Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.genug, diese zu besuchen. - Von Fortschritten in der Kunst konnte genug, diese zu besuchen. - Von Fortschritten in der Kunst konnte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0470" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184052"/> <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340" next="#ID_1342"> genug, diese zu besuchen. - Von Fortschritten in der Kunst konnte<lb/> nun allerdings die Rede nicht sein, denn das Theater ward ziemlich<lb/> handwerksmäßig betrieben. Die Schauspieler, mit denen ich zusammen<lb/> war, gehörten eben nicht zu den vorzüglichern unsers Standes. Leute<lb/> ohne alle geistige und sittliche Bildung, ohne eine Spur von Talent<lb/> oder Verständniß Dessen, was sie thaten oder wollten. Nur ein junger<lb/> Mann, Namens Hirsch, machte eine Ausnahme. Er spielte Liebhaber<lb/> und Naturburschen und bekleidete nebenbei das Amt eines Musttdirec-<lb/> tors, wenn wir uns einmal zu einem Liederspiel oder einem Vaude-<lb/> ville verstiegen. Hirsch war ein seltsamer Mensch, der die Lücken seiner<lb/> Bildung durch fleißiges Lesen auszufüllen suchte, denn seine ganze<lb/> Erziehung hatte sich darauf beschränkt, ihn Musik lehren zu lassen.<lb/> Sie werden das meistens bei den Schauspielern finden, daß sie für<lb/> ihre Kinder musikalische Kenntnisse nicht nur für das Wesentlichste,<lb/> sondern auch einzig Nothwendige halten. Sie^ sehen ja täglich, wie<lb/> die Sänger so viel besser bezahlt werden, als die Schauspieler, und<lb/> den Meisten ist ein guter Sängcrgehalt der Gipfelpunkt der Wünsche,<lb/> die sie für ihre Sprößlinge hegen. Hirsch hätte eine sehr gute Er¬<lb/> ziehung erhalten können, denn seine Aeltern waren in den glänzendste»<lb/> Verhältnissen gewesen. Sein Vater hatte in der günstigsten Zeit der<lb/> gewaltigen, jahrelang dauernden Truppenbewegungen im Anfang dieses<lb/> Jahrhunderts in den ersten Städten Hollands und Belgiens ein deut¬<lb/> sches Theater geführt und sehr viel Geld verdient, so daß er mit vier<lb/> Pferden zu fahren pflegte. Allein zusammenzuhalten mochte er nicht<lb/> verstanden haben. In der nach dem Frieden folgenden Zeit, wo die<lb/> Theater überall schlechte Geschäfte machten, hatte er nach und nach<lb/> Alles wieder eingebüßt, so daß er in seinem Alter ebenso arm wie<lb/> vordem reich war. Er starb übrigens einen merkwürdigen Tod. Bei<lb/> einem Volksaufstand, wo es zu blutigem Kampfe mit den Truppen<lb/> kam, ging der alte Mann, ohne Ahnung, was geschah, vielleicht auch<lb/> auf der Straße von dem Lärm überrascht, in der Absicht, seine Woh¬<lb/> nung zu erreichen, um eine Straßenecke, als eben die Truppen Feuer<lb/> gaben. Eine wohlthätige Kugel machte seinem Leben augenblicklich<lb/> ein Ende. Er war das einzige Opfer, das der Tod in diesem Auf¬<lb/> ruhr erheischte — und starb mitten in einer großen Volksheere, deren<lb/> ähnliche er so oft auf der Bühne zur Darstellung eingerichtet haben<lb/> mochte. Seinem Sohne war von seinem glänzenden, wechselvolle»<lb/> Leben nichts übrig geblieben, als die Erinnerung, die er auch sorgsam<lb/> pflegte. Ohne Gaben, Großes zu erreichen, ohne Fähigkeit, in das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0470]
genug, diese zu besuchen. - Von Fortschritten in der Kunst konnte
nun allerdings die Rede nicht sein, denn das Theater ward ziemlich
handwerksmäßig betrieben. Die Schauspieler, mit denen ich zusammen
war, gehörten eben nicht zu den vorzüglichern unsers Standes. Leute
ohne alle geistige und sittliche Bildung, ohne eine Spur von Talent
oder Verständniß Dessen, was sie thaten oder wollten. Nur ein junger
Mann, Namens Hirsch, machte eine Ausnahme. Er spielte Liebhaber
und Naturburschen und bekleidete nebenbei das Amt eines Musttdirec-
tors, wenn wir uns einmal zu einem Liederspiel oder einem Vaude-
ville verstiegen. Hirsch war ein seltsamer Mensch, der die Lücken seiner
Bildung durch fleißiges Lesen auszufüllen suchte, denn seine ganze
Erziehung hatte sich darauf beschränkt, ihn Musik lehren zu lassen.
Sie werden das meistens bei den Schauspielern finden, daß sie für
ihre Kinder musikalische Kenntnisse nicht nur für das Wesentlichste,
sondern auch einzig Nothwendige halten. Sie^ sehen ja täglich, wie
die Sänger so viel besser bezahlt werden, als die Schauspieler, und
den Meisten ist ein guter Sängcrgehalt der Gipfelpunkt der Wünsche,
die sie für ihre Sprößlinge hegen. Hirsch hätte eine sehr gute Er¬
ziehung erhalten können, denn seine Aeltern waren in den glänzendste»
Verhältnissen gewesen. Sein Vater hatte in der günstigsten Zeit der
gewaltigen, jahrelang dauernden Truppenbewegungen im Anfang dieses
Jahrhunderts in den ersten Städten Hollands und Belgiens ein deut¬
sches Theater geführt und sehr viel Geld verdient, so daß er mit vier
Pferden zu fahren pflegte. Allein zusammenzuhalten mochte er nicht
verstanden haben. In der nach dem Frieden folgenden Zeit, wo die
Theater überall schlechte Geschäfte machten, hatte er nach und nach
Alles wieder eingebüßt, so daß er in seinem Alter ebenso arm wie
vordem reich war. Er starb übrigens einen merkwürdigen Tod. Bei
einem Volksaufstand, wo es zu blutigem Kampfe mit den Truppen
kam, ging der alte Mann, ohne Ahnung, was geschah, vielleicht auch
auf der Straße von dem Lärm überrascht, in der Absicht, seine Woh¬
nung zu erreichen, um eine Straßenecke, als eben die Truppen Feuer
gaben. Eine wohlthätige Kugel machte seinem Leben augenblicklich
ein Ende. Er war das einzige Opfer, das der Tod in diesem Auf¬
ruhr erheischte — und starb mitten in einer großen Volksheere, deren
ähnliche er so oft auf der Bühne zur Darstellung eingerichtet haben
mochte. Seinem Sohne war von seinem glänzenden, wechselvolle»
Leben nichts übrig geblieben, als die Erinnerung, die er auch sorgsam
pflegte. Ohne Gaben, Großes zu erreichen, ohne Fähigkeit, in das
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |