripheriemitte,
gegenüber ist der Ministerialtisch, daneben die Tribüne. Die Plätze
werden unter die Mitglieder verlooft, daher auch schon solchergestalt
nicht von Linker, Rechter oder Centrum die Rede sein kann. Die
Sitzungen dauern gewöhnlich von 9—2 Uhr. Eine geräumige Gallerte
in zwei Theilen, einer in aristokratischer Abgeschlossenheit für Standes¬
herren und Lieutenants, der andere für das übrige Volk bestimmt, ist
stets von einer aufmerksamen, mäuschenstillen Zuhörerschaft besetzt.
Dieselbe besteht, zum großen Verdrusse der schönen Darmstädterinnen,
welche ebenfalls gern die lebendige Discusston über Wohl und Wehe
ihres Vaterlandes hören möchten, der Verordnung nach blos aus
Männern; letzteres Wort darf aber nicht strict genommen werden, denn
oft sind Knaben die Mehrzahl. (In neuester Zeit sollen dieselben
theilweise vom Besuch der Gallerie ausgeschlossen sein.) Die Debatten
sind nie sehr lebhaft, stets in den Schranken der abgezirkeltsten Con-
venienz sich haltend. Nur bei der Civileheberathung sind sie etwas
lebendiger geworden. Selten wird eine Rede von Einwänden unter¬
brochen, trotzdem, daß manche Stunden lang dauert.
Der zweiten Kammer fehlt es nicht an guten Rednern. Von
denen, welche für die Civilehe stimmten, sind als solche zu nennen:
Unit, zweiter Präsident, Abgeordneter der Stadt Mainz, dessen Vor¬
trag elegant, aber oft zu gedehnt ist; Kilian, Abgeordneter von
Niederolm, Ausschußmitglied, welcher Schärfe des Urtheils, umfassen¬
des Wissen mit Eindringlichkeit und überzeugender Kraft zu paaren
weiß; Otto, von Offenbach, dessen Ehrenfestigkeit und Rechtssinn
durchaus anerkannt werden müssen; Glaubrech von Pfeddersheim,
Präses der weiland projectirten, aber verbotenen Advocatenversamm-
l"»g, der mit glänzender Dialektik <>vo deducirt und kritisirt; ferner
Brunck von Wöllstein, der freisinnigste, konsequenteste aller Deputir¬
ten, seit Jahren Ständemitglied, und endlich Zulauf von Endorf,
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