Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.hatte sie fast getödtet und ich war lebhaft bemüht, mir dergleichen ge¬ Ob nicht dennoch ein Bündniß der Neigungen die Folge des Tha- Ich streckte den Kopf aus dem Wagen und richtete ihn sehr ver¬ "Laß gut sein, Fuchs", ertönte es von oben. "Ich liege zwar Der Kutscher spitzte bei dieser Unterhaltung, die sehr laut geführt Seltsamer.Weise hielt mit einem Ruck der Wagen, und der sanfte "Herr Jesus! Es sitzt Einer aus dem Wagen!" schrie der Sanfte "Ich bin's, Heinrich!" entgegnete sehr gelassen der Seminolen- "Herr Jesus, Herr Perglow! O du mein Himmel, das Unglück! Grenzboten. IV. 184"!. 44
hatte sie fast getödtet und ich war lebhaft bemüht, mir dergleichen ge¬ Ob nicht dennoch ein Bündniß der Neigungen die Folge des Tha- Ich streckte den Kopf aus dem Wagen und richtete ihn sehr ver¬ „Laß gut sein, Fuchs", ertönte es von oben. „Ich liege zwar Der Kutscher spitzte bei dieser Unterhaltung, die sehr laut geführt Seltsamer.Weise hielt mit einem Ruck der Wagen, und der sanfte „Herr Jesus! Es sitzt Einer aus dem Wagen!" schrie der Sanfte „Ich bin's, Heinrich!" entgegnete sehr gelassen der Seminolen- „Herr Jesus, Herr Perglow! O du mein Himmel, das Unglück! Grenzboten. IV. 184«!. 44
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0329" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183911"/> <p xml:id="ID_941" prev="#ID_940"> hatte sie fast getödtet und ich war lebhaft bemüht, mir dergleichen ge¬<lb/> räuschvolle Artigkeiten nicht ferner zuzuziehen."</p><lb/> <p xml:id="ID_942"> Ob nicht dennoch ein Bündniß der Neigungen die Folge des Tha-<lb/> ranter Winters gewesen war, leuchtete aus der Erzählung dieses Vor¬<lb/> falls freilich nicht ein. Wir geriethen darauf wieder in Jean-Paulsche<lb/> Stimmung. Es ist so verzeihlich, mit achtzehn Jahren überschweng¬<lb/> lich sein, das Paradies aus einer Rosenknospe zu riechen und himm¬<lb/> lische Unendlichkeit in einen Händedruck zu schließen. Eine Rosenknospe<lb/> hatte sich Julie in Meißen an die Brust gesteckt und wenn sich unsere<lb/> schweifenden Gedanken begegneten, so thaten es auch unsere Hände.</p><lb/> <p xml:id="ID_943"> Ich streckte den Kopf aus dem Wagen und richtete ihn sehr ver¬<lb/> renkt gegen den Deckpassagier, um ihm Cigarren anzubieten, falls er<lb/> nicht genug versorgt sein sollte. Denn Perglow's Abwesenheit war<lb/> doch sehr ersprießlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_944"> „Laß gut sein, Fuchs", ertönte es von oben. „Ich liege zwar<lb/> auf einem Prokrustesbette und habe überdies ein Fäßchen zwischen den<lb/> Knieen zu halten, wenn ich nicht sammt demselben herunterfliegen soll.<lb/> Aber die Cigarre ist im Brande, daß sie der gesammten englischen<lb/> Kriegsflotte zur Lunte dienen könnte."</p><lb/> <p xml:id="ID_945"> Der Kutscher spitzte bei dieser Unterhaltung, die sehr laut geführt<lb/> werden mußte, die Ohren und richtete sich von seinem Platze empor.</p><lb/> <p xml:id="ID_946"> Seltsamer.Weise hielt mit einem Ruck der Wagen, und der sanfte<lb/> Heinrich hatte sich so unsanft aus der Schoßkelle geschnellt, daß er<lb/> wie ein Graspferd bis in den feuchten Straßengraben hinüber gehüpft<lb/> war, eine bedeutendere Entfernung, als jemals eines der Pferde, die<lb/> er lenkte, in den besten Tagen seiner Blüthe auf Einen Ansatz zurück¬<lb/> gelegt hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_947"> „Herr Jesus! Es sitzt Einer aus dem Wagen!" schrie der Sanfte<lb/> und das Haar sträubte sich auf seinem Scheitel empor, von dem der<lb/> Hut weit weg entflogen war. „Und das Verdeck raucht wie ein<lb/> Schornstein!"</p><lb/> <p xml:id="ID_948"> „Ich bin's, Heinrich!" entgegnete sehr gelassen der Seminolen-<lb/> anführer. „Meine Cigarre und da — wahrhaftig ein Stück alter<lb/> Packleinwand ist angeglimmt. Hocke nur wieder auf. Es ist nicht<lb/> drei Pfennige werth, und ich drücke den Brand mit zwei Fingern aus."</p><lb/> <p xml:id="ID_949"> „Herr Jesus, Herr Perglow! O du mein Himmel, das Unglück!<lb/> Machen Sie, daß Sie herunter kommen oder wir sind Alle verloren.<lb/> . Es sind drei Centner Pirschpulver in den Fässern und der Wagen<lb/> brennt!" schrie Heinrich.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 184«!. 44</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0329]
hatte sie fast getödtet und ich war lebhaft bemüht, mir dergleichen ge¬
räuschvolle Artigkeiten nicht ferner zuzuziehen."
Ob nicht dennoch ein Bündniß der Neigungen die Folge des Tha-
ranter Winters gewesen war, leuchtete aus der Erzählung dieses Vor¬
falls freilich nicht ein. Wir geriethen darauf wieder in Jean-Paulsche
Stimmung. Es ist so verzeihlich, mit achtzehn Jahren überschweng¬
lich sein, das Paradies aus einer Rosenknospe zu riechen und himm¬
lische Unendlichkeit in einen Händedruck zu schließen. Eine Rosenknospe
hatte sich Julie in Meißen an die Brust gesteckt und wenn sich unsere
schweifenden Gedanken begegneten, so thaten es auch unsere Hände.
Ich streckte den Kopf aus dem Wagen und richtete ihn sehr ver¬
renkt gegen den Deckpassagier, um ihm Cigarren anzubieten, falls er
nicht genug versorgt sein sollte. Denn Perglow's Abwesenheit war
doch sehr ersprießlich.
„Laß gut sein, Fuchs", ertönte es von oben. „Ich liege zwar
auf einem Prokrustesbette und habe überdies ein Fäßchen zwischen den
Knieen zu halten, wenn ich nicht sammt demselben herunterfliegen soll.
Aber die Cigarre ist im Brande, daß sie der gesammten englischen
Kriegsflotte zur Lunte dienen könnte."
Der Kutscher spitzte bei dieser Unterhaltung, die sehr laut geführt
werden mußte, die Ohren und richtete sich von seinem Platze empor.
Seltsamer.Weise hielt mit einem Ruck der Wagen, und der sanfte
Heinrich hatte sich so unsanft aus der Schoßkelle geschnellt, daß er
wie ein Graspferd bis in den feuchten Straßengraben hinüber gehüpft
war, eine bedeutendere Entfernung, als jemals eines der Pferde, die
er lenkte, in den besten Tagen seiner Blüthe auf Einen Ansatz zurück¬
gelegt hätte.
„Herr Jesus! Es sitzt Einer aus dem Wagen!" schrie der Sanfte
und das Haar sträubte sich auf seinem Scheitel empor, von dem der
Hut weit weg entflogen war. „Und das Verdeck raucht wie ein
Schornstein!"
„Ich bin's, Heinrich!" entgegnete sehr gelassen der Seminolen-
anführer. „Meine Cigarre und da — wahrhaftig ein Stück alter
Packleinwand ist angeglimmt. Hocke nur wieder auf. Es ist nicht
drei Pfennige werth, und ich drücke den Brand mit zwei Fingern aus."
„Herr Jesus, Herr Perglow! O du mein Himmel, das Unglück!
Machen Sie, daß Sie herunter kommen oder wir sind Alle verloren.
. Es sind drei Centner Pirschpulver in den Fässern und der Wagen
brennt!" schrie Heinrich.
Grenzboten. IV. 184«!. 44
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